Argenson

[741] Argenson (spr. -schangßóng), 1) Marc René, Marquis d', franz. Staatsmann, geb. 4. Nov. 1652 in Venedig, wo sein Vater René französischer Gesandter war, gest. 8. Mai 1721, stellte als Generalleutnant der Polizei von Paris seit 1697 Ordnung und Sicherheit daselbst her, indem er die politische Polizei schuf, wurde 1718 Präsident des Finanzkonseils und Siegelbewahrer, legte aber infolge des Scheiterns der anfangs von ihm begünstigten Lawschen Finanzoperationen 1720 seine Ämter nieder. Vgl. »Rapports inédits du lieutenant de police René d'A. 1697–1715« (hrsg. von Cottin, Par. 1891).

2) René Louis, Marquis d', Sohn des vorigen. geb. 18. Okt. 1694, gest. 26. Jan. 1757, war von 1720–24 Intendant im Hennegau, wurde dann Staatsrat und 1744 Minister des Auswärtigen. Er suchte ein politisches System zu verwirklichen, wonach Frankreich sich auf die Staaten zweiten Ranges stützen und mit deren Beihilfe, ohne Landerwerbungen, den bestimmenden Einfluß auf die Geschicke Europas zurückerobern sollte. Allein ein so hochherziges Verfahren erschien als ein Luftschloß; schon 1747 wurde er entlassen und widmete sich, mit Voltaire befreundet, ausschließlich wissenschaftlichen Studien. Aus seinem Nachlaß wurden herausgegeben: »Considerations für le gouvernement ancien et présent de la France« (Amsterd. 1764 u. ö.); »Essais, ou loisirs d'un ministre d'État« (Par. 1787, 2 Bde.), reich an seinen Bemerkungen, Schilderungen von Zeitgenossen und Anekdoten. Auch seine »Memoiren« (hrsg. von Rathery, Par. 1860–8, 9 Bde.) sind für die Zeit geschichte von Wert. Vgl. Zevort, Le marquis d'A. et le ministère des affaires étrangères 1744–1747 (Par. 1880); de Broglie, Maurice de Saxe et le marquis d'A. (das. 1891, 2 Bde.); Alem, D'A. économiste (das. 1900).

3) Marc Pierre, Graf d', Bruder des vorigen, geb. 16. Aug. 1696 in Paris, gest. daselbst 22. Aug. 1764, wurde 1720 Generalleutnant der dortigen Polizei, aber bald wieder abgesetzt, 1737 Intendant von Paris und 1743 Kriegsminister. Er widmete sich der Reorganisation des Heeres und gründete 1751 die École militaire. Unter ihm begannen d'Alembert und Diderot die »Encyclopédie«. deren erste Bande ihm gewidmet waren, wie er auch seinem Freund Voltaire den Stoff zum »Siècle de Louis XIV« lieferte. Durch die Pompadour 1757 seines Amtes enthoben und auf sein Landgut Ormes verwiesen, durfte er erst nach dem Tode der Marquise nach Paris zurückkehren.

4) Marc Antoine René de Voyer d', Marquis de Paulmy (spr. pōmi), Sohn von A. 2), geb. 22. Nov. 1722 in Valenciennes, gest. 13. Aug. 1787 in Paris, erwarb sich eine Bibliothek von ca. 100,000 Bänden, die 1785 vom Grafen von Artois (nachmals Karl X.) angekauft wurde und den Grundstock der Bibliothèque de l'Arsenal bildete. Zu vielen seiner Bücher schrieb er wertvolle Einleitungen, gedruckt u. d. T. »Mélanges tirés d'une grande bibliothèque« (1779–87, 69 Bde.). In der auf seine Anregung entstandenen »Bibliothèque universelle des romans« (1775–78, 40 Bde., er trat dann von der Redaktion zurück) finden sich Novellen von ihm, die als »Choix de petits romans de différents genres« (1782, 2 Bde.) auch besonders erschienen sind. Er war Mitglied der französischen Akademie (1748) sowie der Akademien zu Berlin und Nancy.

5) Marc René Marie, Marquis d', geb. 10. Sept. 1771 in Paris, gest. daselbst 2. Aug. 1842, Enkel von A. 3), wurde nach dem Ausbruch der Revolution Adjutant Lafayettes. Nach der Katastrophe vom 10. Aug. 1792 zog er sich auf seine Güter in Touraine zurück, heiratete die Witwe des Prinzen Vic tor von Broglie und beschäftigte sich mit der Landwirtschaft und industriellen Unternehmungen. Von Napoleon 1809 zum Präfekten des französisch-belgischen Departements Deux-Néthes ernannt, vertrat er entschieden eine verfassungsmäßige Verwaltung und nahm 1813 seinen Abschied, als ihm die Regierung eine gesetzwidrige Handlung zumutete. Während der Hundert Tage und nach der Restauration 1815 in die Kammer berufen, bekämpfte er überall die Reaktion. Eifrig widmete er sich dem Wohl der arbeitenden Klassen. Seit 1834 lebte er auf seinem Landsitze zu Ormes. Eine Sammlung seiner Reden gab sein Sohn Charles Marc René, Marquis d'A., 1846 in 2 Bänden heraus.[741]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 741-742.
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