Stein [4]

[729] Stein (Stein zu Nassau), ein altes, der ehemaligen mittelrheinischen Reichsritterschaft angehöriges, reiches u. angesehenes Geschlecht, welches seinen Namen von der Burg zum Stein bei Nassau annahm, im Nassauschen reich begütert war u. gegenwärtig im Mannesstamm erloschen ist. Aus ihm wurde 1) Philipp, welcher 1476 als Amtmann in Nassau starb, in den Freiherrnstand erhoben. 2) Freiherr Karl Philipp, war kurmainzer Geheimerath u. Kämmerer, mit Henriette Karoline geb. Freiin Langwerth von Simmern vermählt u. st. 1729. 3) Heinrich Friedrich Karl, Freiherr vom u. zum S., geb. 25. Oct. 1757 in Nassau an der Lahn, studirte 1773–77 in Göttingen Jurisprudenz, war hierauf kurze Zeit am Reichskammergericht in Wetzlar, unternahm dann eine größere Reise durch einen Theil von Europa, wurde 1780 als Bergrath in Wetter in der Grafschaft Mark angestellt, 1782 bereits zum Oberbergrath befördert, erhielt 1784 die Oberleitung der westfälischen Bergämter u. wurde 1785 als preußischer Gesandter nach Aschaffenburg geschickt, um den Kurfürsten von Mainz zum Beitritt zum Fürstenbund zu bewegen. Nach Westfalen zurückgekehrt wurde er Geheimer Oberbergrath, 1793 Kammerdirector in Hamm, 1795 Präsident der märkischen Kriegs- u. Domänenkammer, 1796 Oberpräsident aller westfälischen Kammern u. erwarb sich um den Chausseebau u. die Forsten große Verdienste. Am 27. Oct. 1804 wurde er Minister des Accise-, Zoll- u. Fabrikdepartements; aber Zwistigkeiten mit dem Cabinet hatten im Jan. 1807 seine Entlassung zur Folge, worauf er nach Nassau ging. Nach dem Tilsiter Frieden (im Juli 1807) wieder angestellt, wurde er 1808 dirigirender Minister u. wirkte hier mit Scharnhorst u. Gneisenau für die künftige Befreiung Deutschlands u. Preußens u. für liberale Institutionen. Gleiche Ansprüche aller Staatsbürger ohne Unterschied des Standes auf alle Staatsstellen, Gewerbfreiheit, eine zweckmäßige Communalverfassung, bes. eine Stadtordnung (vom 19. Nov. 1808), Trennung der Justiz von der Verwaltung, Gleichheit vor dem Gesetz, Aufhebung der persönlichen Leibeigenschaft, Scheidung u. Ablösung der gutsherrlichen u. bäuerlichen Verhältnisse u. ähnliche Einrichtungen waren sein Werk. 1809 mußte er den Preußischen Staat, durch die Verhältnisse mit Frankreich gezwungen, verlassen, u. da sein Streben Deutschland vom Joche der Franzosen zu befreien u. seine Begünstigung des Tugendbundes dem Kaiser Napoleon durch einen aufgefangenen Brief S-s an den Fürsten von Wittgenstein verrathen wurde, nach Österreich gehen. S. lebte bis 1812 daselbst, begab sich dann nach Rußland zum Kaiser Alexander, dessen berathender Vertrauter er wurde, kehrte mit diesem nach Deutschland zurück, wirkte seit dem 21. Oct. als Präsident der Centralverwaltung aller eroberten u. vor der Hand herrenlosen Länder in Deutschland angestellt, höchst thätig zur Entwickelung der deutschen Streitkräfte mit, zog sich indeß, unzufrieden mit den, beim Pariser Frieden befolgten Grundsätzen u. seinem beschränkten Wirkungskreise, 1815 von den Staatsgeschäften zurück u. lebte auf seinen Gütern zu Kappenberg in Westfalen, wo er den Grund zu den Monumenta historica Germaniae (Hannover 1826 ff.) legte. 1827 ernannte ihn der König von Preußen zum Mitglied des Staatsraths. Auch bekleidete S. die Stelle eines Landtagsmarschalls beim ersten Westfälischen Landtage u. gab 1827 u. 1828 zu Münster eine Darstellung der Verhandlungen desselben heraus. S. war[729] seit 1793 mit Wilhelmine geb. Gräfin Wallmoden-Gimborn vermählt u. st. 29. Juni 1831 auf seinem Gute zu Kappenberg als der Letzte seines Geschlechts, nur von drei Töchtern überlebt. Er schr.: Denkwürdigkeiten über deutsche Verfassungen, herausgegeben von Pertz, Berl. 1848; vgl. Leben des preußischen Staatsministers vom S., Lpz. 1841, 2 Thle.; Pertz, Das Leben des Ministers vom S., Berl. 1849–54, 6 Bde.; Derselbe, Aus S-s Leben, ebd. 1856, 2 Bde.; Sigm. Stern, S. u. sein Zeitalter, Lpz. 1855; E. M. Arndt, Meine Wanderungen u. Wandelungen mit dem Freiherrn vom S., Berl. 1858; W. Bauer, Das Leben des Freiherrn vom S. (nach Pertz), Gotha 1860; Aline von Schlichtkrull, S., eine Biographie fürs Volk, Berl. 1862.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 729-730.
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