Bronsart von Schellendorff

[453] Bronsart von Schellendorff, 1) Hans, Klavierspieler und Komponist, geb. 11. Febr. 1830 in Berlin, ältester Sohn des Generalleutnants B., der vor seinem Dienstaustritte die Stellung eines Generalintendanten der Armee während des Krieges von 1866 bekleidete, studierte 1849–52 an der Berliner Universität und nahm gleichzeitig Unterricht in der Theorie der Musik bei Dehn, lebte dann als Schüler Liszts mehrere Jahre in Weimar, konzertierte in Paris, Petersburg und den Hauptstädten Deutschlands, dirigierte 1860–62 die Euterpe-Konzerte in Leipzig, 1865 bis 1866 als Nachfolger Bülows die Konzerte der Gesellschaft der Musikfreunde in Berlin, wurde 1867 Hoftheaterintendant zu Hannover und 1887 Hoftheaterintendant zu Weimar. 1895 trat er mit dem Rang eines Wirklichen Geheimen Rats (Exzellenz) in den Ruhestand und lebt seitdem zu Pertisau am Achensee der Komposition. Von seinen Werken haben das Trio in G moll und das Klavierkonzert in Fis moll weitere Verbreitung gefunden. Vielfache Aufführungen erlebte ferner seine »Frühlingsphantasie« für Orchester und seine beiden Symphonien (»In den Alpen« und C moll). Auch schrieb er eine Kantate: »Christnacht«, ein Sextett für Streichinstrumente, brillante Klaviersachen u. a. – Vermählt ist B. seit 1861 mit der Pianistin und Komponistin Ingeborg Starck, geb. 24. Aug. 1840 als Tochter schwedischer Eltern in Petersburg, Schülerin von Martinow, Ad. Henselt und Liszt, in der Komposition von Konst. Decker. Außer verschiedenen Werken für Klavier, Violine und Violoncello (darunter ein Klavierkonzert mit Orchester) und Liedern schrieb sie drei Opern: »Die Göttin von Sais«, »Jery und Bätely«, Singspiel (Weimar 1873 u. a. O.), und die große Oper »Hiarne« (ebenda, 1891).

2) Paul, preuß. General und Kriegsminister, Bruder des vorigen, geb. 25. Jan. 1832 in Danzig, gest. 25. Juni 1891 in Schettnienen bei Braunsberg, trat 1849 in das Kaiser Franz-Grenadierregiment ein, besuchte die Kriegsakademie und gehörte 1861–1878 dem Großen Generalstab an. Als Oberstleutnant führte er 1. Sept. 1870 in Sedan die ersten Verhandlungen mit Napoleon III. 1875 zum Generalmajor befördert, erhielt er 1878 das Kommando der 1. Garde-Infanteriebrigade, 1881 das der 2. Garde-Infanteriedivision und wurde bald Generalleutnant. Am 3. März 1883 zum Kriegsminister ernannt, führte er die bedeutende Verstärkung der deutschen Wehrkraft von 1887 durch und trat 1889 zurück. Seit 1888 General der Infanterie, wurde er 8. April 1889 kommandierender General des 1. Armeekorps. Er schrieb: »Ein Rückblick auf die ›Taktischen Rückblicke‹« (2. Aufl., Berl. 1870); »Der Dienst des Generalstabs im Frieden und im Kriege« (das. 1875–76, 2 Bde.; 3. Aufl. von Meckel, 1893), von dem eine Übersetzung im englischen Heer amtlich eingeführt wurde; ferner: »Betrachtungen über eine zeitgemäße Fechtweise der Infanterie« (das. 1891).

3) Walter, preuß. General und Kriegsminister, Bruder des vorigen, geb. 21. Dez. 1833 in Danzig, trat 1851 ins Heer, besuchte die Kriegsakademie und ward zum topographischen Bureau kommandiert, 1870 Chef des Generalstabs des 9. Armeekorps, 1871 Oberstleutnant und Chef des Generalstabs des 13. (württembergischen) Armeekorps, 1873 Oberst, 1880 Generalmajor, 1881 Chef des Generalstabs des 10. Armeekorps in Hannover, 1884 Kommandeur der 17. Division und Generalleutnant und 1888 kommandierender General des 3., 1890 des 10. Armeekorps. 1889 zum General der Infanterie befördert, erhielt er im Januar 1893 den erbetenen Abschied, wurde aber 17. Okt. d. I. zum Kriegsminister ernannt, nahm wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Militärkabinett über die neue Militärstrafprozeßordnung 14. Aug. 1896 seinen Abschied und lebt seitdem auf seinem Gut in Mecklenburg.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 453.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika