Schimmel (Pferd)

Schimmel (Pferd).


1. Der Schimmel ist gut, sagte der Kutscher, da blieb er alle zehn Schritt stehen.


2. Ein grawer Schimmel zeucht eben so wohl als ein rother Fuchs.Henisch, 1274, 42; Petri, II, 191.


3. Ein Schimmel drabt so wol als ein Rapp.Lehmann, 147, 100.

Die Farbe thut's nicht; aber auch: Verachte das Alter nicht. Der Mann mit grauem Haar hält oft mehr aus, als der junge mit seiner vielversprechenden, blühenden Gesundheit. Auch von eines ältern Mannes Heirath mit einer jungen Frau, Doch »antwort ein Jungfraw (in Bezug auf das obige Sprichwort): Darnach der Weg ist; ein Alter sey so gut als er wolle, so ist doch seine Haut kein Narr, wird sie alt, so schrumpfft sie ein.« (Lehmann, 147, 100.)


4. Ein Schimmel trabt so weit als ein Hengst. Petri, II, 224.

Warum stellt Bebel den Schimmel dem Hengst gegenüber, da beide doch keine Gegensätze bilden?


5. Einem lahmen Schimmel hilft ein guter Kümmel.

Zur Entschuldigung, wenn einer getrunken wird.


6. Es muss einer sein, der den Schimmel durch den Bach zeucht.


7. Ist der Schimmel hinkend worden, so ist er doch auch ehe ein gut Pferd gewesen. Petri, II, 408.


8. Schimmel oder Rappen, wenn das Pferd gut läuft, dann will man's haben.

Böhm.: Kŭň se nechválí srstí, ale rychlostí. (Čelakovský, 268.)


9. Schimmel trägt so gut als Rapp, je nachdem die Hohlgasse ist.


[182] 10. Wenn die Schimmel nicht ziehen, so muss man Füchse vorspannen.

Wirkt das Silber nicht mehr, muss man Gold versuchen.


*11. Auf dem obrigkeitlichen Schimmel herumreiten.Kirchhofer, 118.

Die Boten der Eidgenossen, wenn sie in oder ausser dem Lande Geschäfte hatten, ritten ehemals. Zu ihrem Dienste wurden auf öffentliche Kosten Pferde gehalten. Als auch später diese Einrichtung aufgehoben ward, behielt man doch das Sprichwort bei. Der obrigkeitliche Schimmel blieb aber ein Lieblingspferd, das noch heute überall geritten wird.


*12. Da ging der Schimmel seinen richtigen Schritt.

Es war alles in Ordnung.


*13. Den Schimmel färben.

»Kann er meinen Schimmel blau färben?« fragte einst Herzog Karl von Würtemberg einen Färber, an dessen Thür er vorüberritt. »Warum nicht«, antwortete dieser, »wenn er sonst das Sieden verträgt.« In Virginien strichen 1851 die Studenten in Lexington einem deutschen Professor seinen Schimmel schwarz an.


*14. Den Schimmel von Bronzell zu Tode reiten.

Einen falschen Weg bis ans Aeusserste verfolgen.


*15. Der Schimmel hat sich g'walgt.

So sagt man in Oberösterreich, wenn morgens viel Reif liegt. Man könnte dabei, bemerkte Baumgarten, an das Ross der Walkyren denken, das reifbedeckt daherfliegt.


*16. Der Schimmel schlägt hintenaus.


*17. Der Schimmel von Bronzell.

