Legion

[217] Legion (röm. Ant.), 1) ursprünglich der gesammte Truppenkörper der Römer, welcher unter Romulus aus 3000 Mann Infanterie u. 300 Pferden bestand, von denen jeder der drei Tribus 1/2 stellte; 2) später eine Abtheilung des eigentlichen römischen Heeres, im Gegensatz zu den Bundesgenossen- u. Hülfstruppen, deren numerische Stärke die der ältesten L. im Wesentlichen zu Grunde lag. Man muß dabei die verschiedenen Zeiten des Römischen Staates unterscheiden: A) Zur Zeit der Republik. Die normale Stärke der L. war (wahrscheinlich seit Servius) 4200 Mann u. 300 Reiter; in besonderen Fällen steigerte sich die Zahl der Legionäre auf 5000 (5200) bis 6000 (6500), ohne daß die Reiter vermehrt wurden. In der Mitte des 2. Jahrh. v Chr. bestand die normale L. aus 1200 Mann Hastati, 1200 Principes, 600 Triarii u. 1200 Velites, von denen die Letzten aus den untersten Censusklassen, die drei ersten aber aus den anderen Bürgern genommen u. ihrem Alter nach als jüngste, mittlere u. älteste in jene Klassen geordnet waren. Die Bewaffnung der Veliten bestand in Schlachtmesser, mehreren Wurfspießen, rundem Schild u. Lederkappe; die drei anderen Klassen trugen eherne Helme, großen viereckigen Schild, Beinschienen, Brustharnisch, zweischneidiges Schwert u. Spieß, welcher bei den Hastaten u. Principen kürzer (Pilum), bei den Triariern länger (Hasta) war. Die L. zerfiel in 30 Manipuli. ursprünglich zu 100 M.; der Manipulus stand unter einem Centurio u. hatte seinen Namen von seinem Feldzeichen (Signum); später wurde der Manipulus 120 (bei den Triariern 60) M. stark in zwei Centuriae getheilt u. von zwei Centurionen commandirt, von welchem der des rechten Flügels (Centurio prior) den Manipel commandirte, der des linken Flügels (Centurio posterior) jenem untergeben war. Die Veliten waren nicht in Manipel getheilt, sondern es kamen je 20 derselben als leichte Infanterie zu je einer Centurie. Also ein Manipel hatten zwei Centurien, jede Centurie 60 M. Hastaten od. Principen, od. Triarier u. je 20 M. Veliten; sie standen 10 M. in der Front u. 8 M. tief. Nicht in die L. eingereiht waren die Rorarii, ein Corps leichter Truppen. welche mit Abwerfen ihrer Wurfspieße das Gefecht eröffneten u. dann, vor dem Zusammenstoß der Heere, sich hinter die Schlachtlinie zurückzogen (seit dem zweiten Punischen Kriege wurden sie abgeschafft), u. die Accensi, welche, mit Schleudern bewaffnet, am Kampfe gar keinen Theil nahmen, sondern nur zu militärischen Hülfsleistungen verwendet wurden u. als Ersatzmannschaft (Adscriptitii) für die Gefallenen (vielleicht nur für die Rorarii) eintraten. Die Reiter trugen eherne Panzer, Hüftstücken, lederne Beinschienen, Helm, Schild, langes Schwert u. eine Stangenlanze; sie waren eingetheilt in 10 Turmae zu 30 M. Die Turma wurde von drei Decuriones commandirt, welche jeder sich einen Ersatzmann (Optio) wählten u. von welchen der erste die ganze Turma commandirte. Die Turma stand in drei Gliedern, in denen der Decurio die erste, der Optio die letzte Stelle einnahm. Seit dem zweiten Punischen Kriege wurden auch Veliten zwischen den geöffneten Rotten der Reitertürmen aufgestellt, welche zwischen den Pferden kämpften, bei dem Angriff u. Rückzug der Reiter aber hinten aufsaßen. Die Offiziere der L. waren zuerst die 6 Tribuni militum, von denen jeder zwei Monate die ganze L. commandirte; unter ihnen 60 Centuriones, welche jeder eine Centurie befehligte. Die Ernennung geschah vor der Aushebung Anfangs durch die Consuln, nachher theilweis durch das Volk (diese hießen C. comitiati, jene C. rufuli), ausnahmsweise durch den Feldherrn; ihr Rang war verschieden, je nachdem sie bei den Hastaten, Principen od. Triariern commandirten, dann je nachdem sie den ganzen Manipel od. nur die zweite Centurie commandirten. Unter ihnen hatte der Primus pilus den obersten Rang u. wurde mit den Tribunen zum Kriegsrath gezogen. Jeder Centurio hatte einen Subcenturio, Unterhauptmann, od. Optio, welchen er sich selbst wählte, u. einen Signifer, Fahnenträger, unter sich. Jährlich wurden regelmäßig 4 L-en ausgehoben (im zweiten Punischen Kriege gab es bis 22 L-en) u. zwar aus den römischen Bürgern, früher nur aus den Censiten; später auch aus den Proletariern.