Messias

[170] Messias (hebr. [eigentlich Maschiach], gr. Christos, der Gesalbte), Name des von den Juden erwarteten, gottgesandten, großen Königs u. Heilands. Schon. in den ältesten heiligen Schriften der Juden sind in mehrern Stellen (Messianische Stellen) Andeutungen u. Hoffnungen ausgesprochen, welche auf den M. bezogen werden (Messianische Erwartungen od. Hoffnungen), aber mehr von einer gesegneten u. glücklichen Zukunft des von Gott auserwählten Volkes überhaupt reden. Deutlicher treten dieselben in der Davidischen Zeit hervor, so in mehrern Psalmen (Messianische Psalmen) ganz bestimmt aber in der nachsalomonischen Zeit der Zerrissenheit u. des Verfalls des Jüdischen Reiches. In Erinnerung an die glänzende Herrschaft Davids u. Salomos knüpften sich die Hoffnungen an die Davidische Familie, aus welcher man den M. erwartete u. ihn deshalb auch Davids Sohn nannte, u. in der traurigen Lage des Jüdischen Volkes, bes. unter fremder Herrschaft, wurden die Hoffnungen auf den M., von dem man Befreiung von der Noth u. Wiederherstellung eines herrlichen Reiches erwartete, immer bestimmter. So sind sie bes. von den Propheten ausgesprochen, welche durch ihre Messianischen Weissagungen das Volk trösteten u. ermuthigten. Man erwartete von dem M. die Wiederherstellung der reinen Theokratie u. die Ausbreitung derselben über andere Völker. In den Apokryphen des A. T. treten die messianischen Erwartungen etwas in den Hintergrund, so auch in dem Zeitalter der Makkabäer, denn damals hatte man Großes u. Herrliches gesehen u. man wünschte nur Fortdauer desselben. Aber nach dieser Zeit, bes. seit der römischen Herrschaft, tauchten die Messiasideen bei den Juden wieder lebhafter auf u. wurden in der jüdischen Theologie immer mehr ausgebildet u. ausgeschmückt, u. zur Zeit der Erscheinung Jesu waren die messianischen Erwartungen der Mittelpunkt ihres Glaubens. Aber ihre Ansichten vom M. waren verschieden, zum Theil entgegengesetzt. Er sollte nach Einigen aus Davids Familie in Bethlehem geboren werden, nach Andern plötzlich erscheinen, von unbekannter Abkunft sein u. sein Reich (Messianisches Reich) errichten. Dieses Reich war nach Einigen blos ein jüdisches, mit Bestrafung der Heiden, nach Andern wurden die Heiden zu Jehovah bekehrt, nach Einigen ein irdisches, nach Andern ein himmlisches. Vor seinem Erscheinen sollten große Unglücksfälle u. schreckliche Zeiten hergehen (Messiaswehen), u. ein Vorläufer, Elias od. Jeremias od. Moses, selbst auf ihn vorbereiten. Daß man auch einer für das Volk leidenden M. erwartete, wollen Einige aus Jes. 52,23 (Knecht Gottes) u.a. Stellen in A. T. schließen. Auch die Erscheinung des Antichrists u. seine Bekriegung durch den M., die Auferwekung der Juden od. aller Menschen wurde erwartet. Die in Chaldäa u. Ägypten lebenden Juden ließen diese Erwartung entweder ganz fallen, od. faßten sie nun von der moralischen Seite auf. Jesus von Nazareth erwies sich durch eine, fast bis ins Kleinste gehende Erfüllung der messianischen Weissagungen als den M. (Christus), legte sich selbst die Würde des M. bei (zuerst ausgesprochen in der Unterredung mit der Samariterin am Jakobsbrunnen) u. wurde als solcher von seinen Jüngern anerkannt. wobei er selbst aber alle sinnlichen u. irdischen Erwartungen von sich u. seinem Reiche zurückwies u. dieselben vergeistigte. Wie schon die Apostel u. bes. die Kirchenväter, so haben die christlichen Theologen bis in die neueste Zeit darin, daß die von den Propheten angegebenen Hauptmerkmale in Jesu zutrafen, auf seine göttliche Sendung u. Messiaswürde geschlossen, u. sie gegen die Angriffe der Juden u. Heiden bewiesen. Denn der größeste Theil der Juden erkannte Jesum nicht als den M. an, weil er in seiner niedrigen Erscheinung u. ganzen Wirksamkeit ihren sinnlichen Erwartungen nicht entsprach, u. die Vorstellungen von dem M. wurden immer abenteuerlicher, wie sie im Talmud ausgesprochen sind. Sie erwarteten den M. als ganz nahe von Jahrhundert zu Jahrhundert, u. dies benutzter Schwärmer u. Betrüger, um sich für den M. aus zugeben, so im 2. Jahrh. Bar Cocheba (s.d.) ein gewisser Moses auf Kandia im 5. Jahrh., ein Julian in Palästina im 6., ein Anderer in Spanien im 8., im 12. mehre in Persien, Arabien Spanien etc., im 17. Jahrh. Sabbatai Sevi (s.d. in Aleppo. Die orthodoxen Juden warten no immer auf den M.; viele aber, die einer freien Ansicht huldigen, haben diese Hoffnung mit ander talmudischen Glaubenssätzen aufgegeben. Vgl. Cl. Fr. Böhme, De spe messina apostolica, Ha 1826; Hengstenberg, Christologie u. Commen über die messianischen Weissagungen, Berl. 182 2. A. 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 170.
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