Gruner

[463] Gruner, 1) Justus von, preuß. Staatsmann, geb. 28. Febr. 1777 in Osnabrück, gest. 5. Febr. 1820 in Wiesbaden, studierte die Rechte, trat 1802 in den preußischen Staatsdienst, ward zuerst Kammerrat in Franken, kam 1804 in die oberste Verwaltung nach Berlin und wurde 1805 Direktor der Kriegs- und Domänenkammer in Posen. Während des Krieges von 1806 begab sich G. nach Ostpreußen, wo Stein und Hardenberg seine Fähigkeiten kennen lernten, leitete die Kriegs- und Domänenkammer in Pommern, wurde 1809 Polizeipräsident von Berlin und 1811 als Geheimer Staatsrat Chef der gesamten höhern Staatspolizei. Ein eifriger Patriot und unversöhnlicher Feind der Franzosen, war er der Mittelpunkt der Vorbereitungen für die nationale Erhebung. Als Preußen 1812 das Bündnis mit Napoleon schloß, schied G. aus dem Staatsdienst, begab sich nach Prag zu Stein und schürte von hier aus die Volkserhebung in Norddeutschland. Um einem von Frankreich drohenden Auslieferungsantrag auszuweichen, ließ die österreichische Regierung G. verhaften und bis Herbst 1813 in Peterwardein in Hast halten. Darauf übernahm er die Verwaltung von Berg, organisierte das Generalgouvernement des Mittelrheins, war 1814–1815 Generalgouverneur von Berg und beseitigte, von Görres unterstützt, in kurzer Zeit die französischen Elemente, sammelte die deutsch-patriotischen Kräfte und organisierte die Streitmittel für den Kampf gegen Frankreich. 1815 kurze Zeit Chef der deutschen Polizei in Paris, leitete er die Rückgabe der Kunstschätze, wurde nach dem Frieden geadelt, aber wegen seiner liberalen Gesinnung nicht im innern Staatsdienst verwendet, sondern zum Gesandten in der Schweiz ernannt.

2) Ludwig, Kupferstecher, geb. 24. Febr. 1801 in Dresden, gest. daselbst 27. Febr. 1882, begann seine Studien in der Malerei 1815 bei Klinger, widmete sich dann bei Krüger der Kupferstechkunst und ging 1825 nach Mailand, wo er bei Longhi und P. Anderloni seine Studien fortsetzte. 1828 besuchte er das südliche Frankreich und Spanien. 1832 zurückgekehrt, führte er den Stich des Porträts von Mengs aus und ging dann nach England und Schottland. Madonnen nach Raffael und die Aussetzung Moses' (aus der Sammlung in Blenheim) waren die Arbeiten, die ihn dort beschäftigten. Nach Mailand zurückgekehrt, stach er das Porträt des Giulio de' Medici und das Pax vobiscum nach Raffaels Bild (jetzt in der städtischen Galerie zu Brescia). 1837 wendete sich G. nach Rom, wo er Stiche von einer Folge von Mosaiken u. d. T. »I mosaici della cappella Chigi« (Rom 1839) veröffentlichte. Darauf folgten die Stiche noch Fresken an der Decke des Saales des Heliodor. 1842 ging G. aufs neue nach England, um Zeichnungen nach den Raffaelschen Kartons in Hamptoncourt in der Größe des Originals auszuführen. Später gab er das Prachtwerk »Fresco decorations and stuccos in Italy« (Lond. 1844, 2. Aufl. 1854) und »The decorations [463] of the garden pavilion in the grounds of Buckingham Palace« (das. 1846) heraus. Es folgte der Stich nach dem Traum des Ritters von Raffael in der Nationalgalerie. Im Auftrag der britischen Regierung lieferte er 1850 das Prachtwerk »Specimens of ornamental art«, Vorlegeblätter in Farbendruck nach den besten Mustern Italiens. Dann gab er die Raffael-Karyatiden aus dem Vatikan in 15 Blättern (1852) heraus. Bald darauf wurde er zum Direktor am königlichen Kupferstichkabinett in Dresden ernannt. In dieser Stellung veröffentliche er unter andern. »Lo Scaffale, or presses in the sacristy of Santa Maria delle Grazie at Milan. Illustrations of the painted decorations by B. Luini« (Lond. 1859–60); »Das Grüne Gewölbe zu Dresden« (mit Text von Landsberg, Dresd. 1862); »The terracotta architecture of North Italy« (Lond. 1867).

3) Hans, Afrikareisender, geb. 10. März 1865 in Jena, studierte Mathematik, Naturwissenschaften und Geographie in Jena, Freiburg i. Br. und Leipzig. 1892 wurde G. mit der Leitung der Station Misahöhe in Togo und 1894 mit der Führung einer Expedition in das Hinterland von Togo betraut. Mit dem Arzt Döring und Leutnant v. Carnap zog er im Wettlauf mit einer englischen und französischen Expedition durch Gurma nach Say am Niger, machte einen Abstecher nach Gando und kehrte über Borgu nach Togo zurück, wo er die Leitung der Station Sansanne Mangu, dann wieder diejenige von Misahöhe übernahm. Von den deutschen Ansprüchen, die G. auf Grund der von ihm abgeschlossenen Schutzverträge erwarb, gelangte nur ein Teil zur Geltung.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 463-464.
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