Schierling

Schierling
Schierling
Schierling

[70] Schierling werden verschiedene giftige Pflanzen genannt, welche an Kraut und Wurzel Ähnlichkeit mit Petersilie und Pastinake haben, daher mit diesen leicht verwechselt werden können und so Vergiftungen der schrecklichsten Art zur Folge haben.

Am häufigsten bezeichnet man als Schierling im Allgemeinen den nachstehend abgebildeten Fleckenschierling (lat. Conium maculatum), dessen Kraut in den Apotheken als Herba cicutae gehalten wird und in der Medicin Anwendung findet. Derselbe ist ein zweijähriges Doldengewächs, das in allen Gegenden Deutschlands an unbebauten, trocknen, öden Stellen, an Schutthaufen, verfallenem Gemäuer, sowie an Wegen, Gräben, Dämmen wächst und durch den ausfallenden Samen sich ziemlich schnell vervielfältigt. Er hat eine weißliche, spindelförmige Wurzel mit wenigen oder gar keinen Aesten, die in fettem Lande 8–10 Zoll lang wird, gewöhnlich aber nur die Dicke eines Daumens erlangt, unten sich spaltet und einige Seitenfasern hat. In der Jugend enthält sie einen milchweißen Saft und hat einen süßlichen, nachher jedoch [70] scharf werdenden Geschmack. Die Pflanze hat einen 4–6 F. hohen Stengel, der hohl, glatt, etwas gefurcht und roth oder bräunlich gefleckt ist. Unten stehen dreifache, oben doppelt gefiederte Blätter, die Blättchen sind lanzettförmig, lappig gezähnt, auf beiden Seiten glatt, oben dunkelgrün und wenig glänzend, unten blaß. Wenn man sie reibt, so haben sie einen eigenthümlichen widerlichen Geruch, und der Geschmack ist süßlich, scharf und ekelhaft. Einzelne Pflanzen zeigen jenen eigenthümlichen Geruch nur sehr schwach oder gar nicht. Die ganze Pflanze enthält ein narkotisches Gift, Coniin genannt. Ist die Vergiftung noch nicht allzu stark, so tritt Trockenheit des Halses mit Durst ein, darauf Schwere der Zunge, Gefühl von Zusammenschnürung im Schlunde, Übelkeit, Leibschmerz, schwaches Austreiben des Unterleibes, Zudrang des Blutes nach dem Kopfe, nach Brust und Unterleib, Schwäche und Mattigkeit in den Gliedmaßen, langsamer Puls, bläuliche Farbe der Haut, starker Schweiß, oft verbunden mit Zucken, Entstehung von Bläschen und roseartiger Entzündung, Eingenommenheit des Kopfes, Schläfrigkeit, Schwinden der Sinne, langsameres Athmen, Angst. Je stärker die Vergiftung war, in desto höherm Grade treten diese Erscheinungen auf. Die Trockenheit, Spannung und Steifheit der Zunge wird stärker, es tritt Erbrechen und Purgiren ein, verbunden mit Leibschmerzen und starker Aufschwellung des Unterleibes; der Kranke bekommt Flimmern vor den Augen, die Pupillen erweitern sich, das Gesicht wird aufgetrieben, livid, die Halsadern strotzen von Blut, die Sinne vergehen, die Glieder sind unbrauchbar oder von Krämpfen ergriffen, Athmen, Sprechen, Schlucken werden immer schwerer, der Puls langsamer, bis Betäubung, Lähmung und endlich der Tod eintritt. Merkwürdig ist, daß, wie es scheint, mehre Thiere den Schierling ohne Nachtheil in großer Menge verzehren können. Der Unglückliche, welcher mit Schierling vergiftet ist, muß zunächst und sobald als möglich ein Brechmittel einnehmen, wobei zugleich Klystiere aus Leinsamenabkochung mit Essig und Baum-oder Leinöl angewendet werden. Nachdem durch diese Mittel die genossenen Schierlingstheile aus dem Körper entfernt worden, trinkt der Patient Wasser oder Grützschleim mit Essig oder Citronensaft und dazwischen schwarzen Kaffee. Auf den Kopf müssen fleißig Umschläge von kaltem Wasser gemacht und Arme und Füße müssen öfter mit warmem Essig gerieben werden. Dauert die Betäubung fort, so kommen Aderlässe und bei Schmerzen im Unterleibe Blutegel in Anwendung. Jedenfalls wird man so schleunig als möglich die Hülfe eines Arztes suchen Man wendet den Fleckenschierling in der Medicin als Extract gegen Drüsenkrankheiten innerlich und als Pflaster gegen scrophulöse Geschwüre, Drüsenverhärtungen, Knoten, Hühneraugen u. dgl. äußerlich an. – Eine andere, hier abgebildete Art des Schierlings ist der kleine Schierling, auch Gleiß oder Hundspetersilie (lat. Aethusa cynapium) genannt, die beinah überall in Deutschland, auf bebautem Lande, namentlich in Gärten, wildwachsend vorkommt. Sie hat glatte, schwarzgrüne, unten stärker glänzende Blätter mit eingeschnittenen strichförmigen Blättchen. Die Wurzel ist spindelförmig, der Stengel steht aufrecht, hat viele Äste und ist glatt gestreift. Die Blattstiele kommen [71] aus gestreiften, am Rande häutigen, an der Spitze zweifach gezähnten Scheiden hervor; der Geruch ist schwach und widerlich, aber anders als der Geruch des gefleckten Schierlings. Dieser kleine Schierling wirkt ähnlich wie der gefleckte und die durch ihn vergifteten Personen sind demgemäß zu behandeln. – Der Wasserschierling oder Wütherich (lat. Cicuta virosa) findet sich vorzüglich in der Nähe von Wasser. Er hat sehr große, glatte, dreifach gefiederte, glänzende, dunkelgrüne Blätter. Der Stengel ist rund, glatt, etwa zolldick, hohl, mit seinen Linien weiß und röthlich gestreift und mit Knoten versehen. Die Wurzel ist dick, hohlzellig, im Frühlinge und Sommer knollig und der Selleriewurzel ähnlich, dagegen im Herbst und Winter länglich und der Petersilienwurzel ähnlich. Wurzel und Stengel enthalten einen milchigen Saft. Der Geruch ist dillähnlich, betäubend, der Geschmack anfangs petersilienartig, hintennach scharf. Die Wirkungen des Wasserschierlings sind noch viel heftiger als die des fleckigen, übrigens aber in den Erscheinungen ähnlich und in derselben Weise zu behandeln.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 70-72.
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