Jōd

[260] Jōd (Jodum), J, chemisch einfacher Körper, findet sich nicht im freien Zustand in der Natur (die Quelle Woodhall Spa bei Lincoln, Vereinigte Staaten, soll von freiem J. braun gefärbt sein), aber seine Verbindungen begleiten in geringen Mengen nicht selten die entsprechenden Chlorverbindungen, mit denen sie große Ähnlichkeit haben. Besonders finden sich Jodverbindungen im Meerwasser, aus dem Meerpflanzen, namentlich die Tange (Laminaria, Fucus etc.), J. aufnehmen und in Form organischer Verbindungen in sich konzentrieren. Auch Carrageen, Schwämme (8–14 Proz.), Seesterne, Heringe, Seekrebse, der Tran der Schellfischarten enthalten J. Außerdem findet es sich in vielen Salzquellen (Sulza, Adelheidsquelle bei Heilbronn, Hall etc.), im Chilisalpeter (0,059–0,175 Proz. J. als Jodat), in der Pottasche aus Rübenmelasse, in Steinkohlen (daher auch im Gaswasser), in Eisenerzen (also auch im Gichtstaub der Eisenhochöfen), in bituminösen Schiefern, im Kalkstein bei Lyon, in Phosphoriten, als Jodsilber, Jodblei, Jodquecksilber und in sehr geringen Mengen weitverbreitet, z. B. in Ackererde und Quellwasser. J. findet sich auch in Krebsen, Fröschen, einem Tausendfuß und namentlich in der Schilddrüse als Tyrojodin. Eine organische Jodverbindung ist auch in Korallen entdeckt worden, jodhaltige Sporen sollen sich allgemein in der Luft finden, und das Meerwasser soll das J. nicht als Jodnatrium und Jodmagnesium, sondern in Form organischer Verbindungen (1,8 mg in 1 Lit. gelöst, 0,6 mg suspendiert) enthalten. Zur Darstellung des Jods benutzt man in Europa die Tange (besonders Fucus digitatus und F. saccharinus), die man an den eng lischen und französischen Küsten sammelt und verbrennt. Aus dem so erhaltenen Kelp (s. d.) oder Varech scheidet man die Kalisalze ab und gewinnt dabei schließlich eine Mutterlauge, in der sich die leicht löslichen Jodverbindungen angesammelt haben. Man unterwirft auch die Tange der trocknen Destillation und erhält dabei brennbare Gase, Teeröle, Essigsäure, Ammoniak und Methylalkohol neben Kohle, die, nach dem ihr alle Salze durch Wasser entzogen sind, zu verschiedenen Zwecken gut verwertbar ist. Die Salzlösung wird wie die Kelplauge verarbeitet. Die letzte Mutterlauge (Jodlauge) versetzt man mit Schwefelsäure (wobei sich Kohlensäure und Schwefelwasserstoff entwickeln und Schwefel abgeschieden wird) und destilliert sie dann mit Schwefelsäure und Braunstein. Die hierbei entwickelten Joddämpfe werden in tönernen [260] Vorlagen verdichtet. Man kann auch die Jodverbindungen der Lauge durch Chlor zersetzen und das frei gewordene J. auf durchlöcherten Platten entwässern und auf porösen Tonplatten trocknen. Auch durch chlorsaures und chromsaures Kali sowie durch Eisenchlorid hat man das J. abgeschieden. Chilisalpeter enthält 0,059–0,175 Proz. J. als jodsaures Natron mit wenig Jodnatrium und liefert bei der Verarbeitung Mutterlauge mit 22 Proz. Natriumjodat. Man versetzt diese mit saurem schwefligsaurem Natron, preßt das gefällte J. ab und reinigt es durch Sublimation. Wo dies Verfahren nicht ausführbar ist, fällt man aus der Mutterlauge mit saurem schwefligsaurem Natron (oder Eisenvitriol) und Kupfervitriol Kupferjodür. Dies wird in Europa mit Schwefelwasserstoff behandelt und die vom Schwefelkupfer getrennte Jodwasserstoffsäure auf Jodkalium verarbeitet.