Als die preussische Armee unter Gröben in Kurhessen im Jahre 1850 den vereinigten Oesterreichern und Baiern gegenüberstand und es bei Bronzell losgehen sollte, geschah nichts weiter, als dass der Schimmel eines Trompeters von einer feindlichen Kugel zum Fallen kam. Die Schlacht kam nicht zu Stande; man vertrug sich und sanctionirte die neue Freundschaft durch den für uns so schmählichen olmützer Frieden. Seitdem gilt der Schimmel von Bronzell als ironisch-sprichwörtliches Beispiel geringfügigen Erfolgs nach grossartigen Vorbereitungen und Anstrengungen. Der »Schimmel von Bronzell« ist geboren, oder vielmehr gestorben am 8. Nov. 1850. Am 16. Mai war der Bundestag ohne Preussen wieder hergestellt. Der Kurfürst von Hessen rief die Hülfe des Bundes gegen seine Unterthanen an; und der Bund beauftragte Baiern, die Hessen zu Gehorsam und Ordnung zurückzuführen. Im November rückten die Baiern in Hessen ein; Preussen aber erklärte, diese Einmischung (Intervention) nicht dulden, sondern die kurhessische Verfassung und das kurhessische Volk schützen zu wollen. Preussen erklärte dies nicht nur, es liess sogar marschiren, und es kam zu der berühmten Schlacht von Bronzell, in welcher der einzige Todte ein Trompeterpferd, der einzige Verwundete ein Commissmantel war. Dies liess den Ernst des preussischen Schutzes um so mehr im bedenklichen Lichte erscheinen, als bald darauf Manteuffel den ebenfalls sprichwörtlich gewordenen »sauern Gang« nach Olmütz machte, infolge dessen Preussen in den Bund wieder hineinkroch und seine Schutztruppen aus Hessen zurückzog, dies Land den Strafbaiern überlassend. Dass die Preussen auch etwas Besseres machen können, wenn sie dürfen, d.h. von oben dazu veranlasst werden, haben sie, abgesehen von den Leistungen unter Friedrich dem Grossen, wie im Befreiungskriege 1813-15 in neuerer Zeit auch 1866 und 1870 bewiesen, sodass also der obige sprichwörtliche Ausdruck seine Spitze nicht gegen das preussische Volk und Heer, sondern gegen die damalige Staatspolitik kehrt.


*18. Der Schimmel von Bronzell hat keine Ruhe im Grabe.

Wenn dieselben Wege eingeschlagen werden, welche den damaligen Vorgang mit seinen Folgen veranlasst haben. »Der Schimmel von Bronzell hat keine Ruhe im Grabe und wird noch oft geritten werden.« (Janus, Neuyork vom 29. Sept. 1852.)


*19. Der Schimmel wird alle.

So sagte einst ein Jude zu einem Offizier, der ihn hinter sich auf das Pferd genommen hatte, als es schnell bergauf ging, der Offizier zurückrutschte und dadurch der Jude herabzufallen fürchtete. (Braun, Bibliothek des Frohsinns, Bd. 3, Hft. 1, Nr. 75.)


*20. Der Schimmel zieht immer1.

1) So sagt man vom Mühlbach, der das Werk treibt, das dem Müller Gewinn bringt. Der Müller gewinnt immer.


*21. Er hat den Schimmel vor den unrechten Wagen gespannt.

Seine Geschenke (Silberstücke) an unwirksamer Stelle abgegeben. (Vgl. Gedankenspäne, Berlin 1795, S. 68.)


*22. Er sitzt auf dem Schimmel und sieht ihn nicht.Frischbier2, 3679.

Die Litauer: Auf der Stute reitest du, und die Stute suchst du. (Schleicher, 181.)


[183] *23. Es ist ein Schimmel.

Ein Fehler im Glückstopf.


*24. Et ward mennig all Schimmel vertehrt, wo ik uk nischt von krieg.

Nicht weit hergeholt von Fr. Hasenow in den Hausblättern (1867, 455). Wen man den Mund mit allerlei Genüssen wässerig zu machen sucht, der pflegt zu antworten: »Es wird mancher alter Schimmel gegessen, von dem ich nichts bekomme.«


*25. Mach mer der Schimmel nit schüch. (Solothurn.) – Schild, 91, 377.


[Zusätze und Ergänzungen]

26. Der Schimmel, so den Hafer verdient, bekommt ihn nicht.


*27. Sieh, dort fliegt ein Schimmel!Prager Kalender, 1877.

Sagt man, um jemand zu necken.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
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