Westphal

[566] Westphal, 1) Rudolf, Philolog, geb. 3. Juli 1826 zu Obernkirchen in der Grafschaft Schaumburg, gest. 11. Aug. 1892 zu Stadthagen im Fürstentum Schaumburg-Lippe, studierte seit 1845 in Marburg, ging 1850 nach Tübingen, habilitierte sich daselbst 1852 und war 1858–62 außerordentlicher Professor in Breslau. Seitdem privatisierte er daselbst, lebte hierauf einige Jahre meist in Jena, ging 1873 nach Rußland, wo er 1875–79 Professor am Katkowschen Lyzeum in Moskau war, und lebte dann in Bückeburg. Sein Hauptwerk ist: »Metrik der griechischen Dramatiker und Lyriker nebst den begleitenden musischen Künsten« (mit Roßbach, Leipz. 1854–65, 2 Bde.; 3. Aufl. u. d. T.: »Theorie der musischen Künste der Hellenen«, mit Roßbach und Gleditsch, 1885–89, 3 Bde.). Daran schlossen sich über Metrik, Rhythmik und Musik: »Die Fragmente und die Lehrsätze der griechischen Rhythmiker« (Leipz. 1861); »Geschichte der alten und mittelalterlichen Musik« (Abt. 1, Bresl. 1864, und Abt. 3: »Plutarch über die Musik«, das. 1865); »System der antiken Rhythmik« (das. 1865); »Scriptores metrici graeci« (Bd. 1: »Hephaestionis de metris enchiridion et de poëmate libellus«, Leipz. 1866); »Elemente des musikalischen Rhythmus mit Rücksicht auf unsre Opernmusik« (Bd. 1, Jena 1872); »Allgemeine Theorie der musikalischen Rhythmik seit J. Sebastian Bach« (Leipz. 1880); »Aristoxenus von Tarent, Metrik und Rhythmik des klassischen Hellenentums« (das. 1883–93, 2 Bde.; der 2. Bd. hrsg. von Saran); »Die Musik des griechischen Altertums« (das. 1883); endlich »Theorie der neuhochdeutschen Metrik« (Jena 1870, 2. Aufl. 1877); »Allgemeine Metrik der indogermanischen und semitischen Völker auf Grundlage der vergleichenden Sprachwissenschaft« (Berl. 1892). Auf Grammatik beziehen sich: »Philosophisch-historische Grammatik der deutschen Sprache« (Jena 1869); »Methodische Grammatik der griechischen [566] Sprache« (Bd. 1 u. 2, das. 1870–72); »Die Verbalflexion der lateinischen Sprache« (das. 1873); »Vergleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen« (Bd. 1, das. 1873). Von seinen übrigen Schriften erwähnen wir: »Prolegomena zu Äschylos' Tragödien« (Leipz. 1869) und die Übersetzungen von Catull (Bresl. 1867, 2. Aufl. 1870), Aristophanes' »Acharnern« (Halle 1869) und der »Humoristischen Lyrik des klassischen Altertums« (das. 1869). Vgl. den Nekrolog von Gleditsch (Berl. 1895) und den Lebensabriß Westphals von A. Roßbach in dessen Biographie von Otto Roßbach (2. Aufl., Königsb. 1908).

2) Karl, Mediziner, geb. 23. März 1833 in Berlin, gest. 27. Jan. 1890 in der Nervenheilanstalt Kreuzlingen bei Konstanz, studierte seit 1851 in Berlin, Heidelberg, Zürich und wieder in Berlin, ward 1857 Assistenzarzt an der Pockenstation der königlichen Charité in Berlin und 1858 an der von Ideler geleiteten Irrenabteilung dieses Krankenhauses. 1861 habilitierte er sich als Privatdozent für Geisteskrankheiten an der Universität. 1869 wurde er außerordentlicher Professor und dirigierender Arzt der klinischen Abteilung für Geistes- und Nervenkranke. 1873 wurde er Mitglied der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen und 1874 ordentlicher Professor. Er führte den Nachweis einer Beziehung von Erkrankungen des Rückenmarks zur allgemeinen progressiven Paralyse der Irren, machte Untersuchungen über sekundäre Degeneration des Rückenmarks, über einige Formen spinaler Lähmungen und deren anatomische Begründung, über gewisse durch Klopfen auf Sehnen hervorzubringende Bewegungserscheinungen, fand eine Methode zur künstlichen Erzeugung von Epilepsie bei Meerschweinchen und arbeitete über konträre Sexualempfindung, Platzfurcht, Zwangsvorstellungen. Auch begründete er zuerst den klinischen Begriff der »primären Verrücktheit«, die für die Psychiatrie von der allergrößten Bedeutung wurde. Seit 1869 redigierte er das »Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten«. Seine »Gesammelten Abhandlungen« erschienen in 2 Bänden (Berl. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 566-567.
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