Nürnberg

Nürnberg
Nürnberg

[312] Nürnberg war durch seinen Handel, Kunst- und Gewerbfleiß eine der mächtigsten und berühmtesten von den freien Reichsstädten Deutschlands, und ist seit 1806 durch dieselben, wenn auch in geringerem Grade behaupteten Vorzüge, eine der angesehensten Städte des Königreichs Baiern und dessen erster Fabrik- und Handelsplatz.

Es liegt in einer ziemlich ebenen, sandigen, aber trefflich angebauten Gegend, wird von dem Pegnitzflusse in zwei fast gleiche Hälften getheilt, von welchen nach den beiden Hauptkirchen die nördl. die Sebaldus-, die südl. die Lorenzseite heißt und zählt mit den Vorstädten Wöhrd, St.-Johann und Gostenhof über 40,000 Einw., welche sich mit Ausnahme von etwa 4000 Katholiken und wenigen Juden zum protestantischen Glauben bekennen. Der Umfang der Stadt innerhalb der dieselbe umgebenden, mit vielen Thürmen versehenen, alten Stadtmauern und des Stadtgrabens beträgt 11/2 St.; letzterer und der Raum zwischen den beiden Stadtmauern wird jetzt meist zu Gärten, Vergnügungsorten und andern Zwecken benutzt. Die Straßen sind bis auf wenige unregelmäßig und selbst etwas uneben, was aber in der allgemeinen Ansicht bis auf die gegen Nordost am Flusse steil aufragende Höhe verschwindet, auf welcher das merkwürdige alte Schloß, die ehemalige deutsche Reichsfeste oder Kaiserburg thront, wo die deutschen Kaiser während ihres Verweilens zu N. residirten. Sie besteht aus vielen, zu verschiedenen Zeiten nach Bedürfniß und andern vorwaltenden Umständen unregelmäßig errichteten Gebäuden, deren ältestes der wenigstens aus dem 11. Jahrhundert herrührende, sogenannte Heidenthurm ist, in dem sich zwei Kapellen über einander befinden. Von einer uralten Linde im Schloßhofe geht die Sage, daß sie von d.h. Kunigunde, der Gemahlin des 1024 gestorbenen Kaisers Heinrich II., mit eigner Hand gepflanzt worden sei. Ein Theil des Schlosses ist jetzt zur Wohnung des Königs und der Königin von Baiern eingerichtet und im andern befindet sich eine Malerschule und Gemäldesammlung. Durch einen kleinen Zwischenraum davon getrennt, liegt in gleicher Höhe mit der Burg die sogenannte Kaiserstallung, ein großes, an beiden Enden mit zwei Thürmen versehenes Gebäude, deren einer Luginsland, der andere der fünfeckige Thurm von seiner Form heißt und wahrscheinlich das älteste Gebäude von N. ist, wenn er auch nicht von den Römern erbaut wurde, wie die Sage behauptet, welche ihn nach dem Nero Claudius Drusus, Bruder des Kaisers Tiberius, den Nerothurm nennt. Auch die meisten Privathäuser N.'s sind alterthümlich, zum Theil aber schön gebaut und bewahren auch im Innern, gleich den alten öffentlichen Gebäuden, die Spuren einer längst vergangenen Zeit. Überall begegnet das Auge alterthümlichen Erkern, Giebeln, Thürmen und Thürmchen und der nachstehend, mit dem ihn zierenden, 60 F. hohen, von 1822 [312] bis 1824 wiederhergestellten schönen Brunnen abgebildete Theil des großen Hauptmarktplatzes trägt diesen Charakter ganz besonders. Durch Bauart und Kunstwerke sind ausgezeichnet: die ebenfalls am Markt gelegene, zierliche Marienkirche, von 1355–61 an die Stelle einer abgebrochenen Synagoge erbaut; das 275 F. lange Rathhaus, welches zu den ansehnlichsten in Deutschland gehört, dessen vorderer Theil von 1616–19 aufgeführt wurde und das außer andern Merkwürdigkeiten an der Decke der nach dem Hofe gehenden Galerie die Darstellung eines 1446 gefeierten Gesellenstechens in erhabener Arbeit, sowie im großen Saale Gemälde von A. Dürer und Andern enthält; die Sebalduskirche aus dem 14. Jahrh. mit