Natorp

[447] Natorp, 1) Bernhard Christoph Ludwig, Theolog und Schulmann, geb. 12. Nov. 1774 in Werden a. d. Ruhr, gest. 8. Febr. 1846 in Münster (Westfalen), studierte in Halle Theologie und wurde hier von A. H. Niemeyer für das Erziehungswesen begeistert. Als Lehrer an einem Privatinstitut in Elberfeld und Pfarrer in Hückeswagen (seit 1796) und Essen (1798) sammelte er weitere Erfahrungen auf diesem Gebiet und beteiligte sich seit 1802 literarisch wie praktisch an einer allgemeinen Reorganisation des städtischen Schulwesens in Essen. 1809 wurde er durch den Regierungspräsidenten Freiherrn v. Vincke als Konsistorial- und Schulrat nach Potsdam berufen, dem er 1816 nach Münster folgte. In kirchlicher Hinsicht strebte er nach einer milden Mitte zwischen den Gegensätzen der Zeit, im Schulwesen schloß er, von Niemeyer ausgehend, sich frei Pestalozzi an. Er gab heraus: »Grundriß zur Organisation allgemeiner Stadtschulen« (Elberf. 1804); »Briefwechsel einiger Schullehrer und Schul freunde« (3 Tle., das. 1812 bis 1817); »A. Bell und J. Lancaster« (das. 1817); »Schulbibliothek« (5. Aufl., das. 1825); auch eine Fibel und mehrere Schriften zur Förderung des Gesanges, besonders des geistlichen. Vgl. Balster, B. Chr. L. N. (2. Aufl., Essen 1848); O. Natorp, L. Chr. L. N., Lebens- und Zeitbild etc. (das. 1894).

2) Paul, Philosoph, Urenkel des vorigen, geb. 24. Jan. 1854 in Düsseldorf, studierte in Berlin, Bonn, Straßburg, habilitierte sich 1881 in Marburg, wurde daselbst 1885 außerordentlicher und 1892 ordentlicher Professor der Philosophie. Seiner Richtung nach gehört er zu den sogen. Neukantianern. Er hat sich auch durch seine scharfsinnigen Forschungen auf dem Gebiete der Geschichte und der Philosophie bekannt gemacht. Unter anderm veröffentlichte er: »Descartes' Erkenntnistheorie« (Marb. 1882); »Forschungen zur Geschichte des Erkenntnisproblems im Altertum« (Berl. 1884); »Einleitung in die Psychologie nach kritischer Methode« (Freiburg 1888); »Die Ethika des Demokritos, Text und Untersuchungen« (Marb. 1893); »Religion innerhalb der Grenzen der Humanität« (das. 1894); »Platos Staat und die Idee der Sozialpädagogik« (Berl. 1895); »Sozialpädagogik« (Stuttg. 1898, 2. Aufl. 1904); »Herbart, Pestalozzi und die heutige Aufgabe der Erziehungslehre« (das. 1899); »Platos Ideenlehre« (Leipz. 1903). Vgl. Görland, Paul N. als Pädagoge (Leipz. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 447.
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