Wintzingerode

[680] Wintzingerode, 1) Georg Ernst Levin, Reichsgraf von, württemberg. Staatsminister, geb. 27. Nov. 1752 zu Walsrode in Hannover aus einem dem Eichsfeld (Stammschloß Bodenstein beim Dorf W. im Kreis Worbis) entstammenden Adelsgeschlecht, gest. 24. Okt. 1834 in Stuttgart, trat als Offizier in hessische Dienste, wurde 1794 als kurkölnischer Kämmerer Reichsgraf, nahm dann württembergische Dienste und wurde 1801 Minister des Auswärtigen und 1806 erster Minister. Nach dem Tode des Königs Friedrich I. 1816 zurückgetreten, war er noch 1820–25 Gesandter in Berlin, Dresden, Hannover und Kassel.

2) Ferdinand, Freiherr von, russ. General, geb. 15. Febr. 1770 in Allendorf a. d. Werra, gest. 16. Juni 1818 in Wiesbaden, trat in hessische Dienste, dann in österreichische, in denen er gegen Frankreich focht, trat 1797 als Major in russische Dienste und ward Generaladjutant des Kaisers Alexander I. 1805 ging er als Gesandter nach Berlin, um Preußen zum Anschluß an die dritte Koalition zu bewegen, sodann nach Wien, um den Traktat mit den verbündeten Mächten abzuschließen. 1809 focht er mit der österreichischen Armee bei Aspern. 1812 wurde er 22. Okt. bei der Barriere von Twer in Moskau gefangen, allein schon 20. Nov. durch den General Tschernyschew befreit, worauf er das Kommando des 2. Korps der russischen Hauptarmee erhielt. 1813 befehligte er bei Lützen den linken Flügel der Verbündeten. Er hatte mit seinem Korps Anteil an den Siegen von Großbeeren, Dennewitz und Leipzig. Darauf ging er mit der Nordarmee nach Holland, vereinigte sich bei Laon mit Blücher, befehligte dann die Avantgarde, nahm Reims und stellte die Verbindung des Blücherschen Heeres mit dem Schwarzenbergschen her. Nach der Schlacht von Arcis-für-Aube folgte er dem Heere Napoleons nach Osten, wodurch er denselben glauben machte, daß ihm die ganze Hauptarmee folge. Am 26. März 1814 wurde er bei St.-Dizier geschlagen. 1815 befehligte W. ein russisches Korps gegen Frankreich.

3) Heinrich Levin Friedrich Karl, Reichsgraf von, Sohn von W. 1), württemberg. Staatsmann, geb. 16. Okt. 1778, gest. 15. Sept. 1856, war Gesandter Württembergs nacheinander in Karlsruhe, München, Paris, Petersburg und Wien sowie im Hauptquartier der Verbündeten während der Feldzüge von 1814 und 1815, besuchte als Staatsminister 1819 bis 1820 den Ministerkongreß in Wien und vertrat daselbst liberale Grundsätze. Später zog er sich auf sein Gut Bodenstein auf dem Eichsfeld zurück. Seine Biographie schrieb sein Sohn Wilko, Graf von W. (s. den folgenden Artikel).

4) Wilko, Graf von (W.-Bodenstein), Sohn des vorigen, geb. 12. Juli 1833 in Göttingen, gest. 18. Juli 1907 auf Schloß Bodenstein, studierte die Rechte, verwaltete nach dem Tode des Vaters den ausgedehnten Familienbesitz, wurde 1876 Landesdirektor der Provinz Sachsen und war 1867–76 und 1879–82 freikonservatives Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, 1873 auch kurze Zeit des Reichstags. Er war auch Mitbegründer des Evangelischen Bundes (s. d.) und bis 1904 dessen Vorsitzender. Außer einer Biographie seines Vaters (Gotha 1866) schrieb er über Steuerpolitik und Verwaltung in den »Preußischen Jahrbüchern« (Bd. 30) und den »Schriften des Vereins für Sozialpolitik« (Jahrg. 1873, 1889, 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 680.
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