Deutsche Musik

[349] Deutsche Musik. Die Musik erreichte in Deutschland und Italien die höchste Ausbildung. Wie der ursprüngliche deutsche Volksgesang beschaffen war, wissen wir nicht; die Ausbreitung des Christenthums brachte auch den Kirchengesang nach Deutschland, der in den Klöstern, namentlich zu Fulda und St. G allen, fördernde Pflege fand. Daß es sch on in dieser Zeit und um so mehr in späterer eine Menge deutscher kirchlicher Lieder gab, die von dem Volke gesungen wurden, sieht man aus den Chronisten; eben so gewiß ist es aber, daß die meisten derselben im 14. und 15. Jahrh. verloren gegangen sind. Der Gebrauch der Instrumente stammt aus Italien, der des Contrapunkts aus den Niederlanden, die Ausbildung der Orgel jedoch durch die Erfindung des Pedals (1470) geschah in Deutschland. Von dem weltlichen Gesange, den Melodien der Minne- und Meistersänger wissen wir sehr wenig. Die d. Kirchen-M. bildete sich im 15. Jahrh. bereits so aus, daß sie zahlreiche Componisten aufzuweisen hatte, als die Reformation ihrerseits den Choral fast ausschließlich zum Kirchengesange erhob. Das Elend des 30jähr. Krieges brachte auch für diese Richtung einen Stillstand, und zugleich drang fremde Musik in Deutschland ein; 1627 wurde die italienische Oper eingeführt und die Oper galt von da an als unumgängliches Erforderniß zu einer glänzenden Hofhaltung; dies bewirkte indessen doch so viel, daß die Deutschen den Fremden in Compositionen nacheiferten und sich eine Virtuosität in der Behandlung der Instrumente erwarben. Die Oper selbst blieb noch lange ein fremdes Gewächs in Deutschland; dagegen erhielt die Kirchen-M. durch Seb. Bach und Händel eine Ausbildung, wie sie seit Palestrina nicht mehr erlebte, verflachte sich jedoch wieder vollständig im Laufe des vorigen Jahrh. Von da an aber schwang sich die d. M. in allen andern Richtungen zur klassischen Höhe empor, welche durch Haydn, Mozart und Beethoven charakterisirt ist; diese drei Meister gehören Wien ausschließlich oder in der Periode ihrer glänzendsten Wirksamkeit an, ein Beweis, daß Wien für die d. M. der Mittelpunkt war, wo sich zu ihrer Ausbildung alle günstigen Verhältnisse vereinigten. Seitdem hat sich die Kunst nicht erschöpft, wie die Namen Spohr, [349] Weber, Franz, Schubert, Mendelssohn-Bartholdi, Schumann, Wagner, Lindpaintner, Drobisch, Schmidt etc. beurkunden; neuere Componisten jedoch haben sich von dem eigenthümlichen Charakter der d. M. entfernt, indem sie die Darstellung eines besondern Gefühles dem Spiele in schönen Formen opferten. – In der Tanzmusik hat sich Süddeutschland, namentlich Bayern, Steyermark, Oesterreich und Böhmen von jeher durch seinen Reichthum an Melodien ausgezeichnet und in neuester Zeit haben die Tänze der Oesterreicher Strauß und Lanner allgemeine Verbreitung errungen. Auch die Militärmusik hat sich besonders in Oesterreich entwickelt und ausgebildet; österreichische und überhaupt deutsche Märsche werden jetzt in der ganzen Welt gespielt. An musikalischer Ausbildung übertrifft das deutsche Volk unstreitig jedes andere; nirgends in der Welt gibt es so viel Musikfeste, Gesangvereine etc. als in Deutschland, nirgends so viele Componisten von Liedern, und die Triumphe, welche der Kölner Männergesang in Belgien und England gefeiert hat, beweisen, daß auch die Ausländer die musikalische Virtuosität der Deutschen anerkennen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 349-350.
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