[217] Die Aushebung (Delectus) geschah an einem, von dem Consul bestimmten Tage auf dem Capitol zu Rom; oft stellten sich auch Freiwillige; früher wurden erst die Fußsoldaten, dann die Reiter, später umgekehrt ausgehoben; nach der Aushebung folgte die Beeidigung (Sacramentum), u. zwar jedesmal für einen Feldzug, da der Eid dem Feldherrn geleistet wurde; die Dienstzeit dauerte vom 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre, od. ein Legionär mußte bis 20, ein Reiter 10 Feldzüge mitgemacht haben; Leute, welche nach vollendeter Dienstzeit bei erfolgtem Aufruf wieder freiwillig in Dienst traten, hießen Evocati (s.d.). Die Aufstellung der L. in der Schlacht war seit Servius die Phalanx, seit Camillus in drei Treffen, von denen die Hastati das erste, die Principes das zweite, die Triarii das dritte so bildeten, daß die 10 Manipel der Hastasen, getrennt von einander in eben so großen Zwischenräumen als ihre Fronte groß war, voran standen, hinter ihnen eben so formirt die 10 der Principen, deren Manipel in die Zwischenräume der Hastaten zu stehen kam, endlich die 10 der Triarier die Zwischenräume der Principen deckten u. also wieder gerade auf die Manipel der Hastaten zu stehen kamen. So nahmen sie zu einander eine schachbrettförmige Stellung ein. Gelang den Hastaten die Entscheidung des Treffens nicht, so zogen sie sich, durch die Zwischenräume der Principen zurück u. diese rückten in die Stellung jener ein; wenn auch diese nicht siegten, so rückten die Triarier vor, welche indeß kniend u. sich mit ihren Schildern deckend im hintersten Treffen geweilt hatten. Beim Aufmarsch nahmen die Veliten die beiden letzten Glieder des Manipels ein u. wurden von dort nach Bedürfniß entweder in die Zwischenräume od. vor die Schlachtlinie zur Eröffnung des Kampfes gezogen. Die Signa waren auf dem Marsche. u. bei dem Angriffe in geschlossenen Colonnen voran im ersten Gliede; in der statarischen Schlacht aber hinter dem letzten Gliede des Manipels u. bezeichneten so die Linie der Acies u. die Distanzen der Manipel; hier standen auch die Vexillarii der zweiten Centurien. B) Zur Zeit der bürgerlichen Unruhen geschah eine große Veränderung in dem römischen Heere; die römische Reiterei hörte ganz auf u. römische Ritter dienten nur noch in der Prätorischen Cohorte des Feldherrn, während die Reiter aus den Hülfstruppen genommen wurden. Das Heer recrutirte sich zum großen Theil aus den ärmeren Bürgern, u. die bisherigen Socii, nun mit dem Bürgerrechte beschenkt, traten in die L-n, alle aber waren Söldner. Neben den bürgerlichen L-n entstanden zuletzt auch einzelne Compagnien von Freigelassenen, ja zuletzt von Sklaven (Legiones vernaculae). Die Aushebung geschah jetzt durch ganz Italien durch bes. committirte Leute (Conquisitores); die Militärbefreiung (Vacatio) wurde leicht ertheilt u. viele Freiwillige angeworben. Man nahm bes. gern große Leute, das Maß betrug durchschnittlich 5 Fuß 10 Zoll römisch. Die Dienstzeit dauerte, ohne Rücksicht auf die mitgemachten Feldzüge, 26 Jahre u. die Beeidigung galt für die ganze Dienstzeit; die nach vollendeter Dienstzeit beim Heere blieben, hießen