Neiße [2]

[502] Neiße, Kreisstadt und Festung im preuß. Regbez. Oppeln, 185 m ü. M., in fruchtbarer Gegend am Einfluß der Biele in die Glatzer Neiße, strategisch wichtig wegen ihrer Lage am Wege in das Glatzer Bergland und zum Altvatergebirge, besteht aus der eigentlichen Stadt auf dem rechten, der Friedrichstadt, die vorzugsweise militärischen Zwecken dient, auf dem linken Neißeufer und der 1896 eingemeindeten Ortschaft Obermährengasse. Die Umwallungen der Stadt sind aufgegeben und zur Anlage neuer Quartiere und neben den Glacis zu schönen Anlagen umgewandelt worden. Die Stadt hat 2 evangelische und 7 kath. Kirchen und eine Synagoge. Bemerkenswert sind darunter die neue Garnisonkirche, die 1430 vollendete, 1895 restaurierte herrliche katholische Jakobskirche mit einem sehr hohen, von schlanken Pfeilern getragenen Schiff, die Kreuzkirche und die von den Jesuiten 1688 erbaute Gymnasialkirche. Sonst sind bemerkenswert: das alte Rathaus mit 88 m hohem Turm, das neue Stadthaus mit schönem Saal, das Kämmereigebäude mit schönem Renaissancegiebel und prächtigen Gemälden, der ehemalige bischöfliche Palast (jetzt Gerichtsgebäude) etc. Von Denkmälern sind bemerkenswert: das Denkmal des hier verstorbenen Dichters J. v. Eichendorff und der »Schöne Brunnen«, ein Meisterwerk der Schmiedekunst von 1686. Die Zahl der Einwohner belief sich (1905) mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 23, eine Abteilung Feldartillerie Nr. 21, ein Bataillon Fußartillerie Nr. 6 und ein Pionierbataillon Nr. 6) auf 25,394 Seelen, davon 5035 Evangelische, 20,090 Katholiken und 269 Juden.

Wappen von Reiße.
Wappen von Reiße.

In industrieller Hinsicht sind nur eine Fabrik für gehäkelte Arbeiten, Tapisseriewaren etc., Tischlerei, Müllerei sowie der Gemüsebau erheblich. Der Handel, unterstützt durch eine Reichsbanknebenstelle und eine Filiale des Schlesischen Bankvereins, befaßt sich besonders mit Landesprodukten. Für den Eisenbahnverkehr ist die Stadt Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Ziegenhals-Raudten, N.-Brieg und Oppeln-N. Die dortigen Wochenmärkte sind in ganz Schlesien bekannt. N. hat ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine Kriegsschule, ein fürstbischöfliches Knabenseminar, eine landwirtschaftliche Winterschule, ein Priesterhaus für alte, arme katholische Geistliche (Domus emeritorum), ein Theater, ein Kloster der Grauen Schwestern, 2 Waisenhäuser, ein großes Hospital etc. und ist Sitz eines Landgerichts, einer Spezialkommission, der N.-Grottkauer-Fürstentumslandschaft, des Stabes der 12. Division, der 24. Infanterie-, der 12. Kavallerie- und der 12. Feldartilleriebrigade. Zum Landgerichtsbezirk N. gehören die acht Amtsgerichte zu Falkenberg i. O., Friedland i. O., N., Neustadt i. O., Oberglogau, Ottmachau, Patschkau und Ziegenhals. – N., im 10. Jahrh. entstanden, wurde Hauptort des gleichnamigen Fürsten tums, das 1199 an das Bistum Breslau kam, und erhielt 1350 Mauern, hinter denen die Bewohner 1424 den Hussiten tapfern Widerstand leisteten. Während des Dreißigjährigen Krieges ward die Stadt dreimal feindlich besetzt: 1621 vom Markgrafen Johann Georg von Jägerndorf, 1632 von den Sachsen und 1642 von den Schweden unter Torstensson. Im ersten Schlesischen Kriege 1741 von den Preußen belagert, hielt sie sich trotz des heftigen Bombardements (13.–21. Jan.), kapitulierte 1. Nov. und wurde preußisch. Friedrich d. Gr. legte 1743 den Grundstein zu dem Fort Preußen sowie zu der nach ihm benannten Friedrichsstadt. Am 25. Aug. 1769 traf hier Kaiser Joseph II. mit Friedrich d. Gr. zusammen. Am 23. Febr. 1807 begann der französische General Vandamme die Belagerung der Stadt, die am 16. Juni kapitulierte. Vgl. Kastner, Urkundliche Geschichte der[502] Stadt N. (Neiße u. Bresl. 1854–67, 3 Bde.); Schulte, Beiträge zur Geschichte von N. (Neiße 1881) und Die Siegel der Stadt N. (das. 1879); »Jahresberichte des Neißer Kunst- und Altertumsvereins« (1897 ff.); »Neiße einst und jetzt« (1899); Ruffert, Aus Neißes Vergangenheit (1903); Fedewitz (gest. 1705), Historia ecclesiastica ecclesiae parochialis S. Jacobi Nissae (hrsg. von Ruffert, 1905).

Das ehemalige Fürstentum N., mit einem Areal von 2120 qkm (38,5 QM.), umfaßte die Städte N., Grottkau, Patschkau, Ottmachau, Ziegenhals, Weidenau, Zuckmantel, Jauernig und Freiwaldau und kam 1199 durch Schenkung an das Bistum Breslau. 1742 fiel der größere Teil an Preußen. Seitdem 1810 alle geistlichen Güter in Preußen Staatseigentum geworden sind, bildet das Fürstentum mit 1240 qkm (22,5 QM.) die Kreise N. und Grottkau des Regierungsbezirks Oppeln. Der österreichische (kleinere und gebirgige südliche) Teil des Fürstentums, 880 qkm (16 QM.), ist noch im Besitz des Fürstbischofs von Breslau und das Städtchen Jauernig nebst dem dabei gelegenen Schloß Johannesberg Sitz der fürstbischöflichen Regierung. Vgl. Schulte, Bischof Jaroslaw und die Schenkung des Neisser Landes (Kattowitz 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 502-503.
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