Reines J. bildet schwarzgraue, metallglänzende, oft sehr große Tafeln, riecht eigentümlich, der unterchlorigen Säure nicht unähnlich, schmeckt herb, scharf, ist weich, leicht zerreiblich, färbt die Oberhaut braun und greift als Dampf Augenlider, Nasen- und Mundhöhle heftig an. Das spezifische Gewicht ist 4,933, das Atomgewicht 126,8; es verdampft schon bei gewöhnlicher Temperatur ziemlich schnell, schmilzt bei 116°, siedet über 183° und gibt einen im gesättigten Zustand blauen, im verdünnten veilchenblauen (daher der Name, v. griech. iodēs) Dampf vom spez. Gew. 8,716 (der schwerste aller Dämpfe), der sich beim Erkalten zu Jodkristallen verdichtet. Die Dampfdichte des Jods ist bei mittlerer Temperatur 8,65, bei 1500° nur 5,0; man schließt daraus, daß das Jodmolekül, das bei gewöhnlicher Temperatur aus 2 Atomen J. besteht, in hoher Temperatur zerfällt. J. löst sich wenig im Wasser (doch färbt schon 1/7000 J. Wasser schwach gelbbraun), die braune Losung (Jodwasser) bleicht Indigo und zersetzt sich allmählich unter Bildung von Jodwasserstoffsäure. Letztere und lösliche Jodmetalle erhöhen die Löslichkeit des Jods im Wasser ungemein. Auch Salmiak, salpetersaures Ammoniak und andre Salze erhöhen die Löslichkeit. J. ist leicht löslich in Alkohol (Jodtinktur, s. d.), Äther, Benzin, mit höchst intensiv violetter Farbe in Schwefelkohlenstoff und Chloroform. Letztere Lösungsmittel entziehen wässerigen Lösungsmitteln das J. beim Schütteln und zeigen durch die dabei auftretende Färbung die Gegenwart von J. an. Es verhält sich in chemischer Hinsicht im allgemeinen wie Chlor und Brom, aber sein Vereinigungsstreben ist schwächer; nur zum Sauerstoff hat es größere Verwandtschaft. Es bildet mit Sauerstoff nur ein einziges, gut charakterisiertes Oxyd, das Jodpentoxyd C2O5; bei Behandeln von Kalilauge mit J. entsteht Jodkalium und jodsaures Kali. Mit Phosphor, Schwefel und den Metallen verbindet es sich direkt. J. ist einwertig, und seine Verbindungen gleichen denen des Chlors und Broms, die z. T. sehr schön gefärbten Metallverbindungen werden aber durch Chlor und Brom zersetzt, während J. die Sauerstoffverbindungen des Chlors und Broms zersetzt. Im Jodpentafluorid JFl5, das aus Fluorsilber und J. entsteht, und im Jodsäureanhydrid J2O5 ist J. fünfwertig und in der Überjodsäure H5JO6 siebenwertig. Charakteristisch ist die intensiv blaue Färbung des Stärkemehls durch J. (s. Jodstärke). J. wirkt äußerlich ätzend, innerlich erzeugen größere Dosen, ähnlich wie Chlor und Brom, heftige Verdauungsstörung. In giftiger Dosis tötet es unter Benommenheit des Gehirns, Anätzung des Magens und Lähmung des Atmungszentrums (vgl. Jodvergiftung). Eigentümlich ist seine Wirkung auf drüsige Organe, die es zum Schwinden bringt. Auf niedere Organismen, z. B. bei Malaria, wirkt es als heftiges Gift. Man benutzt J. als Arzneimittel bei entzündlichen Prozessen, Syphilis, Skrofulose, Hypertrophie drüsiger Organe (Kropf etc.), bei Rheumatismus, Neuralgien, gegen Frostbeulen etc., in der Technik zur Darstellung von Jodpräparaten, von denen manche (Jodkalium, Jodammonium, Jodkadmium, Jodmethyl) ebenfalls als Arzneimittel und in der Photographie, andre zur Darstellung von Teerfarben benutzt werden. J. wird bei seinem hohen Preis nicht selten verfälscht. Beim Lösen des Jods in Alkohol oder beim Erhitzen desselben im Wasserbad bleiben diese Verfälschungen zurück. Zur Bestimmung des Wassergehalts des Jods (durchschnittlich 10 Proz.) sättigt man Schwefelkohlenstoff mit Wasser, filtriert ihn klar und übergießt in einem engen, in 0,1 ccm geteilten, mit Glasstöpsel dicht verschließbaren Rohr 2 g J. mit 50 ccm dieses Schwefelkohlenstoffes. Nach erfolgter Lösung läßt man absetzen und liest die Menge des auf dem Schwefelkohlenstoff schwimmenden Wassers ab. Zur quantitativen Bestimmung des Jods in der käuflichen Ware wägt man 0,3–0,4 g derselben ab, setzt Jodkalium und Wasser zu und titriert mit Natriumhyposulfitlösung. – J. wurde 1811 von Courtois entdeckt und von Davy und Gay-Lussac genauer untersucht. Hauptsitze der Jodfabrikation in Europa waren lange Glasgow und das Departement Finistère, auch Norwegen und Japan liefern J., Hauptproduzent ist gegenwärtig aber Chile, wo 1901: 245,949 kg J. gewonnen und 269,018 kg ausgeführt werden. Deutschland führte 1903: 3202 dz J. ein und 1538 dz Jodpräparate aus. Vgl. Pellieux, L'industrie française de l'iode (Par. 1878).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 260-261.
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