Bithynien

[830] Bithynien (a. Geogr.), Landschaft im nördlichen Kleinasien, lag zwischen dem Pontos Euxinos, Paphlagonien, Mysien, Phrygien u. Galatien; außer den Flüssen Parthenios u. Rhyndakos, welche die östliche u. westliche Grenze bildeten, wurde es von dem Sangarios bewässert, welcher es in das westliche u. östliche B. trennte; das vornehmste Gebirge war der Olympos. Die Einwohner waren Bebrycier, Thracier, Mariandyner u. m. a. In B. waren mehrere ansehnliche Städte, Astakos, Prusa, Olbia, Chalkedon, Heraklea, Nikomedia u.a. Daß in B. auch einst die Kunst geblüht hat, beweisen die schönen Münzen der Städte des Landes, bes. aus denen von Chalkedon u. Heraklea (s. b.). – B. soll nach BithȲnos, einem Sohne des Zeus u. der Thrake, od. von Bithys, Sohn des Ares u. der Séla, welche beide thracische Helden waren u. sich mit ihrem Volk hier angesiedelt hätten, genannt worden sein. Es kam mit der Zeit an die Lydier u. durch die Besiegung des Krösos mit Lydien an die Perser; diese stellten es unter die Satrapen von Phrygien. Erst seit der Zeit Alexanders des Gr. tritt es mit Bas od. Bias, Soku des Satrapen Botaras, einem einheimischen Fürsten, der sich gegen Alexanders Feldherrn erhielt, historisch u. selbständig auf. Diesem folgte sein Sohn Zipötas, der sich gegen Lysimachos u. Antiochos Soter behauptete, u. diesem nach 48jähriger Regierung sein Sohn Nikomedes I. Dieser tödtete 2 seiner Brüder, ward dadurch mit dem geflüchteten 3. in Krieg verwickelt u. mußte, da ihn auch Antiochos Soter gleichzeitig angriff, die Celten zu Hülfe rufen, denen er dafür Galatien abtrat. Er nahm den Königstitel u. griechische Sitten an u. baute Nikomedia als Residenz; er st. 246 v. Chr. u. ließ das Reich seinem Sohne Zela, welcher bis 230 v. Chr. regierte. Dessen Sohn u. Nachfolger war Prusias I. Cholos (d.i. der Lahme). Er führte den ersten in der Geschichte bekannten Handelskrieg, indem er mit den Rhodiern gegen Byzanz wegen der Zölle kämpfte. Gegen diese Stadt, so wie im Jahre 196 gegen Heraklea u. Galatien waren seine Waffen glücklich. Ihm folgte bis 140 v. Chr. sein Sohn Prusias II. Kynegos (der Jäger). Während sein Vater mit den Macedoniern gegen die Römer verbunden war, war er selbst ein Freund der Römer; dennoch nahm er den fliehenden Hannibal (184) auf u. kämpfte auf dessen Rath mit Eumenes II. von Pergamum u. besiegte ihn durch Hannibals List zur See. Freilich konnte er zuletzt den Hannibal gegen die Römer nicht mehr retten, so daß dieser durch Selbstmord der Übergabe an dieselben entging. Als Prusias 153 den König Attalos II. von Pergamum bekriegte u. dessen Hauptstadt eroberte u. in den Unterhandlungen auch gegen die Römer treulos verfuhr, nöthigten ihn diese nach 3 Jahren zu einem für sie ungünstigen Frieden; er mußte alles Eroberte zurückgeben, 20 Schiffe ausliefern u. 200 Talente Kriegskosten zahlen. Sein Sohn Nikomedes II. Epiphanes tödtete ihn, da der Vater, von seiner 2. Gemahlin verleitet, ihm nach dem Leben strebte, folgte ihm um 140, regierte grausam u. ward nach langer Regierung ermordet, man sagt von Nikodemes III. Philopator, seinem natürlichen Sohne. Dieser war Anfangs Bundesgenoß des Mithridates gegen die Römer, verließ ihn aber u. ward daher zweimal von ihm vertrieben. An seine Stelle setzte Mithridates den Sokrates Chrestos, Bruder des Nikomedes, ein, doch Nikomedes ward von den Römern auf den Thron zurückgeführt u. vermachte denselben bei seinem Tode 75 v. Chr. das Reich. Aber Mithridates mochte die Römer nicht zu Nachbarn haben u. unterstützte einen Bewerber um den Thron B-s; doch vertrieb ihn Lucullus 73 aus B., u. das Land wurde nun römische Provinz, Pontus dazu geschlagen u. durch einen Proconsul regiert; später zu Asia Pontica gezogen, hieß es Pontica prima; die Statthalter hießen Bithyniarchä. Unter Trajan war der jüngere Plinius hier Statthalter. 260 n.Chr. durchzogen die Gothen verheerend das Land. 1074 bemächtigten sich die Seldschuken B-s, deren Sultane in Nikäa residirten; ihnen nahmen es 1097 die Kreuzfahrer wieder ab. Als 1204 die Byzantinischen Kaiser durch die Lateiner aus Byzanz vertrieben wurden, setzte sich ein Zweig derselben in Nikäa fest u. gründete unter Theodor Laskaris das Nikäische Kaiserthum; der letzte Kaiser, Michael Paläologos, eroberte 1261 Byzanz wieder, s.u. Nikäa. Zu Ende des 13. Jahrh. brachen die Osmanen in B. ein u. gründeten hier, nach der Eroberung von Brusa, 1325 ihre erste Niederlassung in den Byzantinischen Landen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 830.
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