Veterani; auch die Evocatio kam noch vor. In dieser Zeit hörte auch der Unterschied der Klassen nach der Bewaffnung u. Stellung der Legionäre auf (Hastatus u. Princeps sind nur Titel der verschiedenen Centurionen) u. alle erhielten den kurzen Spieß (Pilum) als Waffe; fremde Söldner kämpften mit Schleudern (Funditores) u. Pfeilen (Sagittarii); die L. erhielt als Hauptfahne den Adler; die Stellung der L. nach Manipeln wurde aufgegeben u. an ihre Stelle trat, wahrscheinlich durch Marius, die Eintheilung nach Cohorten (s.d.), deren 10 zu 500–600 M. eine L. von 5–6000 M. bildeten. Die Cohorte stand in der Schlacht 10 M. tief, hatte also 60 M. in der Fronte; die Aufstellung in drei Linien blieb, von denen die erste 4, die beiden hinteren je 3 Cohorten enthielt. Die erste Cohorte bestand aus den Kerntruppen. Jede Cohorte zerfiel in 3 Manipeln od. 6 Centurien. Die Zahl der Reiter wurde sehr vermehrt, so daß zu jeder L. bis 1000 Pferde kamen. C) In der Kaiserzeit: a) von Augustus bis Hadrian. Die Zahl der L-en war in den Bürgerkriegen ungeheuer gewachsen; 36 v. Chr. hatte Octavianus 44 u. Antonius etwa 30 L-en, also zusammen über 70, sogleich darnach aber wurde das Heer anders organisirt, u. Augustus hinterließ bei seinem Tode 22 L-en, welche in den Provinzen außerhalb Italien dislocirt standen; unter Vespasian waren wieder 30, welche Zahl dann beibehalten wurde; sie wurden mit Zahlen u. außerdem gewöhnlich noch mit Beinamen bezeichnet, so Legio I. Germanica, L. V. Alauda, L. XX. Valeria victrix, L. XXI Rapax, L. II. Augusta, L. XIII. Gemina, L. XIV. Gemina Martia Victrix, L. XVI. (ohne Beinamen), welche unter Augustus in Germanien standen. Die numerische Stärke der L. schwankte zwischen 5000 u. 6000 M. In dem Commando ging seit Cäsar die Veränderung vor, daß, da die Tribunenstellen meist an junge, ungeübte Vornehme vergeben worden waren, der Befehl über eine L. einem Legatus anvertraut wurde; diese Legati waren senatorischen Ranges, welche vorher Prätoren gewesen waren, wogegen die Tribuni militum (T. legionis) nur die Listen führten, zum Avancement vorschlugen, Urlaub ertheilten, die Ausgedienten entließen, Zufuhr u. Verpflegung für das Heer u. die Jurisdiction im Lager besorgten. Neben diesen Tribuni majores gab es dann auch Tribuni minores, welche aus gedienten Centurionen gewählt u. auch für den wirklichen Dienst verwendet wurden. Übrigens blieben die Centurionen in ihrem früheren Rang. Neben den L-en spielten jetzt die Hülfstruppen (Auxilia) eine große Rolle. b) Von Hadrian bis Constantin dem Großen. In dieser Zeit ging man von der Manipularstellung zur festen Phalanx der ältesten Zeit zurück. Dieselbe hatte 8 M. Tiefe u. bestand aus Legionären; die 4 ersten Glieder, aus den 5 ersten Cohorten der L-en gebildet, waren mit je zwei Spießen, die 4 letzten aus den 5 letzten Cohorten gebildet, mit barbarischen Lanceae zum Werfen, alle mit langen Schwertern (Spathae) bewaffnet, auf dem Kopfe trugen sie pannonische Hüte: Hinter ihnen standen im 9. Glied die Hülfstruppen, auf den Flügeln die Reiter. Die L. hielt noch 10 Cohorten, aber die erste bestand aus 1105, die übrigen 9 aus je 555 M.; die erste Cohorte zerfiel in 10, die andere in 5 Centurien; jede Centurie in 10 Contubernia od. Manipuli. Jede Cohorte hatte 5 Centurionen u. 5 Ordinarii; jede Centurie führte ein Vexillum, jede Cohorte ein Signum od. einen Draco. Jede L. erhielt jetzt wieder, auf einige Zeit, eine bestimmte Anzahl (726) Reiter, getheilt in 22 Turmae zu 30 Pferden u. drei Offizieren (Decurio, Duplicarius u. Sesquiplicarius)[218]

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 217-219.
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