Rad [1]

[545] Rad, eine massive oder durchbrochene Scheibe mit glattem oder gefurchtem Umfang, die stets in Verbindung mit einer zu ihrer Ebene senkrechten Achse (Welle) und zwar auf ihr festsitzend oder drehbar zur Anwendung kommt. Räder dienen zur Kraftübertragung (Transmissionsräder), oder sie werden zwischen zwei gegeneinander unter Druck bewegte Körper eingeschaltet, um die gleitende Reibung in eine teilweise rollende zu verwandeln (Antifriktionsräder, gewöhnlich Friktions- oder Reibräder genannt). Zu erstern gehören die die sogen. Räderwerke bildenden Riemenscheiben (Riemenräder), Seilscheiben, Friktionsräder, Zahnräder (s. Rädergetriebe), zu letztern die Wagenräder, Leit- u. Führungsrollen (s. Rolle). Meist haben die Räder kreisförmigen Umfang, doch kommen zur Hervorbringung von ungleichmäßigen Bewegungen auch andre Formen vor (exzentrische, Ellipsen-, Polygonal-, unrunde Räder). Die Räder der Fuhrwerke etc. bestehen aus der die Achse umfassen den Nabe, aus einem äußern Kranz (Felge) und den beide Teile verbindenden Speichen, die auch durch eine Scheibe ersetzt sein können. Gewöhnlich dreht sich die Nabe der Wagenräder um die Achse, nur bei Eisenbahn- und Straßenbahnrädern, bei einigen landwirtschaftlichen Maschinen und bei den Rädern der Schubkarren ist sie oft mit der Achse fest verbunden; im erstern Fall ist die Achse nicht drehbar, im letztern in Lagern drehbar am Fahrgestell angebracht. Die drehbare Nabe der Straßenfuhrwerke besteht gewöhnlich aus dem[545] Stammkern einer Ulme oder Eiche. Bei Lastwagen, Lokomobilen, Kanonenlasseten etc. benutzt man häufig gußeiserne Naben, auch werden die hölzernen in der Regel mit einer eisernen oder bronzenen Ausfütterung (Achsbüchse, Nabenbüchse) versehen. Das Loch der Nabe ist zylindrisch oder konisch gebohrt, entsprechend dem hineingesteckten Ende der schmiedeeisernen (stählernen, früher auch hölzernen) Achse (Achsschenkel). Durch eine am innern Ende des Achsschenkels sitzende Stoßscheibe und eine am äußern Ende durch einen vorgesteckten Splint oder eine Schraubenmutter befestigte Scheibe wird die Nabe in ihrer Stellung erhalten. Gute Schmierung zwischen Achsschenkel und Nabe ist wesentliches Erfordernis. Die bei Wagen zum Personentransport fast ausschließlich verwendeten Patentachsen gestatten die Anwendung flüssiger Schmiermittel und schützen die sich reibenden Flächen vor Staub und Schmutz. Diese staubsichern Naben finden jetzt auch bei landwirtschaftlichen Geräten immer mehr Anwendung. Zur Verminderung der Reibung werden auch häufig Kugeln oder Rollen eingeschaltet, auf denen der Achszapfen läuft. Die Achsschenkel erhalten nach außen hin eine geringe Neigung (die Schenkelstürzung), durch die das Schwanken der Räder vermieden werden soll. Die Speichen, in der Regel aus Eichen-, Eschen- oder Hickoryholz, bei Lokomobilen, Pflügen und öfters auch bei andern landwirtschaftlichen Geräten aus Eisen, bei Fahrrädern und andern leichten Rädern aus eingespanntem, auf Zug beanspruchtem Stahldraht hergestellt, erhalten außer den letztern ebenfalls eine Stürzung (d. h. Anordnung in einer stumpfen Kegelfläche [Radsturz]), durch die der Schenkelstürzung in der Weise entgegengewirkt wird, daß die untersten Speichen, welche die Last des Wagens momentan zu tragen haben, die zur Druckaufnahme günstigste Vertikalstellung haben. Bei den Stahldrahtspeichen hängt die Nabe an den obern Speichen. Der Kranz der hölzernen Wagenräder wird aus bogenförmig zugeschnittenen Stücken aus Buchen- oder Eichenholz (Felgen, Radfelgen) zusammengesetzt (bei leichten Rädern aus einem Stück gebogen), die unter sich durch eingesetzte Zapfen verbunden und durch einen warm ausgezogenen und durch Radnägel befestigten schmiedeeisernen Radreifen zusammengehalten werden. Bei Luxuswagen umgibt man das R. mit einem Gummiring (Gummiräder), um den Lärm beim Fahren zu vermeiden, bei Fahrrädern und Kraftwagen mit einem aufgeblasenen