Maya-Hieroglyphen

[482] Maya-Hieroglyphen. Die Mayastämme von Yukatan und der angrenzenden Teile von Tabasco, Chiapas, Guatemala und Honduras besaßen, gleich den alten Mexikanern, eine Bilderschrift (vgl. Mexikanische Hieroglyphen).

Maya-Hieroglyphen.
Maya-Hieroglyphen.

Durch die Gewohnheit aber, ihre Hieroglyphen einzeln und in ganzen Inschriften ornamental zu verwenden, und besonders infolge der Sitte, gewisse Zeitabschnitte durch die Errichtung von Monumenten zu bezeichnen, auf denen dieser Zeitabschnitt und gewisse Dinge, die in demselben geschehen oder zu erwarten waren, in Bilderschrift eingegraben wurden, haben sich die M. insbes. nach der Richtung hin entwickelt, daß 1) auf die Farbengebung zur Unterscheidung verzichtet wurde, 2) die oft sehr zahlreichen Elemente kombinierter Bilder in einen Raum einheitlicher Größe und viereckiger Form zusammengedrängt wurden (»kalkuliforme Hieroglyphen«), 3) die ursprünglichen Abbilder der Gegenstände in weit ausgedehnterm Maße zu konventionellen Zeichen, zu Lettern abbreviiert wurden. Daher kommt es, daß über die Bedeutung der M. noch sehr wenig bekannt ist. Freilich hat schon der Bischof Landa ein vollständiges M.-Alphabet aufgestellt. Aber mit diesem Alphabet sind weder die Handschriften noch die Steininschriften zu lesen, und sicher kennt man bis heute nur die Hieroglyphen der 20 Tageszeichen, die der 18 sogen. Monate (d. h. Zeiträume von 20 Tagen)[482] und einiger größerer Zeiträume, die Hieroglyphen einiger Farben und die der vier Himmelsrichtungen, endlich die Hieroglyphen der Zahlen 1–20. Die Hieroglyphen der Tageszeichen und der sogen. Monate hat uns Bischof Landa mit ihren Namen erhalten. Die erstern (vgl. Fig. 1–20) sind ganz konventionell gewordene Zeichen. So ist Fig. 6 die Hieroglyphe für cimi, »Tod«, und als solche erkennbar durch das geschlossene Auge und den fleischlosen Unterkiefer. Fig. 14 ist Hieroglyphe für ix oder hix, d. b. ben Zauberer, den Werwolf, der sich in einen Jaguar verwandelt. Sie zeigt die Flecke und den haarigen Rand des Jaguarfelles. Fig. 18, e'tznab, bezeichnet den Feuerstein, die zackigverlaufenden Bruchlinien des zerschlagenen Steines müssen das in der Hieroglyphe zum Ausdruck bringen. Die Hieroglyphen der sogen. Monate sind in Fig. 21–38 wiedergegeben. Hier sind Fig. 24 (zo'tz, die Fledermaus) und 35 (moan, ein mythischer Vogel) allenfalls als Bilder dieser Tiere erkennbar. Aber Fig. 32 (ceh, der Hirsch) ist nur durch zwei Symbole zum Ausdruck gelangt, von denen das eine, wie es scheint, »rot« bedeutet. Von einer phonetischen Konstituierung der Hieroglyphen, wie sie das Landasche Alphabet an die Hand geben würde, ist nicht die Rede. Fig. 27 z. B. ist die Hieroglyphe für yax-kin, d. h. »grüne oder neue Sonne«. Hier kann man in dem untern Element in der Tat ein Bild oder Symbol der Sonnenscheibe (kin) erkennen. Aber in Fig. 34, wo wir dasselbe Element erwarten müßten, denn diese Hieroglyphe gibt den Namen kan-kin (»gelbe oder reife Sonne«) wieder, haben wir auf einmal ein ganz andres Zeichen, ein Element, das in der Hieroglyphe des Hundes wiederkehrt und, wie es scheint, einen skelettierten Rumpf, Wirbelsäule und Rippenkorb zum Ausdruck bringen soll. Durch Bemühungen verschiedener Gelehrten ist einerseits das arithmetische System, das in den Handschriften und auf den Inschriften befolgt ist, klar gelegt worden und anderseits eine Anzahl Hieroglyphen (z. B. von Göttern) und hieroglyphischer Elemente ihrer Bedeutung, wenn auch nicht ihrem Lautwert nach, festgestellt worden. Eine Entzifferung ganzer zusammenhängender Stellen ist aber noch nirgends gelungen. Von der Form der Hieroglyphen in den Handschriften geben Fig. 39 und 40 ein Bild (der Dresdener Handschrift und dem Codex Tro entnommen), von der in den Inschriften die Fig. 41, die von einer Skulptur in Copan stammt. Vgl. de Rosny, Essai sur le déchiffrement de l'écriture hiératique de l'Amérique centrale (Par. 1876); Förstemann, Die Maya-Handschrift der königlichen Bibliothek in Dresden (2. Aufl., Dresd. 1892), Entzifferung der Maya-Handschriften (Heft 1–5, das. 1887–95) und Kommentar (das. 1901); Schellhas, Die Göttergestalten der Maya-Handschriften (2. Aufl., Berl. 1904); Goodman, The Archaic Maya Inscriptions (Lond. 1897); die Arbeiten von Cyrus Thomas, Valentini, Pousse, Schellhas, Seler u. a. in den ethnologischen Fachzeitschriften.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 482-483.
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