Schwedische Sprache

[151] Schwedische Sprache. Das Gebiet der schwedischen Sprache ist im allgemeinen das schwedische Reich, nur daß im Norden das Finnische und Lappische sich noch gehalten hat, während anderseits in Finnland das Schwedische Schriftsprache ist. Unter den Volksdialekten stehen die der Landschaften Schonen, Blekinge und Halland, die ehemals zu Dänemark gehörten, dem Dänischen näher als dem Schwedischen, während die Mundarten von Norrland, Finnland und Esthland sprachgeschichtlich zum Norwegischen gehören. Eine Sonderstellung nimmt das Gotländische ein, ursprünglich vielleicht nicht ein nordischer, sondern ein gotischer Dialekt, dessen ältestes Denkmal, das »Gutalag« (Gesetzbuch von Gotland), sprachlich von höchstem Interesse ist (Handausgabe von Säve: »Gutniska urkunder«, Stockh. 1859). Vgl. besonders J. A. Lundell, Om de svenska folkmålens frändskaper ock etnologiska betydelse (Stockh. 1880), sowie die Zeitschrift »Nyare bidrag till kännedom om de svenska landsmålen ock svenskt folklif« (das. 1879 f.) und Lefflers Schrift »Om konsonantljuden i de svenska allmogemålen« (Heft 1, das. 1872). In lexikalischer Hinsicht sind die Dialekte am besten bearbeitet in dem »Svenskt dialektlexikon« von Rietz (Lund 1867). Ursprünglich gab es im heutigen Schweden zwei besondere Stämme, die Schweden (Svêar) und die Gauten (Gautar, Götar); die Sprachen beider zeigen sich aber in historischer Zeit schon miteinander verschmolzen.

Die s. S. ist eine nordische und teilt als solche die allgemeinen Eigentümlichkeiten des nordischen Zweiges vom germanischen Sprachstamm (s. Nordische Sprache und Literatur). Es ist aber das Schwedische mit dem Dänischen als das Ostnordische dem Norwegisch-Isländischen als dem Westnordischen gegenüberzustellen, nicht als Tochtersprache, sondern als gleichgeordnete Schwestersprache. Die Sprachtrennung mag etwa im 9 Jahrh. begonnen haben, trat aber erst im Laufe der Zeit deutlicher hervor.

Man unterscheidet fünf Sprachperioden. In die erste (ostnordische) Periode (bis 1250) fallen die oft datierbaren Runeninschriften (s. Runen), in die zweite (1250–1400) die Landschaftsgesetze. Das älteste darunter ist das ältere »Vestgötalag« (Handschrift von 1281; Handausgabe mit normalisiertem Tert von Schwartz und Noreen, Upsala 1876); demnächst sind die wichtigsten das »Östgötalag« und »Uplandslag« (in Handschriften aus dem 14. Jahrh.), besonders auch das »Gutalag« (s. oben), dessen Abfassung noch älter ist (Gesamtausgabe der altschwedischen Gesetze im »Corpus juris Sveo-Gothorum antiqui« von Collin und Schlyter, Stockh. 1827 ff.). Die dritte Periode (1400–1520, Zeitalter der Chroniken und der »Euphemiavisor«) umfaßt die Unionszeit, in der die aus dem Södermanländischen entwickelte Schriftsprache unter dänischem und deutschem Einfluß stand. Die vierte Periode (1520–1700) umfaßt das Zeitalter der Reformation und ist auf sprachlichem Gebiet eine Zeit der Reaktion. Der Entwickelungsgang der Sprache in diesen Perioden ist nämlich folgender: Innerhalb der ostnordischen Sprachgruppe bildet sich ein zunächst noch fast verschwindender Unterschied[151] zwischen den dänischen und schwedischen Dialekten. Dieser ist auch in der zweiten Periode noch sehr gering, wodurch die Sprachmischung in der Unionszeit ermöglicht ward, indem besonders das Schwedische der beeinflußte Teil war. Zusammenfallen der vollern Endvokale im tonlosen e sowie der meisten Kasus (durch Verlust des Dativs) und andrer Flexionsformen, Erweichung des Tenues, die Eigentümlichkeiten des gleichzeitigen Dänischen, finden sich daher vielfach auch in den schwedischen Schriftwerken dieser Periode. Mit dem Aufhören der Union beginnt eine Reinigung des Schwedischen von Danismen infolge des in Schweden erstarkten Nationalgefühls, unterstützt durch die Reformation in Verbindung mit der Einführung des Buchdrucks (1483), besonders durch die Bibelübersetzung der Brüder Petri (1526–41). Alte Formen und vollere Endungen treten aus den Dialekten, wo sie sich erhalten haben, in die zu einer nationalen Reichssprache sich entwickelnde Schriftsprache, die von da ab vom Dänischen wesentlich verschieden ist. Am Ende der vierten Periode, beim Tode Karls XI., ist das Schwedische im wesentlichen zur heutigen Reichs- und Schriftsprache geworden, deren Ausbildung die fünfte Periode (von 1700 ab) ausfüllt. Zugleich beginnt die grammatische Behandlung der Sprache, zuerst durch Nils Tjällman (»Grammatica svecana«, 1696) und Jesper Svedberg (»Schibboleth«, 1716; »En kort svensk grammatica«, 1722).

