Rhodos

[885] Rhodos (ältere Namen sind Ophiusa, Asteria, Trinakria und Korymbia), östlichste Insel des Ägäischen Meeres (s. Karte »Kleinasien«), 18 km von der kleinasiatischen Küste (Karien) entfernt, 1460 qkm, vorwaltend aus tertiärem Kalkstein und Flysch aufgebaut, ist stellenweise zwar rauh und felsig, aber gut bewässert und im allgemeinen fruchtbar (besonders Fruchtbäume, weniger Getreide), obwohl jetzt nur teilweise angebaut, trotz aller Raubwirtschaft noch fast zu einem Drittel bewaldet, und wird von einem Hauptbergrücken (mit dem 1240 m hohen Atabyrios) durchzogen. Hauptort der Insel war im Altertum (s. Karte »Altgriechenland«) die Stadt R., an der Nordostspitze, stark befestigt und mit doppeltem Hafen versehen. Unter den zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Kunstwerken derselben wird als eins der sieben Weltwunder die kolossale, dem Helios geweihte eherne Statue, die in der Nähe des Hafens stand, hervorgehoben. Von Chares um 290 v. Chr. vollendet, kostete sie 300 Talente und war 70 Ellen (32 m) hoch; nicht begründet aber ist die Angabe, daß dieser sogen. [885] Koloß von R. mit gespreizten Beinen über der Einfahrt des innern Hafens gestanden habe. Ein Erdbeben stürzte ihn schon 223 v. Chr. um, doch ward er von den Römern wiederhergestellt. 672 n. Chr. verkauften die Sarazenen die Trümmer an einen Händler, der 900 Kamelladungen damit füllte. Die andern ältern Städte waren Kameiros und Jalysos an der West- und Lindos an der Ostküste. Älteste Bewohner der Insel waren die Telchinen, aus Kreta eingewanderte Phöniker, zu denen sich Karer gesellten. Einen entscheidenden Einfluß übten aber erst die dorischen Einwanderungen aus, als deren Führer der Heraklide Tlepolemos und nach dem Trojanischen Krieg Äthämenes bezeichnet werden. Lindos, Ialysos und Kameiros bildeten nebst Kos, Knidos und Halikarnassos (später ausgeschlossen) die dorische Hexapolis, deren Mittelpunkt der Tempel des triopischen Apollon an der Küste von Karien war. Als seefahrendes Volk gründeten die Rhodier viele Kolonien, so auf den Balearischen Inseln, in Spanien Rhode, in Italien Parthenope, Salapia, Siris und Sybaris, auf Sizilien Gela, in Kleinasien Soloi, in Kilikien Gagä, in Lykien Korydalla. Politische Bedeutung erlangten sie aber erst, als jene drei Städte zu einem Bunde zusammentraten und auf der Nordspitze der Insel die neue Hauptstadt R. gründeten (408 v. Chr.), die stark befestigt wurde und einen durch große Molen gesicherten Hafen erhielt. Im Peloponnesischen Kriege traten die Rhodier, anfangs athenisch gesinnt, 412 zu den Peloponnesiern über. Zwar gelang es diesen, die bald darauf von der demokratischen Partei versuchte Umwälzung zu unterdrücken; dessenungeachtet fiel die Insel 394 bei dem Erscheinen Konons wieder den Athenern zu. Unter Alexander d. Gr. erhielt die Insel eine mazedonische Besatzung. Nach seinem Tode begann die eigentliche Blüte von R. Mannhaft verteidigten die Rhodier mit ihrer großen Kriegs- und Handelsflotte die Stadt gegen Demetrios Poliorketes (304), breiteten ihre Herrschaft sogar über die karischlykische Küste und mehrere Inseln aus, vermittelten den Verkehr zwischen den streitenden Großmächten und begründeten zuerst ein allgemein gültiges Handels- und Seerecht. Auch Künste und Wissenschaften blühten. Der flüchtige attische Redner Äschines gründete in R. eine Rednerschule, die von Römern viel besucht wurde. Nachdem die Insel als treue Bundesgenossin der Römer nach Besiegung des syrischen Königs Antiochos III. 189 Karien erhalten hatte, wovon ihr aber 168 bloß die Rhodische Peräa oder Chersonesos, die nächstgelegene Landzunge des Festlandes, blieb, und 42 v. Chr. von Cassius furchtbar verwüstet worden war, wurde sie 44 n. Chr. der römischen Provinz Asia einverleibt. Nach dem Verfall Roms kam R. 661 in die Hände des Kalifen Moawija, ward aber später von den Griechen wiedererobert. Nachdem diesen die Genuesen R. abgenommen hatten, versuchte Johannes Kantakuzenos vergeblich, die Insel ihnen 1249 wieder zu entreißen, was erst dem Theodor Protosebastos gelang. 1310 machten die aus Palästina vertriebenen Johanniter die Insel zu ihrem Wohnsitz (daher Rhodiserritter) und verteidigten sie vom Mai bis 28 Juli 1480 tapfer gegen Mohammed II. Nach der Eroberung der Insel durch Sultan Suleiman II. 21. Dez. 1522 siedelten diese 1527 nach Malta über; seitdem steht die Insel R. unter türkischer Herrschaft. Gegenwärtig bildet R. mit andern Inseln ein Sandschak des Inselwilajets. Die Bevölkerung nimmt durch Auswanderung ab und beträgt etwa 30,000 (hauptsächlich Griechen, dazu 4000 Mohammedaner, 300 Juden) in 43 Ortschaften. Hauptprodukte sind: Gerste, Sesam, Oliven, Wein, Feigen und Südfrüchte. Ein Drittel des Areals ist bebaut, zwei Drittel sind Öd- und Waldland. Wichtig ist die Ausfuhr von Sesam, Gemüse, Storaxharz, Feigen, Zwiebeln und Schwämmen. Die Einfuhr betrug 1900: 5,4 Mill. Mk., die Ausfuhr 1,9 Mill. Mk.; der auswärtige Handel liegt meist in österreichischen Händen. Die Milde des Kli mas und die reine Luft machen die Insel zu einem höchst angenehmen und gefunden Aufenthalt. Die Insel ward seit dem Altertum öfters von Erdbeben heimgesucht, in neuester Zeit namentlich im März 1851 und im Oktober 1856. Die Stadt R. ist der Sitz des Paschas und eines griechischen Erzbischofs, hat einige mittelalterliche Befestigungen, verwilderte Straßen (darunter die Ritterstraße, an deren Häusern noch vielfach die Wappen und Kreuze der Rhodiserritter). zwei kleine versandete Häfen (1899–1300: 357,226 Ton. Schiffsverkehr, vornehmlich durch österreichische, französische, griechische und türkische Dampferlinien vermittelt), Handel und 10,000 Einw. Die eigentliche Stadt ist ausschließlich von den Türken und Juden der Insel bewohnt; die Christen haben die neun Vorstädte inne, die Fremden und Konsuln wohnen in Neochori. Vgl. Berg, Die Insel R. (Braunschw. 1860–62, 2 Bde., mit 70 Radierungen); Schneiderwirth, Geschichte der Insel R. (Heiligenstadt 1868); Guérin, L'île de Rhodes (2. Aufl., Par. 1880); Biliotti und Cottret, L'île de Rhodes (Rhodus u. Par. 1881); Torr, Rhodes in ancient times (Cambridge 1885) und Rhodes in modern times (das. 1887); Selivanow, Topographie des alten R. (russ., Kasan 1892); van Gelder, Geschichte der alten Rhodier (Haag 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 885-886.
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