Brünn

[499] Brünn (tschech. Brno), Hauptstadt der österreich. Markgrafschaft Mähren, liegt 227 m ü. M. am Fuß des Spielbergs (s. unten), zwischen dem Schwarzawa- und Zwittawafluß in fruchtbarer Gegend. Die winkelig gebaute innere Stadt ist seit 1860 an Stelle der ehemaligen Befestigungswerke von breiten Straßen und Anlagen umgeben.

Wappen von Brünn.
Wappen von Brünn.

Unter den Plätzen sind der Große Platz mit einer Mariensäule, der Krautmarkt mit schönem Brunnen und der Elisabethplatz mit Anlagen und stattlichen Neubauten bemerkenswert. B. hat 17 Kirchen, darunter: die Domkirche St. Peter und Paul aus dem 15. Jahrh.; die gotische Kirche St. Jakob (aus dem 14. Jahrh.), in neuester Zeit restauriert, mit spitzem, 98 m hohem, eisernem Turm und schönen Glasmalereien (vgl. Bretholz, Die Pfarrkirche St. Jacob, 1901); die Minoritenkirche mit Freskomalereien; die gotische Augustinerkirche in Alt-B. aus dem 14. Jahrh.; die Kapuzinerkirche (1651 begonnen) mit dem Grabmal des Pandurenobersten von der Trenck; die neue, gotische, evang. Christuskirche; endlich die Synagoge in maurischem Stil.[499]

Unter den sonstigen Gebäuden sind bemerkenswert: das Statthaltereigebäude (ehemals Augustinerkloster) mit Gartenanlagen; das Landhaus (1881) mit dem Sitzungssaal des Landtags; das Rathaus (1511) mit gotischem Portal und Altertümern; die sogen. Jesuitenkaserne (ehemals Jesuitenkloster); die bischöfliche Residenz; das adlige Damenstift zu Mariaschul; das 1882 eröffnete Stadttheater; das deutsche und das slawische Vereinshaus. Die Zahl der Einwohner betrug Ende 1900 mit der 4548 Mann starken Garnison 109,346, darunter 68,702 Deutsche, 38,365 Tschechen. B. ist eine der bedeutendsten Fabrikstädte und behauptet insbes. in der Schafwoll- und Metallindustrie eine hervorragende Stellung. Es gibt hier 60 Fabriken der Textilindustrie, 6 Maschinen- und 15 Metallwarenfabriken, 11 Ziegeleien, 4 Brauereien, 3 Malzfabriken, 6 Lederfabriken, eine Dampfmühle, 2 Kanditenfabriken, 7 Buchdruckereien, 4 Holzwarenfabriken, 6 chemische Fabriken, eine Zementwarenfabrik u. a. Mit der hochentwickelten Industrie steht ein lebhafter Handel in Zusammenhang. Die Jahrmärkte der Stadt gehören zu den bedeutendsten Österreichs. Als Förderungsmittel des Handels und der Industrie dienen die Mährische Eskomptebank, die Landeshypothekenbank, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, eine Sparkasse; ferner besteht hier eine Handels- und Gewerbekammer.

Plan von Brün.
Plan von Brün.

Die Stadt bildet einen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt mit den Linien Wien-B.-Prag-Bodenbach, B.-Tischnowitz, B.-Okřisko und B.-Vlarapaß der Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn, dann Wien-B. und B.-Olmütz der Kaiser Ferdinands-Nordbahn. B. besitzt auch elektrische Straßenbahnen, Gas- und Wasserleitung und ein Elektrizitätswerk. An Unterrichtsanstalten bestehen eine deutsche und eine tschechische technische Hochschule, eine theologische Lehranstalt, 2 deutsche und 2 tschechische Obergymnasien, eine deutsche und eine tschechische Staats- und eine deutsche Landes-Oberrealschule, eine deutsche und eine tschechische Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt, je eine deutsche und eine tschechische Staatsgewerbe- und Handelsschule, eine Webschule. Wichtigere Wohltätigkeitsanstalten sind: eine Kranken- und eine Irrenanstalt, eine Gebäranstalt, ein Taubstummen- und Blindeninstitut; ferner ein Zwangsarbeitshaus. Auch befinden sich hier das Landes- (Franzens-) Museum und ein Gewerbemuseum. B. ist Stadt mit eignem Statut und Sitz der k. k. Statthalterei, des Oberlandes- und Landesgerichts, der Finanzlandesdirektion, der Post- und Telegraphendirektion, einer Polizeidirektion, eines Divisions- und eines Brigadekommandos, ferner einer Bezirkshauptmannschaft (B. Umgebung), eines Bischofs, eines deutschen Konsuls etc.

