Maus

[469] Maus (Mus L.), Nagetiergattung aus der Familie der Mäuse (Muridae), kleine Tiere mit schlankem Kopf, spitzer, behaarter Schnauze, schuppig geringeltem, fast nacktem Schwanz von Körperlänge und darüber, fünfzehigen Hinter- und vierzehigen, mit einer Daumenwarze versehenen Vorderfüßen. Die Gattung umfaßt über 100 Arten, die fast über die ganze Erde verbreitet sind und sich von Vegetabilien nähren, aber auch animalische Stoffe nicht verschmähen. Man teilt sie in zwei Gruppen: Ratten, erwachsen über 30 cm lang, mit plumpen Füßen. Schwanz mit 200–260 Schuppenringen; Mäuse, nur bis 24 cm lang, mit schlanken, zierlichen Füßen, Schwanz mit 120–180 Schuppenringen. Die Hausmaus (Mus musculus L., s. Tafel »Nagetiere III«, Fig. 4) ist 9 cm lang, mit ebenso langem Schwanz, grauschwarz mit gelblichem Anflug, unten heller; Füße und Zehen sind gelblichgrau, die Sohlen ganz nackt; die Ohren bedecken angedrückt die Augen. Sie ist in Europa heimisch, aber über die ganze bewohnte Erde verschleppt und lebt in den Wohnungen der Menschen, im Sommer auch in Gärten und Feldern, sie gräbt Röhren und Löcher, ist sehr munter und flink, springt weit, klettert trefflich, schwimmt aber nur mit Anstrengung eine kurze Strecke. Sie wirft jährlich drei- bis fünfmal, 22–24 Tage nach der Paarung, 4–8 nackte, blinde Junge, so daß die unmittelbare Nachkommenschaft eines Jahres mindestens aus 30 Stück besteht. Diese wachsen sehr schnell heran und sind bald fortpflanzungsfähig. Die Hausmaus wird durch ihre Naschhaftigkeit, mehr aber noch dadurch lästig, daß sie wertvolle Gegenstände, namentlich Bücher, Naturalien etc., benagt. Sie frißt jede Art tierischer und vegetabilischer Nahrung. Mehrfach ist berichtet worden, daß die M. ihr bekanntes Gezwitscher (»Pfeifen«) in einer Weise ertönen lassen kann, die an den leisen Gesang eines Vogels erinnert. In China soll man singende Mäuse in Käsigen halten. Die weißen Mäuse sind Kakerlaken oder Albinos und werden oft als zahme Zimmertiere gehalten. In England werden Mäuse gezüchtet und Ausstellungen veranstaltet. Am beliebtesten ist die holländische M. mit langen, seidenweichen Haaren. In Japan züchtet man eine Rasse, die Tanzmäuse, die infolge der Verkümmerung von zwei Bogengängen des Ohrs und einer Degeneration der Hörzellen taub sind und fortwährend mit rasender Schnelligkeit im Kreise herumlaufen (Zwangsbewegung). Die Waldmaus (M. sylvaticus L.) ist 20 cm lang, mit 11,5 cm langem Schwanz, an der Oberseite rot gelblichgrau, auf dem Rücken fast rostbraun, an der scharf abgesetzten Unterseite, an Füßen und Zehen weiß. Die Ohren sind so gestaltet wie bei der Hausmaus. Die Waldmaus ist in ganz Europa und Mittelasien verbreitet, geht im Gebirge bis 2000 m, lebt besonders an Waldrändern und in Gärten, nährt sich von Obst, Nüssen, kleinen Tieren, selbst Vögeln, und besitzt große Gewandtheit im Laufen, Springen und Klettern. Sie legt einen kleinen Wintervorrat an, hält aber keinen Winterschlaf. Sie wirft jährlich zwei- bis dreimal 4–6 nackte Junge und richtet auf Feldern, in Gärten und Wäldern (durch Benagen junger Bäume) Schaden an, der aber im ganzen nicht beträchtlich ist. Im Winter kommt sie in die Häuser. Die Brandmaus (Acker-o der Erbsenmaus, M. agrarius Pall.) ist 18 cm lang, mit 8 cm langem Schwanz, oberseits rostbraun, meist mit schwarzem Rückenstreifen, unten scharf abgesetzt weiß; die Ohren bedecken angedrückt nicht das Auge. Sie findet sich in Mitteleuropa, vom Rhein bis zum westlichen Sibirien, auf Feldern und an Waldrändern, im Winter in Scheunen und Ställen und lebt in Erdlöchern. Sie nährt sich von Getreide, Knollen, Insekten, Würmern und trägt Vorräte für den Winter ein. Sie wirft im Sommer drei- bis viermal 4–8 Junge. Die Zwergmaus (M. minutus Pall.) ist 6,5 cm lang, mit fast ebenso langem Schwanz, an der Oberseite gelblich braunrot, an der scharf abgesetzten Unterseite und an den Füßen weiß; doch kommen auch dunklere und hellere, rötlichere und bräunlichere etc. Abänderungen vor. Die Ohren reichen angedrückt nicht bis aus Auge. Sie findet sich in ganz Mitteleuropa und Sibirien auf Feldern, im Schilf und Rohr, soll jährlich zwei- bis dreimal 5–9 Junge werfen, überwintert in Scheuern, in die sie mit der Frucht eingeführt wird, auch im freien Feld unter Feimen, größtenteils schlafend, aber ohne daß sie in Erstarrung verfällt. Sie lebt von Getreidekörnern, Sämereien aller Art und Kerbtieren, klettert gewandt an den Ästen der Gebüsche und selbst an schwachen Grashalmen empor, wobei ihr der Schwanz als Wickelschwanz sehr förderlich ist, und baut 0,5–1 m über der Erde ein zierliches, kugelrundes, faustgroßes Nest mit seitlicher Öffnung auf an der Spitze zerschlissenen und miteinander verflochtenen Riedgrasblättern oder frei an den Zweigen eines Busches, an einem Schilfstengel u. dgl. (s. Tafel »Tierwohnungen I«, Fig. 4) und benutzt es als Wochenbett. Über die Feldmaus s. Wühlmaus. Vgl. Altum, Unsre Mäuse in ihrer forstlichen Bedeutung (Berl. 1880).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 469.
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