Ruß [5]

[272] Ruß, 1) Melchior, schweizer. Geschichtschreiber, geb. um 1450 in Luzern, Ratsschreiber daselbst, ging 1479 und 1488 als Gesandter zu Matthias Corvinus, König von Ungarn, der ihn zum Ritter schlug, und fiel im Schwabenkrieg 1499. Von 1480–88 schrieb er eine bis 1412 reichende »Luzerner Chronik«, eins der ältesten Geschichtswerke, das die Tellsage enthält (hrsg. von Schneller, Kopp und Wurstemberger, Bern 1832–38). Vgl. Th. v. Liebenau, Ritter M. R. von Luzern (in den »Schweizerblättern«, 1870); Bernoulli, Die Luzerner Chronik des M. R. (Basel 1872).

2) Karl, Volksschriftsteller, geb. 14. Jan. 1833 zu Baldenburg in Westpreußen, gest. 30. Sept. 1899 in Berlin, war Pharmazeut, lebte aber seit 1862 in Berlin als Schriftsteller. Er schrieb: »In der freien Natur« (Berl. 1865–68, 2 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1875); »Meine Freunde« (2. Aufl., das. 1878); »Durch Feld und Wald« (2. Aufl., Leipz. 1875); »Das heimische Naturleben im Kreislauf des Jahres« (Berl. 1889) u.a.; wandte sich dann aber besonders der Zucht fremdländischer Stubenvögel zu. Auf diesem Gebiet veröffentlichte er: »Handbuch der Vogelliebhaber« (Bd. 1, 4. Aufl., Magdeb. 1901; Bd. 2, 4. Aufl. 1904); »Der Kanarienvogel« (11. Aufl., das. 1906); »Die fremdländischen Stubenvögel« (Hannov. u. Magdeb. 1875–98, 4 Bde., von denen Bd. 4 das »Lehrbuch der Stubenvögelpflege, -Abrichtung und -Zucht«, 1881–88, bildet); »Vogelschutzbuch« (Leipz. 1881); »Die Prachtfinken« (2. Aufl., Magdeb. 1898); »Die Webervögel und Widafinken« (das. 1882); »Vögel der Heimat« (Leipz. 1887); »Der Wellensittich« (5. Aufl., Magdeb. 1905); »Sprechende Vögel« (das. 1886 bis 1889, 2 Bde.; Bd. 1: »Sprechende Papageien«, in 3. Auflage 1897); »Vogelzuchtbuch« (2. Aufl., das. 1896); »Der Graupapagei« (das. 1896); »Die Amazonenpapageien« (das. 1896). Seit 1872 gab er die Wochenschrift »Die gefiederte Welt« (Magdeb.) heraus.

3) Viktor, österreich. Politiker, geb. 28. Mai 1840 in Wien, studierte in Prag die Rechte, trat in den Justizdienst, den er verließ, als er 1870 in den böhmischen Landtag, 1871 ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde. Hier vertrat er bis zu den Neuwahlen des Jahres 1900 die Stadt Karlsbad und zählte zu den Mitgliedern der deutschliberalen Partei. Er schrieb: »Der böhmische Landtag von 1872 bis 1877« (Prag 1878), »Der Sprachen streit in Österreich« (Wien 1884) und verschiedene verkehrspolitische Aufsätze.

4) Robert, Maler, geb. 7. Juni 1847 in Wien, bildete sich auf der dortigen Akademie, besonders unter der Leitung Albert Zimmermanns, zum Landschaftsmaler aus, schloß sich aber nicht an die stilisierende Richtung seines Lehrers an, sondern behandelte die Motive seiner Bilder in realistischem Sinne mit starker Betonung des Stimmungselements. 1870 machte er die ersten Studien in Tirol, 1872 bereiste er Deutschland und Holland und nahm dann einen längern Aufenthalt in Venedig, und 1874 ging er nach Rom. Später fesselte ihn zumeist das südliche Tirol. Seine durch eine gewandte, flüssige Technik ausgezeichneten Hauptwerke sind: Motiv aus Eisenerz und Motiv aus Mals in Tirol (1870, beide in der akademischen Galerie zu Wien), Partie aus dem Otto Heinrichs-Bau des Heidelberger Schlosses (1877), Hof der Fürstenburg in Burgeis (beide im Wiener Hofmuseum), Partie aus dem Wiener Prater, Helgoland, holländischer Kanal, Gewitterlandschaft aus Südtirol, Abendstimmung bei Meran, Vorfrühling in der Penziger Au (1887, in der akademischen Galerie zu Wien), Mühle in Südtirol, Gewittersturm im Hochgebirge (1889), Porta Furba an der Straße nach Frascati, Platz in Friesach, Herbstnebel bei Meran. R. hat sich auch auf dem Gebiete der dekorativen Malerei durch zehn Gemälde im naturhistorischen Hofmuseum und durch zwölf Lünetten für die Büfette im Wiener Hofburgtheater, musizierende Genien und Vögel in Pflanzenwerk darstellend, ausgezeichnet.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 272.
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