Das heutige Schwedisch unterscheidet sich durch seine vollen Endungen (welche die Sprache zu einer sehr wohlklingenden machen) und durch Bewahrung eines verhältnismäßig alten, mehr nordischen Gepräges, namentlich auch im Wortschatz, vorteilhaft vom nahe verwandten Dänischen. Die Aussprache unterscheidet sich wesentlich im folgenden von der deutschen: a bezeichnet den Laut zwischen a und o; u wird wie ü gesprochen; für Länge und Kürze lassen sich nur ganz im allgemeinen diese Regeln aufstellen; kurzer Vokal vor Doppelkonsonanz (außer rn, rd); langer: 1) am Ende des Stammes, 2) vor rn und rd, 3) vor einfacher Konsonanz. Antretende Flexionskonsonanten (s und t) ändern daran nichts. Von Konsonanten lauten k vor weichen Vokalen (ä, e, i, ö) und tj immer fast wie ich (nicht ganz wie tsch), g vor weichen Vokalen wie j; gj und dj lauten nur wie j; h vor Konsonanten ist stumm, s im Anlaut immer scharf; fv = weichem v; skj, stj und sj immer, sk vor weichen Vokalen = sch.

Als Hilfsmittel für die Geschichte der Sprache sind zu empfehlen: Rydquist, Svenska språkets lagar (Stockh. 1850–83, 6 Bde.); Söderwall, Hufvudepokerna af svenska språkets utbildning (Lund 1870) und Ordbok öfver svenska medeltids-språket (Stockh. 1884 ff.); Petersen, Det svenske sprogs historie (in »Det danske etc. sprogs historie«, Teil 2, Kopenh. 1830); Munch, Forn-svenskans och forn-norskans språk byggnad (Stockh. 1849); Sundén, Svensk språklära (L und 1875); Tamm, Etymologisk svensk ordbok (Stockh. 1890 ff.); Kock, Studier öfver forn-svensk ljudlära (Lund 1382–86, 2 Bde.), Språkhistoriska undersökningar om svensk akcent (das. 1878–85, 2 Bde) und Svensk ljudhistoria (das. 1906 ff.); A. Noreen, Vårt sprak (das. 1903 ff.). Proben aus den ältern Epochen der schwedischen Sprache (bis zur Reformation) enthält Noreens »Alt schwedisches Lesebuch mit Anmerkungen und G'ossar« (2. Aufl., Halle 1904). Unter den zahlreichen schwedischen Grammatiken der neuern Sprache nennen wir die von Ljungberg (1756), Sahlstedt (1769), Fryxell (13. Aufl. 1865), Tullberg (1836), Almquist (3. Aufl. 1840), dann die von der schwedischen Akademie herausgegebene (1836), die von Sjöborg (deutsch als »Schwedische Sprachlehre für Anfänger«, 5. Aufl., Strals. 1841), von Dieterich (»Ausführliche schwedische Grammatik«, 2. Aufl., Stockh. 1848), von Jessen (Christ. 1869) und J. C. Poestion (2. Aufl., Wien 1897, für die praktische Erlernung der Sprache besonders brauchbar). Wörterbücher lieferten Sahlstedt (»Svensk ordbok med latinsk uttolkning«, 1773), Dalin (Stockh 1869; Handwörterbuch, das. 1868), Kindblad (das. 1867–71, 3 Bde). Ein von der schwedischen Akademie herausgegebenes Wörterbuch, das ein älteres, in den ersten Anfängen steckengebliebenes Unternehmen wieder aufnimmt, ist im Erscheinen begriffen (»Ordbok öfver svenska språket«, Lund 1894 ff.); eine »Ordlista«, herausgegeben von der Akademie, erschien in 6. Auflage Stockholm 1889. Schwedisch-deutsche Wörterbücher besorgten Möller (2. Aufl., Leipz. 1808), Helms (4. Aufl., das. 1893) und Hoppe (2. Aufl., Stockh. 1901), ein »Schwedischer Sprachführer« von Sellin erschien in »Meyers Sprachführern« (Leipz. 1893). Vgl. auch A. Noreen, De nordiska spraken (Upsala 1887).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 151-152.
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