Lykĭa

[644] Lykĭa, eine Landschaft in Kleinasien, u. zwar die südwestliche Halbinsel dieses Landes; begrenzt von Karien, Phrygion, Pisidien, Pamphylien u. dem Mittelmeere, hier das Lykische Meer genannt, also der westliche Theil des jetzigen Tekeh; es war ganz gebirgig, im N. durch Zweige des Tauros, als Dädala, Kragos u. Antikragos, Massikytos, Klimax mit den Spitzen Solyma u. Olympos (Phönikus);[644] diese liefen aus in die Vorgebirge (von W. nach O.) Telmissos (Telmissias), Heiliges Vorgebirg, Kragos mit der Spitze Patara, ein zweites Heiliges Vorgebirg, Chelidonion; im Westen machte das Meer nach Karien hin den Busen Glaukos, ferner den Telmissischen u. im Osten den Pamphylischen Busen; Flüsse: Glaukos, Xanthos, Limyros mit Arykandos, Ädesa u. Moros. Producte des Landes waren bes. Wein, Getreide, Safrau, Cedern, Tannen, Platanen, Badeschwämme, Kreide; auch Naphthaquellen gab es hier u. da; die vorzüglichsten Städte waren an der Küste: Telmissos, Patara, Antiphellos, Myra mit dem Hafen Andriaka, Phaselis; im Innern: Pinara, Tlos, Xanthos, Phellos, Olympos, Arykanda etc.; die Inseln an der Lykischen Küste waren nur klein, so Lagusa, Dolichiste, Rhope, Megiste, Chelidoniä. Die Einwohner waren friedlich, gesittet, ziemlich gebildet; ihre Gebräuche erinnerten zum Theil an ihre kretische Abstammung, zum Theil waren sie karisch; eigenthümlich war ihnen, sich nicht nach dem Vater, sondern nach der Mutter zu nennen u. auch die mütterlichen Stammbäume aufzustellen; sie trugen im Kriege Hüte mit Federbüschen, Beinschienen, Dolche u. krumme Säbel. Die Denkmäler der Lykischen Kunst zeigen deutlich eine Verbindung dreier Elemente: ein einheimisches (lykisches), ein morgenländisches (wie namentlich in den Felsengräbern, in den Darstellungen eines kämpfenden Stiers u. des mit einem Löwen ringenden Helden, die an ähnliche Werke in Persepolis erinnern) u. ein hellenisches; letzteres ist das vorherrschende. Das bedeutendste bekannte lykische Bauwerk ist das Grab des Harpagos, welcher als persischer Statthalter von L. 386 v. Chr. den König Euagoras von Cypern in einer Seeschlacht besiegte. Über die Sprache der Lykier s. Lykische Sprache.

Lykien hieß ursprünglich Milyas u. darnach die Bewohner Mylier; nach Ein, hießen sie auch Solyiner, nach And. waren beide verschiedene, neben tinander wohnende Völker, welche Semiten waren. Später wanderten Kreter ein; nämlich als die Brüder Minos u. Sarpedon in Streit gerathen u. Letzter unterlegen war, zog er mit einein Gefolge aus Kreta nach L., wo sie sich in den Küstenstrichen unter dem Namen Termilä niederließen u. die Urbewohner in die nördlichen Gebirgsgegenden drängten, wo sich der Name Milyas in einem Gebiete am Südabhange des Tauros erhielt. Sarpedon war ihr König; zu ihm (od. wahrscheinlich später) kam Lykos, der Sohn Pandions, welcher von seinem Bruder Ageus aus Athen, od. aus Ägion in Achaia vertrieben worden war, u. nun wurde nach ihm das Volk Lykier genannt. In der historischen Zeit erscheinen die Lykier in mehrern, zu einem Bunde vereinigten Republiken, u. stark durch ihre Eintracht u. geschützt durch ihre Gebirge im Norden, konnten sie sich des eroberungssüchtigen Königs Krösos von Lydien erwehren; aber sodann am Xanthos geschlagen, kamen sie unter persische Hoheit; nach dem Sturz des Perserreiches durch Alexander den Großen wurde L. zu Syrien geschlagen; nach der Besiegung des Antiochos schenkten die Römer 123 v. Chr. L. den Rhodiern, aber nach dem Macedonischen Kriege nahmen sie denselben das Land wieder u. gaben ihm die Freiheit. Die Lykier führten nun ihre alte Verfassung wieder ein; der Bund zählte 23 Städte, von denen Xanthos, Patara, Pinara, Olympos, Myra u. Tlos die angesehensten waren; diese sechs Städte schickten ke drei, die mittleren je zwei u. die kleinen se einen Abgeordneten zu dem allgemeinen Landtage, auf welchem allgemeine öffentliche Angelegenheiten berathen wurden; die Landtage wurden in verschiedenen Städten gehalten u. hier die Richter u. Staatsbeamteten gewählt; das Bundeshaupt hieß Lykiarches. Durch ihre streng beobachtete Neutralität in den Kriegen der Römer gegen die Asiaten bewahrten sie ihre Freiheit u. ihren Wohlstand bis zur Zeit der Bürgerkriege herab. Erst damals wurden sie von der aus Rom verdrängten republikanischen Partei heimgesucht u. Xanthos zerstört; dazu kamen innere Zerwürfnisse, u. Kaiser Claudius fügte L. als Provinz zum Römischen Reiche u. vereinigte es mit der Präfectur Pamphylien; erst Theodosios II. machte es zur eigenen Provinz mit der Hauptstadt Myra. Darnach theilte es das Schicksal des Byzantinischen Reiches. L. war früher von europäischen Reisenden wenig besucht (nur Clarke, Beaufort, Cockerill u. Leake haben Einiges veröffentlicht), bis durch Sir Charles Fellows, welcher seit 1838 das Land wiederholt durchforschte, die Aufmerksamkeit der Alterthumsforscher Englands, wie Deutschlands u. Frankreichs auf dasselbe gelenkt wurde; er entdeckte zahlreiche Überreste von Bauwerken, Sculpturen, Münzen u. Inschriften, welche die einstige hohe Culturstufe bekunden, auf welcher die Bewohner L-s standen; eine Menge derselben mit der Säule von Xanthos wurden nach London gebracht, wo sie im Britischen Museum aufgestellt sind. Vgl. Fellow, A Journal written during an excursion in Asia Minor, Lond. 1838; Discoveries in Lycia, ebd. 1840; Spratt u. Forbes, Travels in Lycia; ebd. 1847, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 644-645.
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