Rigi

[934] Rigi, der (in der Umgegend die R. genannt), Gebirgsstock in den schweizer. Kantonen Schwyz und Luzern, wegen seiner Aussicht weltberühmt. Er besteht wesentlich aus oligocänem Konglomerat (bunte Nagelfluh, häufig rot verwitternd, daher die Bezeichnungen Rotstock, Rotenfluh), an das sich nach SO. eocäne Schiefer, die Kreidegipfel des Viznauer Stocks (1456 m), der Hochfluh (1699 m) und des Urmibergs (1399 m) schließen. Einst mit dem nordöstlich von ihm gelegenen Roßberg eine Einheit bildend, ist er durch die Täler des Vierwaldstätter, Zuger und Lowerzer Sees sowie das Tal der Muota zu einer isolierten, mehr oder weniger breit-pyramidalen Gruppe umgestaltet worden mit einer Grundfläche von etwa 90 qkm. Nur am Umfang der Basis sind größere Siedelungen in elf Dörfern. Innerhalb ist die gewaltige Wirtschaftsfläche von 437–1800 m Höhe, aus Wald und Weiden (mit herrlicher voralpiner Flora) bestehend, mit etwa 200 Sennhütten und 4000 Stück Sommervieh. Weil die Nagelfluhschichten nach SO. fallen, hat die Gruppe einen nordwestlichen Steilabfall gegen Küßnacht und zeigen die Südwest- und Nordostseiten ausgezeichnete, nach den Hochalpen einfallende Verwitterungsterrassen, die der Gruppe den Namen gegeben haben (zum erstenmal urkundlich 1384 erwähnt »an Riginen«, von althochd. riga = Band, Stufe). Eine solche ist auch der mit Ufermoränen bedeckte, breite Seeboden (1030 m), auf dem sich die Wege von Küßnacht und Greppen schneiden. Der höchste Gipfel ist der Rigikulm (1800 m); auf ihm stehen zwei Gasthöfe (davon einer mit meteorologischer Station, seit 1861; Jahresmittel 2,04° Niederschläge 166,6 cm). Südwestlich davon liegt der Rotstock (1662 m), in der Einsenkung zwischen beiden der Staffel (1600 m) mit Gasthof; tiefer an seinem Abhang folgt Kaltbad (1441 m) mit großartigem Kurhaus, inmitten romantischer Anlagen, die zum Vorsprung des Känzeli (1470 m) führen; in dem nach Goldau-Arth sich öffnenden Gebirgstälchen liegt das Klösterli (1320 m), ein von Kapuzinern bewohntes Hospiz mit der Wallfahrtskirche Maria zum Schnee; auch wird daselbst jährlich ein Volksfest, die Sennenkilbe, gefeiert. Auch das Rigi-Klösterli hat zwei Gasthäuser. Nach O. folgen First (1462 m) mit Kuranstalt, Schild (1551 m), Dossen (1689 m),[934] dann der Viznauer Stock (1448 m) und die Rigi-Scheideck (1665 m), die als Rotenfluh nach N. steil abfällt, nach O. sich gegen den Lowerzer See abflacht. Auf Rigi-Scheideck befindet sich ebenfalls ein Kur- und Gasthaus, ferner eine botanisch-alpine Versuchsstation (von R. Stierlin-Hauser), in Verbindung mit dem agrikulturchemischen Institut des eidgenössischen Polytechnikums. Der R. kann von verschiedenen Seiten bestiegen werden; ein Fußgänger braucht 3–4 Stunden. Man rechnet die Gesamtzahl der jährlichen Rigigäste gegenwärtig auf ca. 120,000. Seit 1871 ist die Bergbahn (Zahnradbahn) Viznau-Kaltbad-Staffel-Kulm in Betrieb; dazu kamen 1875 eine ähnliche Bahn, Arth-Goldau-Klösterli-Staffel-Kulm, 11,17 km lang (die von beiden gemeinsam benutzte Strecke Staffelhöhe-Kulm gehört der letztgenannten Bahn), und 1874 eine Zweiglinie, Kaltbad-First-Scheideck, 7 km lang, auf der bei einer Maximalsteigung von 5 Proz. nur gewöhnliche Lokomotiven verwandt werden. Die erstere (und ebenso die zweite), fast übereinstimmend mit der Mount Washington-Bahn, ist eine Erfindung der Ingenieure Näss, Zschokke und Riggenbach. Die Linie Viznau-Kulm ist 7,02 km lang; die Niveaudifferenz beider Endpunkte beträgt 1308 m, die Steigung auf einem Drittel der Länge 25 Proz.; alle Kurven haben 180 m Radius. An der Rotenfluh geht die Bahn durch einen 75 m langen Tunnel und unmittelbar an dessen oberm Ausgang über das ebenso lange und 23 m tiefe Schnurtobel. Was den R. zu dem vielbesuchten Punkt gemacht hat, das ist die herrliche Rundschau, die nach O. den Bussen bei Biberach in Oberschwaben, in 190 km Entfernung, im W. die Dôle im Schweizer Jura umfaßt, im NO. bis zum Schwarzwald, im SW., S. und SO. bis zu den Berner, Unterwaldener und Urner Alpen sich erstreckt und 11 Kantone mit 13 Seen umfaßt. Die Geschichte des Rigibesuchs beginnt mit dem Kaltbad, einem zur Gemeinde Wäggis gehörigen Berggut, wo bei einer Quelle von 5° schon im 16. Jahrh. eine Kapelle und eine Einsiedelei bestanden. Auf der Arther Seite wurde 1689 das Klösterli der Kapuziner erbaut und in dem Kirchlein ein wundertätiges Madonnenbild aufgestellt. Seit der Mitte des 18. Jahrh. wurde der R. häufiger besucht; aber bahnbrechend wirkte erst das vortreffliche Panorama des Züricher Kartographen H. Keller, das er 1804–14 anfertigte. Sofort erstand auf Rigikulm eine Berghütte, 1816 schon ein Wirtshaus, auf Staffel ein solches 1817. Schon 1812 war im Kaltbad ein förmliches Kurhaus entstanden; Scheideck, ebenfalls im Besitz einer Heilquelle, wurde erst 1810 gebaut. Mit dem zunehmenden Touristenstrom vermehrten und erweiterten sich die Rigihäuser. Eine neue Periode begründeten dann die Eisenbahnen. Vgl. Rütimeyer, Der R., Berg, Tal und See (Baiel 1877); Türler, Der R. (Luzern 1893); Kaufmann in den »Beiträgen zur geologischen Karte der Schweiz«, Heft 11 (Bern 1872); Panoramen vom R. lieferten der genannte H. Keller (neu bearbeitet von Imfeld, Zürich 1878), G. Meyer (das. 1879), R. Stierlin (Luzern 1883). Ein plastisches Relief des R. in großem Maßstab (19 m lang) ist in Meyers Diorama zu Luzern aufgestellt; ein andres (1:1500) verfertigte A. Gull in Zug für die Landesausstellung in Genf 1896.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 934-935.
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