Kehlkopfkrankheiten

[412] Kehlkopfkrankheiten betreffen vorzugsweise die Schleimhaut, höchst selten die Knorpel u. deren Oberhaut (Perichondrium). Die Anlage zu den K. liegt oft in der ganzen Leibesbeschaffenheit begründet, das Kindesalter neigt zu Croup u. Katarrh, in der Zeit der Pubertät kommen viele u. meist acute K. vor. Auch Lungenkrankheiten verbreiten sich gern auf den Kehlkopf, namentlich die Tuberkulose. Außerdem ziehen manche Dyskrasien (Hautausschläge, Syphilis, Mercurialismus) den Kehlkopf häufig in Mitleidenschaft. Gelegenheitsursachen sind Einathmungen kalter od. mit scharfen Stoffen verunreinigter Luft, Eindringen fremder Körper, zu starke Anstrengung der Stimmwerkzeuge, Hauterkältung etc. Die Symptome der K. sind sehr mannichfaltig, bald geben sie sich durch örtliche materielle, am äußeren Halse od. in der Rachenhöhle zu sehende u. zu fühlende Veränderungen zu erkennen, bald rufen sie nur ungewöhnliche Empfindungen (Stechen, Drücken, Kratzen, Brennen etc.) im Kehlkopfe hervor, Anreiz zum Räuspern, Husten (kurz, hoch, tief, bellend, pfeifend, krähend), veränderte Stimme (rauh, pfeifend, lispelnd, heiser) od. selbst Stimmlosigkeit, erschwertes u. geräuschvolles Athmen (zischend, pfeifend, rasselnd), wenig Auswurf u. gewöhnlich in Klümpchen. Oft nehmen auch die benachbarten Halsorgane Theil, u. dann ist die Halsbewegung, vor Allem aber das Schlingen behindert. Durch Auscultation des Kehlkopfes erkennt man (durch rauhes, raspelartiges, pfersendes, schnurrendes, rasselndes Athmen) die Verengerung desselben, sowie die Gegenwart fremder Stoffe. Zuweilen tönt bei Kehlkopfverengerung das Kehlkopfathmen (s.d.) über beide Lungen hinweg. Die Krankheiten des Kehldeckels geben sich bisweilen durch vorwiegende Schlingbeschwerden kund, bei denen bes. Flüssigkeiten in die Luftröhre gelangen u. Husten u. Würgen veranlassen. Die K. sind A) nervöse Affectionen, bestehend in mancherlei ungewöhnlichen u. unangenehmen Empfindungen, Kitzel, Brennen, Schnüren (Globus hystericus); od. in krampfhaften od. Lähmungszuständen, beide gehen mit Stimmritzenverengerung (natürlich mit Veränderung od. Verlust der Stimme) einher. Die krampfhafte Verenserung (sogenannter Glottiskrampf) zeigt sich bei dem Keuchhusten u. dem Croup, wird aber auch bei hysterischen Frauen u. auf reizende Einathmungen beobachtet. Bei Neugeborenen nennt man diese krampfhafte Verengerung der Stimmritze Steckenbleiben od. Ausbleiben, im höheren Grade Krampfasthma der Kinder. B) Kehlkopfentzündung als a) Kehlkopfkatarrh (Laryngealkatarrh, Laryngitis catarrhalis), oberflächliche Entzündung der Kehlkopfschleimhaut, bes. häufig ats Begleiter der Hautexantheme (zumal der Masern), bei der Säuserkráse, der Luberknlose u. Syphilis. Man unterscheidet den acuten Kehlkopfkatarrh mit Empfindlichkeit des Organs, veränderter Stimme, Hustenreiz u. erschwertem Athmen bis zu Erstickungssymptomen. Der Auswurf ist Anfangs dünnflüssig u. farblos, später eitrigtrübe, bei der Auseultation bemerkt man verschärftes Kehlkopfathmen od. Rasseln, Fieberbewegungen sind sehr verschieden; die Dauer ist selten mehr als 8 Tage; die Behandlung besteht nur in größter Ruhe des kranken Organs u. Einathmung seiner, warmer Luft, selten machen sich Blutegel nöthig, eher noch gelinder Schweiß Beim chronischen Kehlkopfkatarrh richten sich die Symptome nach dem Grade der Entartung der Schleimhaut, sind aber im Allgemeinen denen des acuten Kehlkopfkatarrhs, mit Ausnahme des Auswurfs, ähnlich Einathmungen von warmen Dämpfen u. Bestreichen der Kehlkopfschleimhaut mit Höllenstein sind am zweckmäsigsten. b) Ödemalöse K., (Glottisödem, Stimmritzödem, L. oedematosa), Erguß seröser, Fluessigkeit in die Schleimhaut, der Stimmritze, des Kehldeckels u. das darunter liegende Zellgewebe; c) Kehlkopfcroup (Laryngitis crouposa, Angina membranacea, Häutige Bräune, Kehlbräune), Entzündung mit gerinnendem u. später eiterig erfließendem Exsudate, s. Croup. d) Kehlkopfknorpelhautentzündung (Perichonadritis laryngea), zumeist im Gefolge anderer Kehlkopfsleiden, bes. Verschwärungsprocessen u. bei Typhus, führt zu Vereiterung u. Verschwärung der Weichtheile mit Nekrose des Knorpels (Rheumatische Kehlkopfschwindsucht, Rheumatische Bräune; od. schwieliger Verdickung. e) Kehlkopfknorpelentzündung (Chondritis laryngea), am häufigsten als Kehldeckelentzündung (Epiglottitis). im Gefolge von Mandelentzündung u. Syphilis, endet mit Verkrüppelung des Kehldeckels od. mit Verschwärung u. gibt sich durch sehr erschwertes Schlingen bes. flüssiger Dinge zu erkennen, indem ein Theil der Flüssigkeit in die Luftröhre gelangt, Husten erregt u. durch die Nase wieder zum Vorschein kommt. Scarificationen des Kehldeckels sind das hauptsächlichste Mittel, um der Erstickung zuvorzukommen, zuletzt ist nur vom Luftröhrenschnitt noch Rettung zu erwarten f) Kehlkopfzellgewebeentzündung (Perilaryngitis,). meist mit Ausgang in Eiterung (Perilaryngealabsceß), seltener in schwielige Verhärtung.

Auch ist der Kehlkopf allerlei Zerstörungsprocessen ausgesetzt, wie Verschwärung, Vereiterung, Brand, welche entweder rein örtliche Leiden sind od. von einer Dyskrasie abhängen u. unter dem Namen der Kehlkopfschwindsucht (Phthisis laryngea) zusammengefaßt u. als tuberkulöse, katarrhalische, aphthöse, rheumatische (s. oben), typhöse, variolöse, syphilitische u. krebsige unterschieden werden können. Die häufigste von allen ist die tuberkulöse Kehlkopfschwindsucht, die übrigen sind sehr[412] selten, u. außerdem sind bei tuberkulöser Kehlkopfschwindsucht in der Regel die Lungen schon bedeutend tuberkulös entartet. Die Symptome der Kehlkopfschwindsucht sind die der chronischen Kehlkopfentzündung, Glottisödem u. Blutungen aus dem Kehlkopfe treten nicht selten auf. Die Behandlung kann außer der Beseitigung bestehender Dyskrasien nur in Ruhe des Kehlkopfes, Einathmung reiner warmer Luft u. von Wasserdämpfen, Wärme des Halses u. vielleicht in Betupfen mit Höllensteinsolution bestehen Die Kehlkopfblutung (Laryngorrhagia) ist selten u. zumeist nur in Tropfen od. Streifen auftretend; das Blut wird rein od. von Schleim u. Speichel umgeben ausgeräuspert. Zuweilen verursacht die Kehlkopfblutung ein Kriebeln, Kratzen, Kitzeln u. Wärmegefühl in der Kehle, auch Heiserkeit. Die Kehlkopfblutung kann bedingt sein durch Zerreißung von Haargefäßen (z.B. bei Kehlkopfentzündung) od. durch Zerstörung von Blutgefäßen, durch Geschwüre bei der Kehlkopfschwindsucht. Kehlkopfverengerung kann bestehen in Verstopfung durch fremde Körper, croupöse od. Blutgerinsel etc.; ferner in krampfhafter Contraction od. Lähmung der Stimmritze, in Anschwellung der Schleimhaut bei Entzündungen u. Geschwüren, in Kehlkopfpolypen od. anderen Afterbildungen (Krebs, Lipom), in schwieliger u. narbiger Einschnürung (eigentliche Kehlkopfverengerung, Laryngostenosis), in Druck von außen (durch Anschwellungen der Drüsen, bes. der Schilddrüse, Krebs- u. Pulsadergeschwülste). Symptome der Kehlkopfverengerung sind Athemnoth (Asthma), anhaltend od. in Anfällen mit Keuchen. Der Folgezustand der Kehlkopfverengerung ist Lungenerweiterung, Lungenemphysem u. durch Störung des kleinen Blutkreislaufes Erscheinungen von Blausucht u. Erstickungsfälle. Im äußersten Falle muß man durch den Luftröhrenschnitt den Zutritt der Luft zu der Lunge erweitern. Vgl. Albers, Die Kehlkopfkrankheiten, Lpz. 1829; Colombat de l'Isère, Traité des maladies des organes de la voix, Par. 1834; Ryland, A treatise on the diseases et injuries of the larynx, Lond. 1837 (Preisschrift); Porter, Beobachtungen über die chirurgischen Krankheiten des Kehlkopfes etc., übersetzt von Runge, Bremen 1838; Klencke, Die Störungen des menschlichen Stimm- u. Sprachorganes, Kassel 1844.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 412-413.
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