Osnabrück [2]

[164] Osnabrück, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks und Stadtkreis in der preuß. Provinz Hannover, in einem fruchtbaren Tal an der Hase, 65 m ü. M., hat in ihrem ältern Teil meist enge und winklige Gassen und wenig öffentliche Plätze, von denen nur der Domhof und die Domfreiheit mit dem Standbild Justus Mösers, der Markt mit der Marienkirche, dem Rathaus und dem Stüve-Denkmal, der Goetheplatz mit dem Denkmal des Kaisers Wilhelm I. sowie der Neumarkt mit dem Justizpalast und dem Kriegerdenkmal Erwähnung verdienen. Die neuen Stadtteile zeigen breite, freundliche Straßen, die niedergelegten Festungswerke zieren schöne Anlagen. Von den Kirchen (3 evangelische, 3 katholische und eine apostolische, sämtlich in den letzten Jahrzehnten restauriert) verdienen Erwähnung: der große kath. Dom im Übergangsstil aus der ersten Hälfte des 13. Jahrh., mit vielen Kostbarkeiten und Reliquien (vgl. Schriever, »Der Dom zu O. und seine Kunstschätze«, Osnabrück 1901), die gotische evang. St. Marien-, die St. Katharinen- und die St. Johanniskirche. Außerdem hat die Stadt eine Synagoge. Von andern Gebäuden sind zu nennen: das ehemalige bischöfliche Residenzschloß, das Rathaus (aus dem 15. Jahrh.) mit den Porträten der 44 Friedensunterhändler und andern Erinnerungen an den Westfälischen Frieden sowie eine Anzahl von Holzgiebelbauten aus dem 16. und 17. Jahrh.

Wappen von Osnabrück.
Wappen von Osnabrück.

Die Zahl der Einwohner betrug 1905 mit der Garnison (2 Bataillone Infanterie Nr. 78 und eine Abteilung Feldartillerie Nr. 62) 59,580, darunter 20,918 Katholiken und 474 Juden. O. hat einen Bergwerks- und Hüttenverein, der aus der Georg-Marienhütte (s. d.), aus dem Eisen- und Stahlwerk zu O. und dem Steinkohlenbergwerk am Piesberg besteht, ein Walzwerk, Drahtzieherei, Eisengießerei, Maschinenfabriken, Flachsspinnerei, eine Eisenbahnwerkstätte, ein Elektrizitätswerk, Baumwollweberei, Seilerei, Gerberei, Fabrikation von Papier-, Zelluloid- und chemischen Waren, Tabak u. Zigarren, Bettfedern, Gasuhren etc., Pianino- und Orgelbau, Branntweinbrennerei, Bierbrauerei und Dampfmahl-, Öl- und Sägemühlen. Der Handel, unterstützt durch eine Handelskammer, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1905: 407 Mill. Mk.), die Osnabrücker Bank, die Norddeutsche Bank und andre Bankinstitute, ist besonders lebhaft in Eisen-, Tuch-, Manufaktur- und Weißwaren, in Drogen, Holz, Getreide, Pumpernickel, westfälischem Schinken und Fleisch. Den Verkehr in der Stadt vermittelt eine elektrische Bahn, für den Eisenbahnverkehr ist O. mit mehreren Bahnhöfen Knotenpunkt der preußischen, bez. oldenburgischen Staatsbahnlinien Münster i. W.-Bremen, Löhne-Rheine, O.-Piesberg, Brackwede-O., O.-Oldenburg u.a. An Bildungs- und andern ähnlichen Anstalten besitzt O. ein evangelisches und ein kath. Gymnasium, ersteres mit einer ansehnlichen Bibliothek und zwei Münzsammlungen, ein Realgymnasium, eine Realschule, eine Handelsschule, ein Priester-, ein evangelisches und ein kath. Schullehrerseminar, eine evangelische und eine kath. Präparandenanstalt, eine Taubstummenanstalt, 2 Waisenhäuser, eine Hebammenlehranstalt, 2 Klöster, ein Museum, ein Theater, eine Provinzialirrenanstalt (Gertrudenberg) etc. O. ist Sitz einer königlichen Regierung, eines Landratsamtes für den Landkreis O., eines Landgerichts, eines Hauptsteueramts, eines Bergreviers, einer Spezialkommission, einer Oberförsterei und einer Handwerkskammer, ferner eines katholischen Bischofs mit Domkapitel und Generalvikariat und des Kommandos der 10. Gendarmeriebrigade. Die städtischen Behörden zählen 10 Magistratsmitglieder und 20 Stadtverordnete. O. ist Geburts- und Sterbeort Justus Mösers und des hannoverschen Ministers Stüve. – Zum Landgerichtsbezirk O. gehören die 16 Amtsgerichte zu: Bentheim, Bersenbrück, Diepholz, Freren, Fürstenau, Iburg, Lingen, [164] Malgarten, Melle, Meppen, Neuenhaus, O., Papenburg, Quakenbrück, Sögel und Wittlage. – Die Stadt war 772 eine fränkische Missionsanstalt, erhielt 888 Markt, Zoll und Münze, war bereits 1082 umwallt, trat der Hansa bei und besaß trotz der bischöflichen Herrschaft bis ins 16. Jahrh. eine Reihe wichtiger Freiheiten. Der Dreißigjährige Krieg zerstörte den Wohlstand der Stadt, der auf der Tuchweberei beruhte; seit der Mitte des 18. Jahrh. hob sie sich besonders durch den ausgedehnten Leinwandhandel wieder. In O. verhandelte seit 1644 das Reich mit den Schweden wegen des Friedens, und auf dem Rathaus in O. ward 24. Okt. 1648 der Westfälische Friede abgeschlossen. Vgl. Möser, Osnabrückische Geschichte (Bd. 6–8 der »Sämtlichen Werke«); Friederici und Stüve, Geschichte der Stadt O. (Osnabr. 1816–26, 3 Bde.); Wurm, O., seine Geschichte, seine Bau- und Kunstdenkmäler (2. Aufl., das. 1906); »Osnabrücker Geschichtsquellen« (das. 1891 ff.) und »Urkundenbuch« (hrsg. von Philippi und Bär, das. 1892 bis 1902, 4 Bde.); Hoffmeyer, Geschichte der Stadt und des Regierungsbezirks O. (das. 1904); Sunder, Das Finanzwesen der Stadt O. 1648–1900 (Jena 1904); »Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde von O.« (Osnabr. 1882 ff.).

Der Regierungsbezirk Osnabrück (s. Karte »Hannover«) umfaßt 6205 qkm (112,70 QM.), zählte 1905: 348,383 Einw., darunter (1900) 152,430 Evangelische, 174,382 Katholiken und 1438 Juden, 56 auf 1 qkm, und besteht aus den elf Kreisen:

Tabelle

Vgl. R. Miquel, Der Landdrosteibezirk O., Bevölkerungsverhältnisse etc. (Osnabrück 1882); Bär, Abriß einer Verwaltungsgeschichte des Regierungsbezirks O. (Hannov. 1901). Über die betreffenden Reichstagswahlkreise s. Karte »Reichstagswahlen«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 164-165.
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