Bolīvar, Simon

[177] Bolīvar, Simon, der Befreier Südamerikas, geb. 24. Juli 1783 in Caracas aus altspanischer Familie, gest. 17. Dez. 1830 bei Santa Marta, studierte die Rechte in Madrid und bereiste Europa. Später (1809) besuchte er die Vereinigten Staaten, lernte deren freie Einrichtungen kennen und faßte den Plan, das Beispiel Washingtons nachzuahmen und sein Vaterland zu befreien. In Venezuela angelangt, verband er sich mit den Patrioten, und als Caracas 19. April 1810 sich gegen die spanische Herrschaft erhob, sandte ihn die Junta nach London, von wo er im September 1811 mit einem Waffentransport zurückkehrte. Er kämpfte nun als Oberstleutnant unter Miranda, mußte jedoch nach Mirandas Fall eine Zuflucht auf der Insel Curassao suchen. Doch schon im September 1812 trat er wieder unter den Insurgenten von Neugranada auf und wurde bald die Seele des ganzen Befreiungskriegs. Über die Grausamkeit der Spanier entrüstet, erklärte er ihnen durch das Edikt von Trujillo 13. Jan. 1813, das jeden des Royalismus überführten Spanier zum Tode verurteilte, den Krieg auf Leben und Tod. Nach mehreren Gefechten zog B. 4. Aug. 1813 in Caracas ein, ward vom Heer als Befreier Venezuelas begrüßt, vereinigte in sich alle Zivil- und Militärgewalt und wurde darin von einer 2. Jan. 1814 zusammenberufenen Nationalversammlung bestätigt. Jedoch das Glück wendete sich bald gegen B. Seine Truppen wurden 11. Juni 1814 bei La Puerta von Boves fast gänzlich aufgerieben. Boves zog im Juli 1814 in Caracas ein und schlug die Republikaner bei Arguna nochmals aufs Haupt. B. schiffte sich mit den getreuesten seiner Offiziere nach Cartagena ein und trug den konföderierten Provinzen von Neugranada seine Dienste an. Nachdem ihm der dortige Kongreß den Oberbefehl übertragen, besetzte er Bogota und befreite die Provinz Cundinamarca; allein als der spanische General Morillo im März 1815 mit neuen Truppen landete, mußte sich B. nach Jamaika einschiffen, von wo er nach Haïti ging. Hier sammelte er die Geflüchteten und landete mit ihnen im Dezember 1816 auf der Insel Margarita. In den beiden folgenden Jahren erfochten B., Paez und Santander so viele Vorteile über Morillo, daß 15. Febr. 1819 der Kongreß zu Angostura eröffnet werden konnte, wo B. zum Präsidenten der aus Venezuela, Neugranada und Ecuador bestehenden Republik Kolumbien gewählt wurde. Er führte nun das Heer im Juni über die fast unwegsamen Kordilleren nach Neugranada, eroberte 23. Juli 1819 Tunja und schlug die Spanier 1821 bei Calabozo, wodurch ganz Neugranada frei wurde. Hierauf vollendete er 1823 und 1824, namentlich nach seinem Siege bei Junin und dem des Generals Sucre bei Ayacucho, die Befreiung Nieder- und Oberperus, das ihn 1825 ebenfalls mit der diktatorischen Gewalt bekleidete und unter dem Namen Bolivia einen eignen Staat bildete. 1826 legte er die Präsidentenwürde nieder und versammelte einen Kongreß zu Lima, schloß Schutz- und Trutzbündnisse mit den verschiedenen amerikanischen Freistaaten und ward 1826 und wieder 1828, diesmal mit fast unumschränkter Gewalt, zum Präsidenten der Republik Kolumbien gewählt. Eine Verschwörung, die am 25. Sept. sein Leben bedrohte, unterdrückte er und ließ die Urheber erschießen. Da er sich aber auch in Peru 17. Aug. 1827 zum lebenslänglichen Präsidenten hatte wählen lassen, dem Kongreß von Bolivia eine antirepublikanische Verfassung (Code Boliviano) aufdrang, in Kolumbien die Preßfreiheit unterdrückte und die Klosterschulen wiederherstellte, so beschuldigte man ihn monarchischer Gelüste. Er eilte darauf nach Kolumbien, erklärte die Verfassung für aufgehoben und stellte erst für 1830 eine neue in Aussicht. Ein Jahr lang dauerte diese Gewaltherrschaft, dann brach 25. Nov. 1829 in Caracas der Aufstand dagegen los, in wenigen Wochen schloß sich ihm ganz Venezuela an, und Paez stellte sich an die Spitze; man forderte Trennung von Neugranada und Verbannung Bolivars. Er wurde jetzt von allen im Stiche gelassen, und der im Januar 1830 zu Bogota versammelte Nationalkongreß nahm bereitwillig die angebotene Entlassung an und bewilligte ihm einen Jahrgehalt von 30,000 Piaster. 1832 ward nach dem Beschluß des Kongresses von Neugranada Bolivars Asche feierlich nach seiner Vaterstadt Caracas gebracht und hier dem Andenken des Befreiers ein Triumphbogen, in Bogota ihm eine Bildsäule errichtet. Vgl. »Documentos para la historia de la vida pública del Libertador de Colombia, Peru y Bolivia« (Caracas 1875ff., 14 Bde.); »Correspondencia general del Libertador Simon B. etc.« (hrsg. von Larrazabel, 2. Aufl., New York 1866, 2 Bde.); Larrazabel, Life of Simon B. (das. 1866); Rojas, Simon B. (Madr. 1883); De Schryver, Esquisse de la vie de B. (Brüss. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 177.
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