Vulgata

[709] Vulgata, 1) (nämlich Versio), die von den Päpsten als authentisch anerkannte lateinische Übersetzung[709] der Bibel. Die älteste lateinische meist wörtliche u. in oft eigentümlicher Sprache gefertigte Übersetzung war der Vetus latinus od. die Itala (ein Name, wie man glaubt, für Usitata, d.i. die gebräuchliche), welche wahrscheinlich in Afrika im 2. Jahrh. entstand, aber auch sonst in der occidentalischen Kirche bekannt u. gebraucht war u. an welcher wohl mehre Männer gearbeitet hatten. Durch den vielfältigen Gebrauch u. durch öfteres Abschreiben war aber diese Übersetzung so verunstaltet worden, daß Papst Damasus 384 seinem Secretär Hieronymus eine Revision zu machen auftrug Hieronymus fing mit dem N. T. an u. berichtigte nach guten griechischen Handschriften die schon vorhandene Version; das A. T. übersetzte er ganz neu u. zwar nach dem Grundtext, die Bücher Judith u. Tobias aus dem Chaldäischen. Zwar mißfiel diese Übersetzung mehren Kirchenvätern, bes. dem Augustinus u. Rufinus, u. ihr Verfertiger war sehr heftigen Angriffen ausgesetzt, allein sie erhielt endlich den Vorzug vor den anderen lateinischen Versionen u. hieß die Versio vulgata od. V. communis. Wie sie im Mittelalter wichtig war, weil sie im Abendlande die Bekanntschaft mit der Bibel vermittelte, so ist sie es noch heute, weil sie ein Bild des biblischen Grundtextes im 4. Jahrh. gibt. Auch sie wurde allmälig sehr geändert; Karl der Große ließ durch Alcuin einen verbesserten Text herstellen, welcher dann in seinen Staaten eingeführt wurde; später unternahmen gleiche Arbeiten Lanfranc, Erzbischof von Canterbury, im 12. Jahrh. der Cistercienserabt Stephanus, der Cardinal Nicolaus u. And. Zu jener Zeit kamen auch die Correctoria biblica, d.h. kritische Apparate, über die V. zu Stande, welche von ganzen Mönchsorden ausgingen; das wichtigste ist das Correctorium Sorbonnicum s. Parisiense. Zuerst wurde die V. gedruckt 1462 (Mainz bei Faust u. Schöffer). Verbesserungen machten nun Ximenes (1502) nach dem Urtext, Pagninus, Lyon 1528, Robert Stephanus, Par. 1528, Fol., Isid. Clarius, Vened. 1542, I. Hentenius, Löwen 1547. Ob die 1529 erschienene Wittenberger lateinische Bibel von Luther ist, ist noch nicht entschieden. Obschon man noch zu keinem bestimmten Texte gekommen war, so erkannte doch das Tridentiner Concil die V. als authentische Version an u. stellte dieselbe dem hebräischen u. griechischen Original gleich, ohne doch den od. jenen Text als den gültigen zu bezeichnen. Erst später suchte die römische Curie einen bestimmten Text zu Grunde zu legen. Daher ließ Sixtus V. 1588, nachdem schon Clemens VII. die Verbesserung des Textes in Angriff genommen hatte, durch eine Commission eine Revision machen, 1589 drucken u. dieselbe durch eine Bulle als die für alle Zeit allein gültige Übersetzung erklären; sie erschien unter dem Titel: Biblia sacra vulgatae editionis, Rom 1590, 3 Bde., Fol. Indeß wurden auch an dieser Arbeit viele Ausstellungen gemacht, Sixtus V. selbst erkannte die Mangelhaftigkeit dieser autorisirten V. an u. Gregor XIV. ließ, bes. auf Antrieb des Jesuiten Bellarmin, durch acht Gelehrte unter Vorsitz der Cardinäle Marco Antonio Colonna u. Guilelmo Alano 1591 zu Zagarola eine neue Revision anfangen, welche unter Clemens VIII. vollendet u. unter dem Titel: Biblia sacra vulgatae editionis Sixti V. jussu recognita et edita,, Rom 1592, Fol., gedruckt wurde. Unter demselben Titel gab Clemens VIII. 1592 eine neue veränderte u. verbesserte Revision heraus, welche 1593 u. 1598 mit Verbesserungen u. Zusätzen wiederholt wurde. Dieser Text ist aus verschiedenen Bestandtheilen zusammengesetzt, denn die einen Stücke sind nach der vorhieronymianischen Recension (z.B. Baruch, Buch der Weisheit, Makkabäer), andere nach eigner Version des Hieronymus, u. gilt nun in der Katholischen Kirche als unveränderlich. Andere Ausgaben sind Rom 1671 u. 1768, von Martini 1784; die neueste Ausgabe ist von Vercellone, Rom 1861; dazu dessen Variae lectiones vulgatae lat. bibliorum editionis, ebd. 1860 ff.; von deutschen Ausgaben sind die besten von L. van Eß, Tüb. 1824: von Val. Loch, Regensb. 1849; von Marietti, Tüb. 1851. Vgl. G. Riegler, Geschichte der Vulgata, Sulzb. 1820; L. van Eß, Doctorum catholicorum Tridentini circa Vulgatam decreti sensum testantium historia, Sulzb. 1816; Derselbe, Pragmatische Geschichte der V., Tüb, 1824. Der Vetus latinus wurde zuerst zusammenzustellen versucht von Flam. Nobili, Ant. Angelo, Valverda u. And., 1588, u. zwar aus den Citaten der Kirchenväter, während die Herausgeber die Lücken selbst ausfüllten; dagegen stellte P. Sabatier, 1739–49, 3 Bde., dieselbe aus alten Handschriften zusammen; die Übersetzungen der historischen Schriften des N. T, gab ganz u. in Fragmenten heraus Blanchinus, Rom 1749, 2 Bde., Irici, Mail. 1748, Kipling, Cambr. 1793, 2 Bde., C. Tischendorf, Lpz. 1847, A. Mai, Alter, Ceriani; der Paulinischen Briefe Knittel, Braunschw. 1762; Matthäi, Merseb. 1791. Tischendorf, Lpz, 1852; für das A. T. ist aus dieser Übersetzung nur noch wenig mitgetheilt worden. 2) (Versio novellarum), s.u. Corpus juris S. 457.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 709-710.
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