Cherbourg

[5] Cherbourg (spr. schǟrbūr), Arrondissementshauptstadt und Kriegsplatz ersten Ranges im franz. Depart. Manche, liegt an der Mündung der Divette in den Kanal, an einer flachen Bucht der Nordküste der Halbinsel Cotentin (s. Lageplan), ist Endpunkt der Westbahnlinie Mantes-C. u. wichtig als der stärkste Kriegshafen Frankreichs, der 1858 nach mehr als 60jähriger Arbeit und einem Kostenaufwand von 200 Mill. Frank vollendet ward. Die Stadt zerfällt in die alte bürgerliche und die neue militärische Stadt. Jene gruppiert sich um die Mündung der Divette und hat hinter sich eine Reihe schöner, teils felsiger, teils mit Wald bedeckter Hügel und Talmulden. Nordwestlich von ihr erstreckt sich die militärische Stadt, die den Kriegshafen umfaßt und auf der Landseite von einem Graben und einer 5 km langen Linie von Befestigungen umgeben ist. Unter den bürgerlichen Gebäuden Cherbourgs sind hervorzuheben: die Kirche Ste. – Trinité (um 1450 erbaut, neuerlich restauriert), das Stadthaus (mit der Gemäldesammlung Musée Henri, nebst einem Münzkabinett, einer Naturaliensammlung und einer Bibliothek), das Hospital (von 1862) u. a. Auf dem Platz vor dem Stadthaus steht eine Reiterstatue Napoleons I., im öffentlichen Garten ein Denkmal des Malers Millet. C. hat ein Lyzeum, ein Collège, eine Marineschule, eine Börse, ein Theater, eine städtische und eine Marinebibliothek und (1901) 42,903 Einw., die vorzugsweise Schiffbau, Eisengießerei, Fabrikation von Wirkwaren, Chemikalien, Spinnerei und Gerberei sowie regen Handel treiben; es ist Sitz eines Marinepräfekten, eines Handels- und eines Seegerichts, einer Handelskammer und zahlreicher Konsuln. C. hat auch eine besuchte Seebadeanstalt.

Lageplan von Cherbourg
Lageplan von Cherbourg

Der Kriegshafen besteht aus drei großen, miteinander in Verbindung stehenden Bassins, die zusammen eine Fläche von 22 Hektar bedecken und 40 der größten Schiffe aufnehmen können. Der äußern Reede zunächst und mit derselben durch einen 64 m[5] breiten Kanal verbunden, liegt der Vorhafen, nördlich von diesem und mit ihm durch eine Schleuse zusammenhängend, befindet sich das Flutbassin, und daneben im W. erstreckt sich der Hinterhafen, der sowohl mit dem Flutbassin als mit dem Vorhafen durch Schleusen verbunden ist. Um diese Häfen, besonders aber um den Hinterhafen, gruppieren sich die Wasserdocks, Werften, Zeughäuser, Magazine, riesenhafte Werkstätten, Maschinenbauanstalten, Ketten- und Ankerschmieden und alle sonstigen Etablissements, die zum Neubau, zur Ausrüstung und zur Verproviantierung von Kriegsschiffen dienen. Die Reede oder der Außenhafen, der zur Ebbezeit 12–13 m Wasser hat, aber in hohem Grade der Versandung unterliegt, ist im N. durch einen Damm gegen den Andrang des Meeres geschützt und hat eine Fläche von 1500 Hektar. Der Steindamm, gebildet von aufgeschütteten Quadern, die oben mit behauenen Steinen übermauert sind, ist 3606 m lang, an der Basis 200, an der Krone 9 m breit und hat allein 67 Mill. Frank gekostet. Sieben Leuchttürme erhellen Hafen und Reede. C. ist sehr stark befestigt. Auf dem Damnt der Reede stehen drei mit den schwersten Geschützen ausgestattete Forts, ein zentrales, ein Ost- und ein Westfort, zwischen denen fortlaufende Reihen von Batterien angebracht sind. Die Osteinfahrt (500 w) in die Reede wird außer durch das Ostfort des Dammes durch die gegenüberliegende stark befestigte Insel Pelée (s.d.), die westliche Einfahrt (1000 m) durch das in ihrer Mitte auf einer Klippe gelegene Fort Chavagnac und durch das Fort Querqueville beherrscht. Sowohl das Fort Chavagnac als die Insel Pelée bringt man neuerdings durch Dammbauten mit dem Festland in Verbindung. Eine zweite Reihe von Befestigungswerken liegt um den Kriegshafen und die Stadt, darunter das Fort Homet und das Fort des Flamands. Auf den Höhen hinter der Stadt endlich liegt eine Reihe von Festungswerken, die C. gegen die Landseite verteidigen, aber auch die Reede beherrschen, darunter die Forts des Couplets, d'Octeville und du Roule. Der Handelshafen, an der Mündung der Divette, besteht aus einem Außenhafen und einem 406 m langen und 127 m breiten Bassin; ersterer hängt mit dem Meer durch einen 600 m langen Kanal zusammen. Der Schiffsverkehr belief sich 1901 auf 1893 eingegangene und 1847 ausgegangene Schiffe mit 1,643,370, bez. 1,644,017 Ton. Einfuhrartikel sind: Holz, Getreide, Mehl, Kohle und Kolonialwaren; zur Ausfuhr gelangen: Vieh, Butter, Eier, Baumaterialien. Regelmäßige Dampfboote gehen nach Havre, Guernsey, Southampton; auch laufen die Dampfer der Linien Hamburg- und Bremen-New York, Hamburg-Brasilien und Hamburg-Valparaiso, Southampton-Buenos Aires u. a. C. an.

Geschichte. Die Sage läßt C. schon von Cäsars Legaten Sabinus angelegt und danach Caesaris Burgum genannt sein, während andre das alte Coriallum für C. halten. In der Geschichte erscheint es zuerst als Carusbur unter Wilhelm dem Eroberer, durch den es an die englische Krone kam, die es bis um 1200 behauptete. 1418 eroberten es die Engländer von neuem. Erst 12. Aug. 1450 ergab es sich endgültig den Franzosen. Karl VII. verstärkte die Festungswerke bedeutend. Ludwig XIV. wollte C. zu einem sichern Kriegshafen und zum Schlüssel des Kanals, England gegenüber, machen. Ludwig XVI. nahm den Plan wieder auf und erweiterte ihn, aber erst Ende 1853 war der Kriegshafen fertig. Gleichzeitig wurde eifrig an den Landbefestigungen gearbeitet, die 1858 vollendet wurden. Vgl. Viaud u. Fleury, Histoire de la ville et du port de C. (Rochefort 1845, 2 Bde.); »Les ports maritimes de la France«, Bd. 3 (Par. 1878).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 5-6.
Lizenz:
Faksimiles:
5 | 6
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

Der grüne Kakadu. Groteske in einem Akt

In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.

38 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon