Trüffel

[755] Trüffel (Speisetrüffel, Tuber Mich.), Pilzgattung aus der Abteilung der Askomyzeten und der Familie der Tuberazeen, unterirdisch wachsende Pilze mit einem im Boden verbreiteten, auf Wurzeln nach Art von Mycorrhiza (s. d.) schmarotzenden Mycelium und ziemlich großen, knollenförmigen, festen, fleischigen Fruchtkörpern (Peridien), die nicht hohl, sondern auf dem Querdurchschnitt (s. Tafel »Pilze IV«, Fig. 1, und Tafel I, Fig. 9) durch marmorartige Adern in unregelmäßige, massive Kammern geteilt sind. Feine, dunkel gefärbte Adern gehen von der Peridie (bei a) aus und stellen die eigentlichen Kammerwände (bei b) dar, auf denen das stark entwickelte, braune, fruchtbare Gewebe (Hymenium) aufsitzt, während weiße Adern das zwischen dem Hymenialgewebe befindliche lufthaltige Füllgewebe der engen, gewundenen Kammern darstellen. In dem dicken Hymenialgewebe nisten zahlreiche große, runde oder eirunde Sporenschläuche (bei c) mit je 1–8 ordnungslos liegenden, kugeligen oder elliptischen, mit stachligem oder netzförmig gezeichnetem, gefärbtem Episporium versehenen Sporen. Die Peridie ist an der Oberfläche warzig oder glatt, im reisen Zustand schwarz oder braun. Die Gattung zählt ungefähr 50 europäische Arten, die besonders auf kalkhaltigem Boden in Frankreich, Italien, Deutschland, England, Rußland etc. vorkommen. Mit der Gattung Tuber sind die Gattungen Choiromyces Vittad. und Terfezia Tul. nahe verwandt; erstere unterscheidet sich durch innen weiße, seiner geaderte Fruchtkörper, langgestielte, einreihige Sporenschläuche und warzige Sporen. Die weiße T. (Choiromyces maeandriformis Vittad.) ist in Oberschlesien, Hessen-Nassau, Böhmen, Mähren, Ungarn, Siebenbürgen, Italien und Rußland nicht selten. Terfezia besitzt innen weiße Fruchtkörper mit ordnungslos gestellten Sporenschläuchen und stachligen Sporen; außerdem sind die Fruchtkörper bei beiden Gattungen außen glatt, bei der Mehrzahl der eßbaren Tuber-Arten dagegen warzig. Einige ebenfalls unterirdisch lebende Bauchpilze aus der Familie der Hymenogastrazeen, wie z. B. Arten von Octaviana, Leucogaster und Melanogaster, sind den Trüffeln an Wohlgeschmack fast gleich; diese werden mit den echten Tuberazeen als Hypogäen (Fungi hypogaei) zusammengefaßt. Die seit dem Altertum wegen ihres aromatischen Geruchs und Geschmacks und als Aphrodisiacum berühmten Trüffeln werden gebraten oder mit Rotwein gekocht und mit Butter genossen, auch als Bestandteil von Pasteten oder als Zusatz in Fleischspeisen, Brühen, Suppen etc. verwendet. Das Vorkommen der T. ist stets an die Anwesenheit von Bäumen gebunden. Wenn der Waldbestand abgetrieben wird, so verschwinden auch die Trüffeln; aber sie erscheinen nach Jahren an denselben Stellen wieder, wenn der Boden wieder mit Gehölz bewachsen ist. Vorzüglich kommen sie unter Eichen und Hainbuchen, aber auch unter Kastanien, Haselnußsträuchern, Rotbuchen vor. Man läßt bisweilen die Trüffeln von abgerichteten Hunden (Trüffelhunden; Burgund, Italien, Deutschland) oder von Schweinen (Provence, Poitou, auch in Westpreußen), in Rußland früher auch von Bären aufsuchen, die durch ihren Geruchssinn die 2–10 cm unter der Erde verborgenen Pilze aufspüren. Nach Deutschland kamen um 1720 die ersten dressierten Trüffelhunde. Beim Aufsuchen der Trüffeln bedient man sich nach Hesse am besten eines stark gebogenen Gartenmessers, mit dem man die oberste Waldhumusschicht untersucht. Als Anhaltspunkte dienen auch kleine Risse am Boden von Trüffelstellen oder die Trüffelfliegen (Arten von Helomyza), die über derartigen Plätzen im Sonnenschein zu schwärmen pflegen. Bei der in Frankreich betriebenen Trüffelkultur handelt es sich nicht um Aufzucht aus den Sporen, die bisher nicht gelungen ist, sondern um Verbreitung und reichlichere Entwickelung schon im Boden vorhandener Mycellen, durch die von ihnen bewohnten Wurzeln lebender Bäume, wie besonders Eichen. Bei Aufzucht von Eichensämlingen aus Trüffelrevieren sollen sich schon nach 10 Jahren gute Trüffelernten gewinnen lassen. Der französische Trüffelhandel datiert seit 1770 und erstreckt