hohlen Gummiring (Pneumatik). Bei Laufrädern, von denen ein Antrieb abgeleitet wird, wie z. B. bei landwirtschaftlichen Maschinen, wird der Laufkranz mit Vorsprüngen versehen, um die Reibung auf dem Erdboden zu erhöhen und das Gleiten zu verhindern. Diese Vorsprünge sind zum Fahren auf harter Fahrbahn abnehmbar oder durch glatte Reisen zu überdecken. Auch sind sie zuweilen selbstreinigend eingerichtet, indem sie sich oben hinter die Lauffläche zurückziehen oder durch besondere Einrichtungen von der anhaftenden Erde befreit werden. Bei den Felgen ist die Richtung der Holz fasern parallel mit der Sehne des Bogens, den der Abschnitt des Kranzes bildet. Die Speichen sind mit der Nabe einerseits und den Felgen anderseits durch Zapfen verbunden, auch setzt man sie in besondere gußeiserne Tüllen ein. Bei eisernen Naben sind diese Z. spsen sektorenförmig und so breit ausgebildet, daß sie sich ohne Zwischenräume aneinanderlegen, wobei sie an zwei zu beiden Seiten angebrachten Scheiben der Mutter mittels durchgehender Schraubenbolzen befestigt werden, oder sie werden eingeschraubt oder sonstwie befestigt. Radkränze aus Eisen oder Stahl kommen, von den Eisenbahnwagenrädern abgesehen, nur selten bei ganz schweren oder ganz leichten Fuhrwerken (z. B. Fahrrädern) oder in der Form von kleinen Scheibenrädern (z. B. bei transportabeln Schmiedefeuern etc.) vor, weil sie für gewöhnliches Fuhrwerk bei genügender Steifigkeit zu schwer ausfallen würden. Vorteilhaft werden die Radkränze breit gemacht, um die Straßen zu schonen und den Widerstand gegen die Bewegung zu vermindern, weil ein breiter Radkranz die Unebenheiten der Straßen einigermaßen zudeckt. Für weiche Fahrbahn ist vorgeschlagen worden, gelenkig am R. befestigte breite Laufschienen zu verwenden, die also vom Gefährt mitgenommen werden. Der Durchmesser (die Höhe) der Räder soll tunlichst groß genommen werden, weil höhere Räder weniger Achsenreibung hervorbringen und Unebenheiten der Straße leichter überwinden, also leichter laufen; doch darf die Stabilität und das Gewicht der Fuhrwerke nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Die Herstellung der Wagenräder geschieht jetzt vielfach mittels Spezialmaschinen. Die Räder der Eisenbahn- und Straßenbahnwagen werden in der Regel ganz aus Eisen und Stahl hergestellt. Die Naben werden auf ganz schwach konische Ansätze der Achsen mittels hydraulischer Pressen (Räderpressen) gewaltsam ausgetrieben und durch die dadurch erzeugte sehr große Reibung festgehalten, so daß immer zwei Räder mit einer Achse ein zusammenhängendes Stück bilden. In ähnlicher Weise werden die Radreifen (Bandagen, Tires [spr. tairs]) auf den Rädern befestigt.

Das R. als volle Scheibe, auch vier- und mehrspeichig, ist ein uraltes Symbol der Sonne und des Sonnengottes in weit auseinander liegenden Ländern und als solches noch jetzt z. B. bei den Indianern gebräuchlich. Zwischen den Speichen stehen oft wellenförmige Strahlenbüschel, auch verbreitern sich die Speichen nach dem Rande hin, auf assyrischen Denkmälern besitzt das R. große Flügel, auch wird es am Kranz mit drei hintereinander springenden Beinen (Triquetrium) oder gleichmäßig gebogenen Linien (Hakenkreuz) versehen. Auf Runenstäben bezeichnet das R. den Weihnachtstag, den Tag der Geburt der Sonne, und bis in die Gegenwart werden Räder bei den Feuern der Walpurgis- und Johannisnacht benutzt. Bei Einführung des Christentums behielt das R. seine Bedeutung als Symbol des Göttlichen, so das vierspeichige R. an alten syrischen Kirchen, auf Bildern und Skulpturen (Kreuzesglorie hinter dem Haupte des Gekreuzigten), und bisweilen wird es durch ein Sonnenbild ersetzt. Im ganzen Mittelalter erscheint das R. auf Grabsteinen, Kirchenglocken, Patenen, Prozessionsstäben, und auch die Radfenster gehören hierher.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 545-546.
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