Abraham a Santa Clara

Abraham a Santa Clara

[12] Abraham a Santa Clara, der durch die burleske Originalität seiner Predigten und Schriften berühmt gewordene kais. Hofprediger zu Wien geb. 1642, stammte aus Schwaben und hieß, ehe er den Klosternamen annahm, Ulrich Megerle.

Er erhielt seine wissenschaftliche Bildung im Augustinerkloster zu Wien, ward sehr jung, 1669, zum kais. Hofprediger ernannt und starb als solcher 1709. Sein Leben war stets untadelhaft, und seinem Eifer, mit welchem er die Menschen fortwährend tadelte, lagen die edelsten Absichten zu Grunde. Er hatte einen hellen Verstand und furchtlose Wahrheitsliebe, war äußerst fruchtbar an sinnreichen Einfällen, beißenden Witzen und treffenden Vergleichungen, und ließ es sich nie verdrießen, obschon er die Menschheit als unverbesserlich schalt, immer durch neuen Tadel und dringende Ermahnungen deren sittliche Besserung zu versuchen. Allein darin fehlte er, daß er kein Mittel verschmähte, wodurch er Eindruck zu machen hoffte. Ohne daß er es bei seinem Talente nöthig gehabt hätte, nahm er oft zur gemeinen Volkssprache, zu Volkswitzen und beißender Satire seine Zuflucht, kam auf die unwürdigsten Possen, und sank zuweilen bis zur Gemeinheit herab. Obschon er es verstand, die Erscheinungen der Natur, fast jedes bekannte Thier, die Menge der Legenden, Fabeln und Mährchen auf das Moralische anzuwenden, durch sie zur Tugend anzufeuern und vom Laster abzuschrecken, so merkte man hierbei doch nur zu oft das Gezwungene. Osters brachte er in seinen Predigten Räthsel an; unter Andern auch folgendes: »Wer den Teufel lieb hat, kommt nicht zum Teufel, wer ihn aber nicht lieb hat, kommt zum Teufel,« womit er einen » armen Teufel« meinte. Um den Jungfrauen ein ehrbares Betragen anzuempfehlen, bediente er sich folgender Vergleichungen: »Eine Jungfrau soll sein und muß sein wie eine Spitalsuppe, sintemal die nicht viel Augen hat; also soll eine Jungfrau auch nicht viel um sich gaffen; eine Jungfrau soll sein und muß sein wie ein Spiegel, wenn man den anhaucht, so macht er ein saures Gesicht; eine Jungfrau soll sein wie die Glocken am Charfreitag, die sich nicht sehr hören lassen; eine Jungfrau soll sein wie eine Orgel, wenn man die antastet, so schreit sie u.s.w.« Doch vollständiger charakterisirt ihn in seinem ganzen Wesen folgende Stelle, wo er sagt: »So lang ein Prediger eine schöne, zierliche, wohlberedte, eine aufgeputzte, mit Fabeln und sinnreichen Sprüchen unterschickte Predigt macht, da ist Jedermann gut Freund. Vivat der Pater Prediger! Ein wackerer Mann, ich hör' ihm mit Luft zu! Wenn er aber einen scharfen Ernst anfangt zu zeigen: wann er anfangt großen Herren die Wahrheit zu sagen, sie sollen doch einmal die Brillen brauchen und nicht immer durch die Finger schauen; sie sollen doch nicht sein wie die Distillirkolben, welche aus den Blumen den letzten Tropfen heraussaugen; wann er anfangt die Wahrheit zu predigen denen hohen Ministern und Räthen; wann er anfangt den Edelleuten die Wahrheit zu predigen, daß sie denen Barbirern zu sehr in ihre Profession eingreifen; wann er die Wahrheit sagt den Geistlichen, daß sie oft seien wie die Glocken, welche Andere in die Kirche läuten, und sie selber bleiben daraus; die Wahrheit den Obrigkeiten, daß sie gar oft seien wie die Spitalsuppen, worauf wenig Augen; die Wahrheit denen Mautnern und Beamten, daß sie gar zu barmherzig sein, nicht zwar in Beherbergung der Fremdlinge, aber des fremden Gutes; die Wahrheit dem Frauenzimmer, daß sie gar zu viel Zeuche an dem Schweif des Rocks, zu wenig um den Hals tragen; die Wahrheit den gemeinen Weibern, daß sie fast die Natur einer Uhr an sich haben, welche nicht ohne Unruh: wann dergestalt der Prediger den Schnöfhobel brauchen wird, wann er auf solche Weise wird die Wahrheit reden, so bringt ihm solches Reden Rädern, so bringen ihm solche Wörter Schwerter; so bringt ihm solches Sagen Klagen.« – Die Menge der Zuhörer, welche A. durch seine Predigtweise unter allen Classen des Volks fand, war ungeheuer; und mögen auch Viele von ihnen durch seine Predigten mehr ergötzt als erbaut worden sein, so läßt sich doch nicht leugnen, daß er für seine Zeit höchst segensreich gewirkt hat. Seine Schriften, die zum Theil noch in neuester Zeit wieder abgedruckt wurden, verrathen schon durch ihre Titel den darin herrschenden Ton; z.B. »Huy! und Pfuy! der Welt;« »Gemisch Gemäsch«, »Östreichisches Deo Gratias« u.s.w. Noch auf seinem Sterbebette arbeitete er die Schrift »Wohlangefüllter Weinkeller, in welchem manche [12] durstige Seel sich mit einem geistlichen Gesegn-Gott erquicken kann«, welche nach seinem Tode (Würzb. 1710, 4.) erschien. Mehre Schriften mit ähnlichen Titeln, die später unter seinem Namen gedruckt wurden, sind durchaus erdichtet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 12-13.
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