sich jetzt fast über ganz Mittel- und Südfrankreich. Am meisten produzieren die Provence, besonders das Depart. Vaucluse mit dem Zentralort Carpentras, ferner das Dauphiné, Périgord, Dordogne, Charente, Niederalpen und Lot; besonders berühmt sind die Trüffelkulturen am Fuß[755] des Mont Ventoux im Depart. Vaucluse, der 1858 mit Eichen aufgeforstet wurde. Die Ausfuhr aus Frankreich beziffert sich auf mehr als 1,5 Mill. kg; im Depart. Vaucluse, in der Stadt Apt, kommt zur Winterszeit eine Trüffelernte von 15,000 kg zu Markt. Große Bedeutung haben die Trüffeln auch im Orient. Barth berichtet über das häufige Vorkommen einer Trüffelart (Terfezia leonis Tul., oder eine verwandte Art) in der nördlichen Sahara. Zu derselben Gattung gehören auch die hellfarbigen Trüffeln, die Camés (Kemma, Dscheme), die in der Syrisch-Arabischen Wüste stellenweise massenhaft vorkommen und in die syrischen Städte gebracht werden. In diesen Gegenden gilt Helianthemum salicifolium als sicheres Anzeichen des Vorkommens der T. In Algerien findet sich Terfezia leonis (die Terfaz) im Schatten des strauchartigen Helianthemum halimifolium, und auf der kanarischen Insel Fuertaventura sucht man Trüffeln unter Helianthemum canariense. Die gewöhnlichsten, als Speisetrüffeln verwendeten Arten sind: Tuber brumale Vittad. (Wintertrüffel), mehr oder weniger kugelig, schwarz, auf der Oberfläche mit polygonalen Warzen, nuß- bis faustgroß und dann bis 1 kg schwer, innen schwärzlich aschgrau, weiß geädert, mit zahlreichen vier- bis sechssporigen Sporenschläuchen, die grauen Sporen mit stachligem Episporium, ist im Winter in den Trüffelgegenden Frankreichs und Italiens sehr häufig, selten in den Rheingegenden. T. melanosporum (T, cibarium Pers., T. melanospocum Vittad., Perigordtrüffel, s. Tafel »Pilze I«, Fig. 9), von voriger Art durch rötlichschwarze Farbe, rötliche Flecke auf den Warzen, durch rötlich- oder violettschwarzes Innere mit weißen, zuletzt rötlichen Adern und schwarzbraunen Sporen unterschieden, hat das gleiche Vorkommen. T. aestivum Vittad. (Sommertrüffel), 2,5–5,5 cm, nach Sauerteig riechend, unregelmäßig kugelig, schwarzbraun, mit sehr großen Warzen, innen blaßbraun, mit elliptischen, braunen, mit netzförmig gezeichnetem Episporium versehenen Sporen, im Sommer und Spätsommer in Frankreich und in Italien sehr häufig, stellenweise in Deutschland, z. B. in Thüringen, und England. T. mesentericum Vittad. (Gekrösetrüffel), von voriger Art durch schwarze Farbe, moschusartigen Geruch und dunkleres Fleisch mit vielen sehr eng gewundenen, weißen Adern unterschieden, an der Basis oft gehöhlt, kommt wie vorige Art und oft mit ihr zusammen vor. Nur in Frankreich und Italien, wo sie häufig gegessen wird, kommt vor T. magnatum Pico (Magnatentrüffel), 1,5–11 cm, unförmig lappig, von den andern Arten durch die wurzelartige Basis und durch die glatte Oberfläche unterschieden, anfangs weiß, später blaß ockerbraun, daher von den Lombarden Trifola bianca genannt, innen gelblich, bräunlich oder rötlich mit weißen Adern, von stark knoblauchartigem Geruch, reist im Spätsommer. Die weiße T. (Choiromyces maeandriformis Vittad., Tuber album Sow., Rhizopogon albus Fr.) ist glatt, hellbraun, faustgroß und von allen echten Trüffeln unterschieden durch das weiße, fleischige Innere, das nur von einerlei seinen, dunklern Adern (Hymenium) durchzogen ist. Im Handel sind die Trüffeln zahlreichen Verfälschungen durch minderwertige Sorten und Beimischung fremder Arten, wie z. B. der Schweinetrüffel (Rhizopogon rubescens Tul.), auch giftiger Hartboviste (Scleroderma vulgare Fr.) u. a., ausgesetzt. Vgl. Vittadini, Monographia Tuberacearum (Mail. 1831); Tulasne, Fungi hypogaei (Par. 1851); Laval, Guide pratique du trufficulteur (Sarlat 1884); Hesse, Die Hypogäen Deutschlands (Halle 1890–94); Chatin, La truffe (Par. 1892); Bosredon, Manuel du trufficulteur (Périgueux 1887); Wendisch, Trüffeln und Morcheln (Gewinnung und Verwertung, Neudamm 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 755-756.
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