Im W. der Stadt erhebt sich der Spielberg (288 m), mit schönen Anlagen und einer Zitadelle, die 1740–1855 als Staatsgefängnis diente. Daselbst starb 1749 der Pandurenoberst von der Trenck, und 1822–30 saß hier der italienische Dichter Silvio Pellico gefangen (vgl. v. Costa-Rossetti, Der Brünner Spielberg, 6. Aufl., Brünn 1899). Außerdem sind als Anlagen zu erwähnen: im SW. der Franzensberg mit einem zum Andenken an die Befreiungskriege 1813–15 errichteten Obelisken; der schöne Augarten und der nordwestlich gelegene Schreibwald mit der bürgerlichen Schießstätte. In der Umgebung von B. befinden sich mehrere Industrieorte, wie Königsfeld (10,228 Einw.), Huffowitz (8764 Einw.), Schimitz (8916 Einw.), Obergerspitz u. a. Nördlich von B. liegt Adamsthal (s.d.) und westlich das Kohlenbecken von Rossitz-Oslawan.

Geschichte. Der Name B. wird bald von dem keltischen Ortsnamen Eburodunum, bald von dem altdeutschen Worte brünne, bald von dem altslawischen brnij (»Kot«) abgeleitet. Im 11. Jahrh. ist B. Sitz und Mittelpunkt eines der vier in Mähren bestehenden přemyslidischen Fürstentümer; im 14. Jahrh. und bis 1411 bildet die im W. an die Stadt grenzende Anhöhe, der Spielberg (s. oben), den Wohnsitz der mährischen Markgrafen. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. begann in B. die deutsche Einwanderung, durch welche die ursprünglich kleine Ansiedelung gegen Norden stark erweitert wurde. 1243 erhielt B. von König Wenzel I. die iura originalia (Grundrechte der Stadt), die mit andern Privilegien die Grundlage für die Ausbildung des Brünner Stadtrechts bildeten, das für eine große Anzahl mährischer Städte Mutterrecht wurde. Um 1350 verfaßte der Stadtnotar Johannes das Brünner Schöffenbuch, eins der wichtigsten Rechtsdenkmäler des Mittelalters, für die Entwickelung der städtischen Rechtswissenschaft in Böhmen und Mähren von Bedeutung. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. hatte B. geistig und wirtschaftlich eine Glanzzeit. Am 10. Febr. 1364 fand hier ein großer Fürstenkongreß und der Abschluß des Erbfolgevertrags zwischen Luxemburgern und Habsburgern statt. Im Dezember 1419 führte hier König Siegmund mit den böhmischen Herren und den Gesandten Prags Verhandlungen, deren ungünstiges Ergebnis den Ausbruch der Hussitenkriege mit veranlaßte. B. blieb in dieser Zeit dem katholischen Glauben und den Königen Siegmund und Albrecht treu. 1428 belagerten die Taboriten die Stadt vergeblich. Nachdem sie sich 1467 dem König Matthias Corvinus von Ungarn angeschlossen hatte,[500] wurde sie wieder von dem böhmischen König Georg Podiebrad hart belagert. Im 16. und zu Beginn des 17. Jahrh. verbreitete sich hier der Protestantismus rasch; der Winterkönig Friedrich weilte hier 5. und 6. Febr. 1620. In der Zeit der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges heimgesucht, wehrte B. unter dem Kommandanten Souches vom 3. Mai bis 15. Aug. 1645 die Belagerung durch Torstensson ab, worauf es von Kaiser Ferdinand III. zahlreiche Rechte und Verbesserung des Stadtwappens erhielt. 1742 wurde B. abermals vergeblich zwei Monate von den Preußen belagert, 1805 hatte Napoleon vom 20. Nov. bis 2. Dez. hier sein Hauptquartier, 1809 wurde es wiederum von den Franzosen heimgesucht. 1866 war es vom 12. Juli durch zwei Monate von den Preußen besetzt. Vgl. d'Elvert: Versuch einer Geschichte Brünns (Brünn 1828); Beiträge zur Geschichte der königlichen Städte Mährens, insbes. der königlichen Landeshauptstadt B. (das. 1860); Neu-Brünn, wie es entstanden ist (das. 1889); Rößler, Die Stadtrechte von B. (Prag 1852); Trautenberger, Chronik der Landeshauptstadt B. (Brünn 1893–97, 5 Bde.); Bretholz, Der Verteidigungskampf der Stadt B. gegen die Schweden 1645 (2. Aufl., das. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 499-501.
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