Armenische Kirche

[781] Armenische Kirche. Nach der Legende hat schon der Apostel Thaddäus das Evangelium in Armenien verkündigt; der wahre Apostel Armeniens ist der 302 in Cäsarea in Kappadokien zum Bischof geweihte Gregor der Erleuchter (s. Gregor), der in Verbindung mit dem König Tiridates die Christianisierung des Landes planmäßig ins Werk setzte. Nerses (um 370) und Sahak d. Gr. (um 390) machten die a. K. von der kappadokschen Mutterkirche unabhängig. Durch Sa hat und seinen Gehilfen Mesrob erhielt sie Bibelübersetzung u. Liturgie. Seit der Mitte des 5. Jahrh. hatten die armenischen Christen unter den von den Persern begünstigten Versuchen, die Feuerreligion wieder zu beleben, schwer zu leiden, und erst die Katastrophe des persischen Reiches unter Peroz 484 machte den Verfolgungen ein Ende. Infolge der Nichtanerkennung des Konzils von Chalcedon (451) und der damit zusammenhängenden dogmatischen Annäherung an den Monophysitismus (s. Monophysiten) geriet die a. K. in eine kirchliche Sonderstellung, die durch die politische Abgeschlossenheit noch verstärkt wurde. Die literarische Betriebsamkeit erhielt sich aber, und ein ansehnlicher Teil der altkirchlichen Literatur ist nur in armenischer Sprache auf uns gekommen. Öftere Versuche, die Union sei es mit der griechischen, sei es mit der römischen Kirche wiederherzustellen, mißlangen; auch der auf dem Konzil zu Florenz (1439) beschlossenen Union, nach der die a. K. zwar die Lehre von den zwei Naturen annehmen, aber ihre nationalen und rituellen Eigentümlichkeiten behalten sollte, traten nur die außerhalb Armenien zerstreuten Glieder der armenischen Kirche bei, und eine Spaltung der Kirche in eine katholische oder unierte und eine schis matische war die Folge. Beide Parteien stehen sich bis auf den heutigen Tag aufs feindlichste gegen über. Zu den unierten Armeniern, deren Zahl etwa 100,000 beträgt, gehört der reichste und gebildetste Teil der Nation, auch die Mechitaristen (s. d.), in deren Händen sich fast die ganze armenische Literatur befindet. Sie unterstehen einem in Konstantinopel residierenden Patriarchen. Die Nichtanerkennung der Unfehlbarkeitserklärung durch den geistig hervorragendsten Teil der Unierten hatte ein Schisma zur Folge, das 1879 mit Unterwerfung der Renitenten endigte. Leo XIII. hat den Unierten durch die Enzyklika vom 25. Juli 1888 die Erhaltung der armenischen Sprache und Liturgie für den Gottesdienst von neuem gewährleistet. [781] Dogma und Ritus der schismatischen Armenier, denen die weit überwiegende Mehrzahl aller Armenier angehört, sind denen der alten griechischen Kirche verwandt. Den Hauptunterschied im Dogma bildet die Lehre von der Vermischung der göttlichen und der menschlichen Natur in Christus zu einer einzigen. Mit der Taufe, bei welcher der Täufling dreimal besprengt und untergetaucht wird, verbinden die Armenier die Firmung, gebrauchen beim Abendmahl unvermischten Wein und gesäuertes Brot, das, in Wein getaucht, herumgereicht wird, und nehmen die Letzte Ölung nur an geistlichen Personen vor. Das Oberhaupt (Katholikos) der schismatischen armenischen Kirche ist der Patriarch von Etschmiadsin, dem ein Rat von Erzbischöfen und Bischöfen zur Seite steht, und dem die Patriarchen von Konstantinopel und Jerusalem rechtlich untergeordnet sind. Tatsächlich ist freilich wenigstens der erstere von dem Katholikos, zumal seit dieser unter russischer Obödienz steht, unabhängig. Der Bildungsstand der Geistlichen ist gering, ihre Vorbereitung eine mehr äußerliche und asketische. Die Pfarrer ziehen ihren Unterhalt aus den kirchlichen Almosen.

Seit 1831 haben protestantische, besonders amerikanische und englische Missionare evangelische Gemeinden zu bilden versucht und seit der Mitte des Jahrhunderts manche Erfolge zu verzeichnen; doch steht die Verquickung des religiösen und des nationalen Elements bei den Armeniern der Trennung von der Mutterkirche entgegen. In der Türkei hat das Werk der Protestanten von dem Übelwollen der Regierung viel zu leiden. In den letzten Jahren sind die christlichen Armenier blutigster Verfolgung ausgesetzt gewesen, deren Einzelheiten an die grauenhaftesten Szenen des Mittelalters erinnern. Vgl. Hamachod, Chronological succession of Armenian patriarchs (Lond. 1865); Malan, Divine liturgy of the Armenian Church (das. 1870); Troitzky, Der Ritus der armenischen Kirche (russ., 1875); Nève, L'Arménie chrétienne et la littérature (Löwen 1887); Tēr-Mikelian, Die a. K in ihren Beziehungen zur byzantinischen (Leipz. 1892); Gelzer, Die Anfänge der armenischen Kirche (Berichte d. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, das. 1895); Derselbe, Artikel »Armenien« in der »Real-Enzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche«, Bd. 2 (das. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 781-782.
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