dem von P. Vischer (s.d.) und seinen fünf Söhnen in Erz gegossenen, mit den Bildern der 12 Apostel und andern Statuen gezierten Grabmal des h. Sebaldus, an dem jedoch der mit Gold- und Silberblech überzogene Sarg von älterer Arbeit ist; die hier dargestellte Lorenz- oder Laurentikirche, die größte und schönste in N., 312 F. lang und 106 F. breit, deren einer Thurm mit vergoldetem Blech gedeckt ist und deren reich und künstlerisch geschmückte Hauptpforte erst 1824 zwei neue, mit schöner Bildschnitzerarbeit gothisch verzierte Thüren erhielt; im neuen Geschmack ist die 1711–18 wieder aufgebaute Ägidienkirche neben der am Ägidienplatze das Gymnasium liegt, vor welchem 1826 bei Gelegenheit der 300jährigen Jubelfeier desselben die von Burgschmid verfertigte Statue Melanchthons aufgestellt wurde, welcher bei der Gründung desselben mitwirkte. Der Johanniskirchhof ist durch die Gräber des als Mathematiker und Seefahrer berühmten Ritters Martin Behaim, gest. 1506, welcher großen Antheil an den Entdeckungen der Portugiesen zur See hatte, des großen Künstlers A. Dürer (s.d.) und des Hans Sachs (s.d.) merkwürdig. Die wichtige Stadtbibliothek befindet sich bei der Prediger- oder Dominikanerkirche; ein städtisches Conservatorium für Alterthümer und nürnberg. Kunstwerke ward 1824 errichtet und viele Privatleute besitzen noch ansehnliche Kunstsammlungen; [313] Bildung und Gemeingeist erhalten durch viele Bildungs- und Wohlthätigkeitsanstalten und Vereine für wissenschaftliche und gemeinnützige Zwecke Beförderung. Der Gewerbfleiß liefert noch einen großen Theil der unter nürnberger Waaren begriffenen, unzähligen Artikel von Messing, Stahl und Eisendrath, Drechslerwaaren, Rothschmiedearbeiten, Spiegel, Dosen, Saiten, musikalische und mathematische Instrumente u.s.w.; die sonst hier betriebene Verfertigung hölzerner Kinderspielwaaren hat sich jedoch meist nach dem Thüringerwald und andern Orten gezogen; wichtig ist auch der Speditions- und Wechselhandel. Zwischen N., das auch eine Bank besitzt, und dem zwei Stunden entfernten, ebenfalls sehr betriebsamen und von 16,000 Einw., darunter viele Juden, bewohnten Orte Fürth kam 1835 die erste mit Dampfwagen befahrene Eisenbahn in Deutschland zu Stande. – N. wird urkundlich zuerst 1050 erwähnt, erhielt 1219 seinen ersten Freiheitsbrief, ward durch die vielseitige Betriebsamkeit seiner Einwohner im 14. und 15. Jahrh. einer der wichtigsten Handelsplätze Deutschlands, sodaß damals das Sprüchwort entstand: »Nürnberger Hand geht durch alle Land«. Der Wohlstand der Stadt und ihrer damals weit zahlreichern Bevölkerung als jetzt, erlaubte zugleich die Pflege der Künste, und es konnte sich im 16. Jahrh. keine deutsche Stadt darin mit N. messen, das auch in der allgemeinen Geschichte der Kunst eine vorzügliche Stelle einnimmt. Nachdem aber in Folge des entdeckten Seewegs nach Ostindien und der Vervollkommnung der Schiffahrt die mit dem S. und jenen fernen Gegenden von nördl. Europa zeither über N. und Italien bestandenen Handelsverbindungen aufhörten, sank allmälig der Flor N.'s, das auch vom dreißigjährigen Kriege hart betroffen wurde und endlich 1806 nebst seinem ganzen Gebiete von 23 ! M. mit 40,000 Einw., durch die Rheinbundsacte mit voller Souverainetät an Baiern kam. Früher Hauptstadt des Rezatkreises, ist sie nach der neuesten Eintheilung von Baiern die des Kreises Mittelfranken und hat in der jüngsten Zeit fortwährend an Wohlstand zugenommen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 312-314.
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