Heiden [1]

[166] Heiden (gr. Ethnici, lat. Pagani), 1) eigentlich Bewohner des Landes, im Gegensatz zu den Städtern. Dann als Constantin der Große u. dessen Nachfolger den Götzendienst aus den Städten verbannten, u. derselbe noch am längsten in den Dörfern (Pagi) blieb, wurden 2) die Anhänger des Götzendienstes von den Christen Pagani benannt, welchen Namen die Deutschen, zum Christenthume bekehrt, in das Deutsche übertrugen u. die Götzendiener Heidebewohner, Bewohner des flachen Landes nannten, u. man begriff bis in das Mittelalter unter H. 3) die, welche sich weder zum Judenthum noch zum Christenthum, also nicht zu den geoffenbarten Religionen bekannten, um die Zeit der Kreuzzüge auch die Muhammedaner (welche man aber jetzt, weil auch sie an Einen Gott glauben, nicht mehr unter die H. rechnet). Schon bei den Hebräern kommt das Unterscheiden zwischen H. u. Hebräern vor. Die Spuren des Unterschiedes zwischen Söhnen Gottes, d.h. denjenigen, welche Gott als ihren Vater erkennen u. verehren, u. Kindern der Menschen, d.h. welche ihren Ursprung lediglich von ihren leiblichen Eltern ableiteten, die sich schon zur Zeit Henochs zeigen, treten in der Geschichte Abrahams deutlich hervor, u. sowohl Abraham sorgte dafür, daß sich seine Nachkommen nicht mit jenen Völkern. (Gojim) durch Heirathen vermischten, als auch Moses suchte den Umgang mit H. auf alle Weise zu erschweren; da er von denen, welche das jüdische Bürgerrecht erlangen wollten, nur Enthaltung vom Götzendienste verlangte, aber ihrem Gewissen überließ, ob sie die jüdische Religion annehmen wollten, so wurden nicht blos in dem zweiten Tempel von den H. Opfer angenommen, sondern die Rabbinen reden auch von einem besonderen Vorhof im Tempel (Vorhof der H.), wohin ihnen zu gehen erlaubt war. Der Unterschied zwischen H. u. Nichtheiden gründet sich im Wesentlichen theils[166] auf das Dogma eines alleinigen Gottes, als absolut vollkommnen Wesens, also auf den Gegensatz des Monotheismus gegen den Polytheismus, theils auf die jüdischen u. christlichen Glaubens- u. Tugendlehren. Doch gestalteten sich die religiösen Anschauungen der H. bei den verschiedenen heidnischen Völkern ganz anders. Von dem Eintritt in das Christenthum waren sie Anfangs ausgeschlossen, u. es entstanden darüber unter den Aposteln Streitigkeiten, welche endlich durch den Apostel Paulus, der deshalb auch der Heidenapostel genannt wird, zu Gunsten derselben entschieden wurden. Später warf man die Frage auf, ob auch die H. der Seligkeit theilhaftig werden könnten, u. berief sich dabei auf große edle Thaten, welche von ihnen vollbracht worden wären. Dagegen stellte Augustinus den Grundsatz hin, daß die H. das Schöne u. Große, das sie gethan, im Dienste des Teufels, um eitler Ehre willen u. überhaupt aus unlautern Absichten gethan hätten, u. daß deshalb ihre Tugenden nur glänzende Laster wären. Hieronymus schlug einen Mittelweg ein, indem er den H. die Bereitwilligkeit, die Lehrsätze der rechtgläubigen Kirche, wenn sie ihnen bekannt würden, zu bekennen, beilegte. B. Gottfr. Arnold, die Quäker u. mehrere Theosophen glaubten den Streit dadurch zu vermitteln, daß sie von aller Erkenntniß u. allem Unterricht unabhängige Gnadenwirkungen Gottes an den Seelen der H. annahmen. Auch die Reformatoren fanden sich veranlaßt, obschon Melanchthon später seine Meinung änderte, von einer Verdammung der H. zu reden, ein Dogma, welches in dem Prädestinationssystem der Reformirten einen neuen Halt gewann. Dagegen erklärte sich später Marmontel, ihn bestritten aber wieder, in Augustins Fußtapfen gehend, Hofstede u. Götze, u. die Verdammung der H. wird noch immer von der orthodoxen Partei in der Protestantischen Kirche gelehrt, indem man namentlich die Stelle der Schrift Mark. 16, 16. dafür anführt. H., deren es jetzt noch in Asien (Lamaiten, Buddhisten u. andere), Amerika u. Afrika (Fetischanbeter), in Europa nur etwa noch in dem äußersten Norden gibt, rechnet man auf 470 Millionen. Zur Bekehrung derselben werden noch immer christliche Männer (Heidenbekehrer, Heidenboten) ausgesendet, s.u. Mission.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 166-167.
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