Orsīni [1]

[140] Orsīni (franz. des Ursins), berühmtes röm. Fürstengeschlecht, das mit Sicherheit bis in das Ende des 12. Jahrh. zurück verfolgt werden kann und im Gegensatz zur Familie Colonna (s. d.) der guelfischen Partei und dem Papsttum anhing. Sein erster bestimmt nachweisbarer Ahnherr Ursus (Orso) war ein Neffe des Papstes Cölestin III. Dessen Enkel Matthäus Rubens (oder Rosso) wurde 1241 von Gregor IX. zum Senator von Rom ernannt, beherrschte die Stadt während der langen Sedisvakanz nach Gregors Tod und war der entschiedenste Gegner des Kaisers Friedrich II. Sein Sohn Giovanni Gaetani O. bestieg als Nikolaus III. 1277 den päpstlichen Stuhl. Von Matthäus stammen die drei Linien des Hauses O. ab, deren jüngste, O.-Gravina, gestiftet von Napoleone O., noch gegenwärtig in Rom blüht und den Fürsten Filippo, geb. 10. Dez. 1842, zum Haupt hat. Francesco O. ward 1417 zum Grafen, sein Sohn Jacopo O. 1463 zum Herzog von Gravina und Beroald O. 1724 zum deutschen Reichsfürsten und später zum Fürsten des päpstlichen Stuhles ernannt. Andre berühmte Glieder des Geschlechts waren: Niccolò O., Graf von Petigliano, geb. 1442, diente als General dem Hause Anjou in den Kriegen um Neapel, der Republik Siena, dem Papst Sixtus IV., den Florentinern, endlich seit 1495 den Venezianern. Beim Ausbruch des Krieges mit der Liga von Cambrai eroberte er als Generalkapitän der venezianischen Heere Padua und verteidigte es mit Erfolg gegen die kaiserliche Armee. Er starb 1510 in Lonigo bei Vicenza. – Virginio O., Herr von Bracciano, einer der ausgezeichnetsten Feldherren Italiens, kämpfte für den Papst Sixtus IV. gegen den Herzog von Ferrara und nahm 1482 an der siegreichen Schlacht bei Campo Morto gegen die Neapolitaner teil. In dem Kriege Neapels gegen die Franzosen stand er erst auf seiten der erstern, später (1496) der letztern Macht, geriet aber bei der Kapitulation zu Atella in neapolitanische Gefangenschaft und starb 18. Jan. 1497. – Paolo Giordano. geb. 1541, ward 1560 von Pius IV. zum Herzog von Bracciano erhoben, kommandierte 1566 Pauls IV. Truppen, als die Türken Italiens Küsten bedrohten, und führte in dem Feldzug von 1571 das Kommando über die gesamten italienischen Völker. Nach der Thronbesteigung Sixtus' V., dessen Rache er wegen der Ermordung seines Neffen, des ersten Gemahls der Vittoria Accoramboni (s. d.), zu fürchten hatte, floh er aus dem Kirchenstaat und starb 1585 in Salò am Gardasee. – Anna Maria, Fürstin O., geb. 1643, Tochter des Prinzen de la Trémoille, heiratete zuerst den Fürsten Talleyrand-Chalais (gest. 1670), dann in Rom 1675 den Herzog O.-Bracciano, der 1698 starb. Hierauf zur Oberhofmeisterin der jungen Königin von Spanien, ersten Gemahlin Philipps V., ernannt, beherrschte sie diese und durch sie den König und leitete die Regierung Spaniens. Nach dem Tode der Königin (1714) empfahl sie Philipp als zweite Gemahlin Elisabeth Farnese in der Hoffnung, auch bei dieser ihren Einfluß zu behaupten, wurde aber von ihr aus Spanien verwiesen und starb 1722 in Rom. Vgl. Combes, La princesse des Ursins (Par. 1858); »Madame des Ursins et la succession d'Espagne. Fragments de correspondance« (Nantes 1902–06, 5 Bde.); Constance Hill, Story of the Princess des Ursins in Spain (Lond. 1899 u. ö.; deutsch, Heidelb. 1902). – Pietro Francesco, später als Dominikanermönch Vincenzo Maria O., bestieg 1724 unter dem Namen Benedikt XIII. den päpstlichen Stuhl. – Von den O. leitet auch das deutsche Fürstenhaus Rosenberg seinen Ursprung her und nennt sich O. und Rosenberg.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 140.
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