Hirschfährte

[408] Hirschfährte. Die Fährte des Hirsches hat sehr viele Abzeichen, so daß der starke von dem geringen u. der Hirsch von dem Thiere mit ziemlicher Gewißheit unterschieden werden kann. Der Fuß des Hirsches besteht nämlich aus zwei Theilen, die Eindruck in das Erdreich machen, den Schalen, der äußere hornige Theil, die beim Hirsch viel stumpfer sind (mehr Stümpfe haben), als beim Thier, u. den Ballen, die hintersten Theile der Hinterläufe. Er wechselt ab, wenn er stumpfe Schalen hat, macht eine starke Vertiefung (Eingriff), wenn er schnell läuft, einen Ausriß, wenn er angeschossen flieht, einen Anstrich (Thauschlag), wenn er im Thau geht u. diesen abstreift, er geht geschlossen (geschlossene Fährte), wenn er langsam geht u. daher beim Auftreten die Schalen zusammenhält, der Tritt seiner Hinterfüße heißt Hinter- (Nach-) fährte, die der Vorderfüße Vorderfährte. Connoisance heißt, wenn der Hirsch in der H., od. Farbe u. Gestalt ein ungewöhnliches Zeichen gibt. Die alten Jäger gaben 72 solcher Hauptzeichen an; neuerdings hat man sie auf 30,25 od. 10 reducirt. Die vorzüglichsten sind: a) der Schrank (Schränken, geschränkt); der feiste Hirsch setzt den rechten u. linken Lauf nie hinter einander; auch das tragende Thier schränkt, aber selten 3–4 Schritte hintereinander; b) der Schritt; ein Hirsch von 4 Jahren schreitet weiter aus, als das älteste Thier, ein gehender 24 Fuß; c) der Zwang (Zwängen), der Hirsch zieht mit den Schalen die Erde zum Theil an sich u. rückwärts; d) der Burgstall (Bürgel, Bügel, Bühel, Pürzel, Berge, Birgel, Grümmen, Gronnen, Grimmen), eine Erhöhung, welche dadurch entsteht, daß der Hirsch beim Auftreten die Erde mit den Ballen nach den Schalen zu drückt, beim Fortschreiten aber dieselbe mit den Schalen zurückzwinkt; das Thier hat diese Erhöhung nicht in seiner Fährte; e) der Beitritt, wenn der hintere Lauf etwa einen Finger breit neben den vordern Lauf gesetzt ist; von einem langsam gehenden, starken Hirsch, auch zuweilen vom tragenden Thiere gemacht; f) der Kreuztritt, wenn die Fährte der vordern Schalen von den hintern gleichsam gespalten wird u. kreuzförmig erscheint u. in diesem Doppeltritt drei Ballen sichtbar werden; wird nie vom Thier gemacht; g) das Hinterlaß (Erfüllung, Zurückbleiben, Reifel, Reif), wenn der starke u. feiste Hirsch mit der Hinterschale in gerader Richtung 2–3 Querfinger zurückbleibt; h) die Übereilung, wenn der Hintertritt ganz gerade vor den vordern gestellt ist; bei jungen u. schlechten Hirschen; i) das Zeichen der 4 Ballen, wenn die Ballen in allen 4 Tritten ausgedrückt sind; k) das Auswärtssetzender Schalen, wenn der Hirsch die Schalen auswärts setzt; l) der Blendetritt (Blender, Schluß), wenn der Hirsch mit dem Hinterfuße in die Fährte des Vorderfußes tritt u. sie so erweitert, daß der Jäger verleitet wird, einen geringen Hirsch für einen Capitalhirsch anzusprechen; sieht man beim Blendetritt in gutem Boden da, wo Schalen u. Ballen zusammenstoßen, kleine Hügelchen, so heißt dies der Bürzel; m) das in gutem Boden eingedrückte Geäfter; es ist beim Hirsch so stark wie ein Mannsdaumen, in die Breite gestellt u. 21/2–3 Zoll vom Ballen entfernt, beim Thiere spitzig u. schmal, in die Länge gestellt u. kaum 2 Zoll vom Ballen entfernt; n) die Stümpfe, die Schalen des alten Hirsches sind stumpf, beim Thiere bleiben sie spitzig; o) das Fädchen (Fädlein, Nestlein, Faden), ein schmaler Streif Erde, welchen der gute Hirsch in seiner Fährte macht; bei der Fährte des Thiers, welches nicht geschlossen geht, bleibt ein viel breitrer Streif zwischen den Schalen; p) das Insiegel; der Klumpen Erde, welchen der Hirsch, wenn er nach Regen über fetten Boden geht, an den Schalen behält u. verliert, sobald er auf Rasen tritt; q) das hohe Insiegel, dem vorigen ähnlicher Klumpen Koth, welchen der Hirsch bildet, wenn er über einen Bruch od. sumpfige Wiesen geht; r) der Abtritt (Ausschnitt, Gräslein), das Gras, welches in den Tritten des Hirsches ganz durchschnitten, in denen des Thiers nur gequetscht erscheint; s) der Einschlag, das Gras od. junge Getreide, welches der Hirsch beim Auftreten zwischen den Schalen faßt u. losreißt, aber wieder fallen läßt; t) der Schloßtritt, der Tritt, welchen der Hirsch mitten im Bette macht, wenn er sich aus demselben erhebt; u) die reine Fährte; im nassen Sande bleibt die Fährte des Hirsches ganz ausgedrückt stehen, die des Thieres fällt leichter zu; v) der Umschlag; der Hirsch schiebt Moos u. Heidekraut so um, daß die Wurzeln in die Höhe stehen; w) Scheibel (Scheibe, Scheibchen), ein flaches Stück Erde, welches der Hirsch lostritt, wenn er auf hartem Boden gezwungen geht; x) Bleizeichen, wenn die Fährte des Hirsches auf einem Steine sichtlich ist u. aussieht, als wäre sie mit Bleistift gezeichnet; y) der Widergang; wenn der Hirsch zu Walde geht, kehrt er bisweilen um, geht ein Stück zurück u. macht dann einen Bogen; z) Mittelzeichen, wenn der Hirsch mit dem Hinterfuße nicht ganz genau in den Tritt des Vorderfußes eingetreten ist; aa) Herztritt, der herzförmige Tritt, welchen der Hirsch in reinem Boden macht; beim Thier ist der Eindruck schmal. Im weitern Sinne unterscheidet man noch folgende Zeichen: bb) der Hirsch nässet zwischen die Fährte, das Thier mitten in dieselbe; cc) die Himmelszeichen, nämlich das Gewende, die von dem fliehenden Hirsch in niedrigem Holze mit dem Geweih umgewendeten Blätter od. abgebrochnen Zweige, u. das Fegen (Schlagen, Himmelsspur), wo der Hirsch den Bast vom Geweih abgefegt hat; dd) die Losung; sie ist beim Thiere der der Schafe u. Ziegen u. nur im October u. November der des Hirsches ähnlich. Die Losung des [408] Hirsches besteht im Winter aus dünnen runden Scheiben, im Frühjahr fällt sie haufenweise, fast wie bei den Sauen, im Sommer länglich rund, traubenförmig u. mit Schleim überzogen, im September wird sie wieder dünner.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 408-409.
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