Hof [3]

[413] Hof (lat. Curia, Aula, franz. Cour, engl. Court) war ursprünglich der von den Gebäuden eines Gutes umschlossen e freie Platz, auf dem sich die Gefolgschaft des Gutsherrn versammelte, dann diese Gefolgschaft selbst; ferner Bezeichnung für die Residenz eines Fürsten (Hoflager) sowie für den Fürsten selbst mit seiner Familie und Umgebung. Im Altertum fielen die Obliegenheiten der Hofbeamten regelmäßig mit solchen von Staatsdienern zusammen, so unter den römischen Cäsaren, bei denen die hohen Militärbefehlshaber zugleich die unmittelbare Umgebung und den Hofstaat des Kaisers bildeten. Besonders verwickelt war die Hofhaltung in Byzanz, die vielfache Nachahmung fand. Im Deutschen Reich waren die Kurfürsten als Inhaber der Erzämter (s. d.) zugleich die ersten Hofbeamten des Kaisers; doch lief dies im wesentlichen auf eine bloße Titulatur hinaus, wie dies später auch in Ansehung der Erbämter (s. d.) des Reiches der Fall war. Die Höfe der Gegenwart sind zwar im ganzen gleichartig eingerichtet, im einzelnen aber ist die Gliederung des Hofdienstes, namentlich auch mit Rücksicht auf den Umfang der Hofhaltung, sehr verschieden. Die Hofbediensteten bilden zusammen den Hofstaat des Fürsten; sie zerfallen in Hofbeamte und Hofdiener (Hofoffizianten), je nachdem es sich um den Ehrendienst bei dem Monarchen und seiner Familie und um die höhere Hofverwaltung oder nur um niedere Dienstverrichtungen handelt. Die höhern Hofbeamten sind die Inhaber der eigentlichen Hofämter (Hofchargen, Hofstäbe), während die übrigen nur Ehrendienste verrichten (Kammerherren, Kammerjunker). Die Hofämter werden regelmäßig nur von Adligen bekleidet, wie früher überhaupt der Adel die notwendige Voraussetzung der Hoffähigkeit (Courfähigkeit), d. h. der Befugnis, bei Hofe zu erscheinen, war, während jetzt auch die höhern Staatsbeamten und Offiziere hoffähig sind und auch hervorragende Gelehrte und Künstler, Mitglieder der parlamentarischen Körper etc. Einladungen zu Hofe erhalten. Die Hofrangordnung (s. d.) bestimmt die Rangfolge der bei Hofe erscheinenden Personen. Ein besonderes Hofzeremoniell (Hofetikette) wird an den Höfen aufrecht erhalten, zu dessen Wahrung besondere Beamte (Zeremonienmeister) bestellt sind (s. Zeremoniell). Auch ist zum Erscheinen bei Hofe eine Hofkleidung erforderlich, die bei besondern Gelegenheiten, namentlich bei Hoftrauer, im einzelnen vorgeschrieben wird.

Sämtliche Hofbeamte sind regelmäßig dem Minister des fürstlichen Hauses (Hausministerium) unterstellt, so namentlich in Preußen, wo ihm zunächst das Heroldsamt für Standes- und Adelssachen, das königliche Hausarchiv und die Hofkammer der königlichen Familiengüter untergeordnet sind. Unter dem Hausminister stehen die Hofchargen, die in Preußen in oberste, Ober- und einfache Hofchargen eingeteilt werden. Oberste Hofchargen sind: der Oberstkämmerer, der Oberstmarschall, der Oberstschenk, der Obersttruchseß und der Oberstjägermeister. Oberhofchargen sind: der Obermundschenk, der Oberschloßhauptmann und Intendant der königlichen Gärten, der Oberhof- und Hausmarschall, Oberstallmeister, der Oberzeremonienmeister, der Obergewandkämmerer (grandmaître de la garderobe), der Oberjägermeister, die Vize-Oberhofchargen, darunter der Generalintendant der königlichen Schauspiele. Hofchargen sind: die Schloßhauptleute, die über die königlichen Schlösser gesetzt sind, die Zeremonienmeister und die Hofjägermeister. Zum Hofstaat gehören ferner der Generalintendant der königlichen Hofmusik, der Leibarzt, die Schatullverwaltung und Privatkanzlei. In Österreich umfaßt der H.: oberste Hofämter, nämlich Obersthofmeister, Oberstkämmerer, Obersthofmarschall und Oberststallmeister, ferner die Garden, nämlich den Oberst sämtlicher Leibgarden, die Kapitäne der Arcierenleibgarde, der ungarischen Leibgarde, der Trabantenleibgarde, Leibgarde-Infanteriekompagnie und der Leibgarde-Reitereskadron, endlich die sogen. Hofdienste, Oberstküchenmeister, Oberstsilberkämmerer, Oberststabelmeister, Oberstjägermeister, Oberzeremonienmeister. Das militärische Haus des Kaisers besteht aus den General- und den Flügeladjutanten sowie der Militärkanzlei und der Kabinettskanzlei. – Auch die Gemahlinnen der gekrönten Häupter haben ihren Hofstaat, der sich z. B. in Preußen bei der Kaiserin-Königin aus der Oberhofmeisterin,[413] den Palastdamen, dem Oberhofmeister, dem Leibarzt und dem Kabinettssekretär zusammensetzt, abgesehen von den niedern Chargen; ebenso die Prinzen und Prinzessinnen der fürstlichen Häuser. – Eigentümlich ist die Unterscheidung zwischen geistlichen und weltlichen Hofchargen bei dem päpstlichen Stuhl. Die obersten geistlichen Hofchargen sind hier die Kardinäle des Palastes: der Protodatarius (s. Dataria), der Sekretär der Breven, der Sekretär der Bittschriften, der Staatssekretär, dann die Prälaten des Palastes: Obersthofmeister und Palastpräfekt, Oberstkämmerer, Auditor, Großmeister des apostolischen Palastes; die weltlichen Hofchargen sind: der Großmeister des heiligen Hospizes, der Obersthofmarschall, der Oberststallmeister und der Generalpostmeister. Außer den geistlichen Oberhof- und Hofchargen kommen dann noch die obersten Erbämter (die beiden Thronassistenten Fürsten Colonna und Orsini und der Marschall der römischen Kirche und Hüter des Konklave Fürst Chigi), ferner die Führer der päpstlichen Leibgarden hinzu (vgl. das Jahrbuch »Gerarchia cattolica«). Schon im Mittelalter wurde den Fürsten die päpstliche Erlaubnis erteilt, sich eigne Hofgeistliche, sogen. Hofbeichtväter, halten zu dürfen, wie sie sich auch schon früher besondere Hofkirchen gegründet hatten. Die Stellen dieser Beichtväter wurden zumeist mit Jesuiten besetzt, die nicht selten den bedeutendsten Einfluß zu erlangen wußten. Die protestantischen Fürsten stellten dann an ihren Hofkirchen Hofprediger oder Hofkapläne an. Vgl. Malortie, Der Hofmarschall (3. Aufl., Hannov. 1866); »Zeremonialbuch für den königlich preußischen H.« (von Graf Stillfried, Berl. 1871–1877, 12 Tle.); dann den »Gothaischen genealogischen Hofkalender«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 413-414.
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