Alte (der)

1. Den Alten macht Hunger zur Leiche, den Jungen die Seuche.


2. Den Alten verdreusst es, dass man ihn beim Bart zeucht.


3. De Oll is schwienplitsch, he treckt sich nich ihre ut, as bet ha to Bedd geht. (Greifswald.)


4. Der Alte ein Sparer, der Sohn ein Geuder.

Lat.: Prodigus est natus de parco patre creatus.


5. Der Alte is heut granti (mürrisch). (Wien.)

Der Volkswitz ursprünglich von dem Steinbilde an der Orgelempore in der St.-Stephanskirche zu Wien, das zu dem Wahrzeichen der Stadt gerechnet wird und zu mehreren Sprichwörtern Veranlassung gegeben hat. S. Gamotzen, Grübler, Hütl. (Vgl. Illustrierte Zeitung, 1857, Nr. 741, S. 182.)


6. Der Alte muss seine Stärke in guter Rast, gutem Weine, weichem Bett und warmer Stube suchen.


[54] 7. Der Alte schmeckt oft nach dem Jungen.


8. Der Alte vergisst's, der Junge weiss nicht.


9. Der thut einem Alten nicht unrecht, der ihm eine Abendmahlzeit stiehlt.

Empfiehlt bejahrten Personen Mässigkeit beim Abendtisch.

Engl.: He wrongs not an old man, who steels his supper from him.


10. Des Alten Stab sind seine Zähne.


11. Ein Alter, der ein jung Weib nimmt, ladet den Tod zu Gaste.

Frz.: Lorsqu'un vieux fait l'amour, la mort court à l'entour.


12. Ein Alter, der noch tanzen will, macht, dem Teufel ein Freudenspiel.

Die Griechen nannten einen, der wider Willen in hohem Alter und kraftlos zu einer gefahrvollen Arbeit getrieben wurde, »das Pferd des Ibykus«. Der Dichter Ibykos hatte ein sehr altes Pferd, welches, durch Wettrennen entkräftet, und aufs neue zum Wettrennen an den Wagen gespannt, sich fürchtete. Als das Volk lachte, sagte Ibykos: »Das Pferd gleicht dem Herrn, der auch, bereits in hohem Alter, noch zu Liebschaften getrieben wird, da er sich zu nichts weniger als dazu eignet.«

Lat.: Ibici equus. (Erasm., 26.)


13. Ein Alter, der noch tanzen will, schafft nichts Gutes mit seinem Spiel.


14. Ein Alter, der verliebt ist, ist ein Winter mit Blumen.

Frz.: Vieil en amours, hyver en fleurs.


15. Ein Alter dient zum Heirathen wie der Winter zu der Ernte.


16. Ein Alter hat den Tod vor Augen, ein Junger auf dem Rücken.


17. Ein Alter kann keinen hohen Berg ersteigen.


18. Ein Alter mit Verstand, ein Junger mit Gewalt.


19. Ein Alter richtet mehr aus mit Rathen, als ein Junger mit Thaten.

Lat.: Senectus leonis praestantior hinnulorum juventa.


20. Ein Alter sieht besser hinter sich, als ein Junger vor sich.

Was auch bei einem einigermassen guten Gedächtniss gar keine Kunst ist. Der Blick in die Räthsel der Zukunft ist schwieriger, als der auf die offenen Felder der Vergangenheit. Man könnte daher mit Recht erwarten, dass sich das Sprichwort so ausdrückte: Ein Alter sieht besser vor (wozu ihn die Schlüsse von der Vergangenheit auf die Zukunft befähigen) als ein Junger hinter sich.


21. Eines Alten Rath ist halbe That.

It.: Consiglio d'uomo vecchio non rompe mai la testa.


22. Es sei der Alte, es sei der Junge, wessen Leben ist ohne Ordnung, der verliert auch die Gerechtigkeit und geräth in Zaghaftigkeit.


23. Hat ein Alter keine Kenntnisse, so hat er doch Erfahrung.

Erfahrungskenntnisse im Gegensatz der Schulkenntnisse.


24. In eines Alten Schose ist gut schlafen.


25. Kein Alter hat ausgelernt, er wäre denn von den Todten auferstanden.


26. Kein Alter werde ausgelacht, weil Alter uns zu Kindern macht.


27. Nimmt ein Alter eine junge Frau, so ladet er den Tod zur Trau.


28. Sok Oal, sok Jong. (Amrum.) – Lappenkorb, Frimenich, III, 8.

Solche Alte, solche Junge, oder: Wie die Alten, so die Jungen.


29. Wenn ein Alter ein jung Mädchen heirathet, so kommt der Morgen zur Mitternacht.


30. Wenn ein Alter ein jung Weib nimmt, so lachet der Tod.

Lat.: Est in canitie ridiculosa venus. (Ovid.)


31. Wenn ein Alter kegelt, macht die Kugel viel Geräusch.

Es fällt doppelt auf, wenn sich ein Alter etwas erlaubt, was man schon der Jugend nicht will hingehen lassen.


32. Wenn ein Alter scherzt mit jungem Weib, so platzt dem Tod der Leib.

So lacht er.


33. Wenn ein Alter tanzt, so macht er grossen Staub.


34. Wenn man den Alten beim Barte zupft, so verdriesst's ihn.


[55] 35. Wenn man den Alten schlachtet, kommt Fett.Schamelius, 8.

Von reichen Alten.

Holl.: Als die oude geslagt wordt, zal er wel smeer uitkomen. (Harrebomée, II, 155.)


36. Wer einen Alten zum Geben ermahnt, der richtet so viel aus, als der einem Todten eine Arznei zur Gesundheit gibt.

Sparsamkeit ist eine vorherrschende Eigenschaft der Alten.


[Zusätze und Ergänzungen]

zu2.

Bei Tunnicius (1259): It vertôrnet den olden, dat men ên by dem bârde tüt. (Excaudent animi, trahitur si barba seniles.)

Holl.: Dat vergramt den olden, dat men hem trect mitten baert.

Lat.: Quando senex trahitur cum barba, cura moretur. (Fallersleben, 715.)


[738] zu6.

Holl.: Bejaardheid eischt bedaardheid. (Harrebomée, I, 35.)


zu11.

Die Russen: Der Alte verkürzt den Rest seines Lebens, der eine Junge freit. (Altmann VI, 438.)


zu16.

Böhm.: Stary má smrt' před očima mladý za zady. (Čelakovský, 312.)

Wend.: Stary ma smjeró před woblečom, młody pak za khribjetem. (Čelakovský, 312.)

Frz.: Les vieux vont à la mort, et la mort vient aux jeunes. (Cahier, 1120.)


37. An Alter bricht, ün a Jünger baut, is noch nit gleich. (Jüd.-deutsch. Warschau.)

Dies den Rabbinern entlehnte Sprichwort (vgl. Dukes, 102) preist die Vorzüge des Alters der Jugend gegenüber. Es behauptet, das Einreissen des erfahrenen Alters sei nützlicher als das Aufbauen der leichtsinnigen Jugend.


38. Auch der Alte lebt, so lange Gott will.

Dän.: End lever gammel, men god vil. (Prov. dan., 216.)


39. Der Alte kann nicht und der Junge weiss nicht.

Dem Alten fehlt zur Ausführung die Kraft, dem Jungen die Kenntniss.

Span.: El viejo por no poder, y el mozo por no saber, dejan las cosas perder. (Bohn I, 220.)


40. Der Alte kommt und gewinnt die grosse Völkerschlacht, aber erst wenn zwei Bauern einen Rock und zehn Herren einen Kopf tragen.

Sprichwort am Pendling bei Kufstein. (Steub, 131.)


41. Der Alte muss Deckmantel seyn.Petri, II, 80.


42. Der Alte muss, der Junge kann sterben.

In Ostpreussen: Ohle motte starwe, Junge könne starwe. (Frischbier, I, 42.)


43. Der Alte wird mehr (oder: nicht) drumb geehrt, dass er mit Jahren ist beschwert.Henisch, 311, 10; Petri, II, 81.


44. Ein alter betreugt, oder wird betrogen.Lehmann, 140, 91.

Wenn er nämlich wieder eine Ehe eingeht.


45. Ein alter, der einen Weg offt gegangen ist, kan jungen Leuten Richtsteig weisen.Petri, II, 163.


46. Ein alter, der nicht liebet Geld, ein junger, der sich weisslich helt, der jung ist alt, der alt ein Kind, die beide nicht zu loben sind. Petri, II, 163.


47. Ein Alter, der verliebt, ist ein Winter mit Blumen.


48. Ein Alter sei so gut als er wolle, so ist doch seine Haut kein Narr; wird sie alt, so schrumpfft sie ein.Lehmann, 147, 100.


49. Einem alten geschieht billig mehr Ehr den einem Jungen.Petri, II, 175.


50. Einem alten ist wol vorzulauffen, aber nicht vorzurathen.Petri, II, 175.


51. Einem alten ist wol zu entlauffen, aber nicht zu entrathen.Petri, II, 175.


52. En Alder ômen Iren äs lichter wä dit.Schuster, 561.


53. Es verdreusst einen alten, wann man jhn bey dem bart will halten.Henisch, 56, 35.


54. Lieber mit dem Alten essen, als mit dem Jungen hungern (weinen).

Meinen die Mädchen in Serbien und anderwärts, wenn sie einen wohlhabenden ältern Mann einem jüngern besitzlosen vorziehen.


55. Man thut keinem Alten unrecht, wenn man ihm sein Abendbrot stiehlt.Gaal, 7.


56. Nimt ein alter ein junges Mägdlein, so geth jhm hernach sehr viel an seinen Gedancken ab.Lehmann, 145, 86.

57. Roas (heraus) mit dem Alden, doass der Noüe Roam (Raum) hoat.Gomolcke, 1183.

Von alten Menschen, alten Zähnen, Bäumen u.s.w.


58. Scherzt ein alter mit einem jungen Weib, so lacht der Todt.Lehmann, 145, 85.


59. So ain alter zu einem narren geret, so übertrifft er umb etliche pfund ain jungen gesellen.Zimmer'sche Chronik.


60. Wen man den Alten vor wolt kewen wie den Kindern, so würd' er speien.Eyering, III, 403.


[739] 61. Zwischen Alten und Jungen freundet es sich nicht gut.Altmann VI, 487.


*62. Er ist noch der Alte.

Er ist, wie er jederzeit gewesen.

Lat.: Antiquum obtinet. (Philippi, I, 35; Froberg, 28.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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