Orientalische Region

[119] Orientalische Region (hierzu Tafel »Orientalische Fauna«), tiergeographische Region, umfaßt Border- und Hinterindien, Südchina südlich des Yangtsekiang, Formosa, Hainan, Ceylon, Sumatra, Java, Borneo nebst den benachbarten kleinern Inseln sowie die Philippinen. Die Grenze gegen die paläarktische Region bildet im W. der Indus, der sie gegen die mediterrane Subregion abgrenzt, nördlich und nordwestlich der Himalaja und das Tal des Yangtsekiang. Die Grenze gegen die australische Region wird durch die sogen. Wallacesche Linie gebildet; sie geht zwischen Bali und Lombok sowie zwischen Borneo und Celebes hindurch und wendet sich dann ostwärts, so daß die Philippinen noch in das Gebiet der Region hereinfallen. Die Region ist ausgesprochen tropisch und besitzt größtenteils eine üppige Vegetation, so daß sie trotz ihren geringen Umfangs dennoch eine ungemein reich und vielseitig entwickelte Tierwelt mit vielen Charaktertieren aufweist. Sie zerfällt in vier Subregionen: die indochinesische Subregion setzt sich zusammen aus Hinterindien mit Ausschluß von Malakka, aus Südchina, Formosa, Hainan und einem Teil des südlichen Japan, besonders die Insel Kiusiu; die indische Subregion umfaßt Vorderindien bis auf dessen südlichsten Teil; die Ceylon-Subregion besteht aus der Südspitze des kontinentalen Indien und Ceylon; die malaiische Subregion umfaßt Malakka und die zur orientalischen Region gehörigen Inseln mit den obengenannten Ausnahmen. Von diesen vier Subregionen zeigen je Vorderindien und Ceylon sowie Hinterindien und die malaiische Subregion nähere Verwandtschaft, am weitesten entfernen sich vom allgemeinen Charakter die Philippinen. Die reichste Subregion ist die indochinesische, die den überwiegenden Teil der orientalischen Charaktertiere vereinigt enthält, während die indische sowie die Ceylon-Subregion bedeutend an tierischem Reichtum zurücktreten. Von den Affen erscheinen als allgemein verbreitete Charaktertiere die Schlankaffen (Semnopithecus), eine Art der im übrigen äthiopischen Gattung Macacus findet sich im südlichsten Japan; der Orang-Utan (Fig. 1) ist auf Sumatra und Borneo beschränkt, während sich Gibbon oder Hylobates (Fig. 2) auch auf dem Festland, aber erst jenseit des Ganges, in der indochinesischen Subregion, finden. Die Halbaffen sind zahlreich; für Ceylon charakteristisch ist der Schlanklori, für die hinterindische Region der Plumplori, für Borneo der Koboldmaki oder das Gespensttier (Fig. 3), für die ganze malaiische Subregion der Flattermaki (Galeopithecus, Fig. 4). Unter den zahlreichen Fledermäusen sind die großen, überall verbreiteten fruchtfressenden Arten bemerkenswert, die Fliegenden Hunde oder Kalong (Fig. 5). Unter den Insektenfressern finden sich Igel, Spitzmaus, Maulwurf, charakteristisch aber sind, und zwar besonders für die malaiische Subregion bis hinauf zu den Philippinen, die auf Bäumen lebenden Spitzhörnchen (Tubaja) mit dem Hauptrepräsentanten Tana (Fig. 16). Von den sehr zahlreichen Raubtieren findet sich der Tiger (Fig. 13) jedoch nicht im tibetanischen Hochland, auf Ceylon und Borneo (hier vielleicht ausgerottet) und den Philippinen; ebenso der Panther, der auch auf Ceylon erhalten ist; der Löwe findet sich nur im äußersten Westen der Region, im Guzerat. Von kleinern Raubtieren sind mehrere, wie Gepard, Hyäne, Mangusten, Viverren, der orientalischen und äthiopischen Region gemeinsam, andre für erstere charakteristisch, z. B. der Rollmarder (Paradoxurus) und Bärenmarder (Arctitis), die Hinterindien und der malaiischen Subregion eigen sind. Von den Bären ist eine Art (Ursus tibetanus) auf das Hochland des Himalaja beschränkt, der Lippenbär auf Vorderindien und Ceylon, der Buan oder malaiische Bär (Fig. 7) auf Malakka und die Sundainseln. Ein Charaktertier der orientalischen Region ist der indische Elefant (Fig. 8), der sich im ganzen Festlandgebiet der Region sowie auf Ceylon, Borneo und Sumatra findet; gleich charakteristisch ist das Vorkommen von vier Nashörnern in der indochinesischen Subregion. Dieser Subregion sowie Malakka, Sumatra und Borneo gehört auch der Schabrackentapir an als der einzige indische Vertreter dieser im übrigen amerikanischen Gattung. Die Gattung Wildschwein ist in verschiedenen Arten vertreten, und eine verwandte Gattung, der Hirscheber (Babyrussa), bewohnt Borneo, Sumatra und Java. Unter den Rindern steht an der Spitze der in Hinterindien heimische stattliche Arnibüssel, das Zebu ist seit uralten Zeiten domestiziert; auf den Philippinen findet sich ein Rind, nahe verwandt mit der merkwürdigen Anoa von Celebes. Charakteristisch für das Gebirgsland der indochinesischen Subregion ist das Moschustier. Die Hirsche sind durch zahlreiche Arten repräsentiert; die geweihlose Gattung Kantschil (Tragulus, Fig. 14) hat ihr Verbreitungszentrum in Malaiasien. Unter den Antilopen finden sich etliche, sonst afrikanische Arten, im äußersten Westen der orientalischen Region, ferner die Vierhornantilopen in den Höhen Ostindiens und Tibets, der Goral auf dem Himalaja und den Gebirgen [119] Sumatras. Unter den Nagetieren ist eine merkwürdige, auf die Philippinen beschränkte Ratte (Phloeomys) hervorzuheben, zahlreich sind die Eichhörnchen, darunter das große zweifarbige (Fig. 6), unter den Fischsäugetieren der Flußdelphin, der sich in den Mündungen des Ganges, Brahmaputra und Indus findet. Von den Vögeln haben die Fasanen (Fig. 12) ihre Heimat im Himalaja; die wilden echten Hühner (Fig. 11) bewohnen die Sundainseln, der Pfau kommt Ostindien und Ceylon zu, und der Argusfasan (Fig. 10) ist auf Sumatra beschränkt. In der indomalaischen Subregion haben ferner die Nashornvögel (Fig. 9) ihr Verbreitungszentrum. Unter den Reptilien ist eine Krokodilgattung, der Gavial (Fig. 15), dem Ganges eigen; Schlangen sind sehr zahlreich und zum Teil äußerst giftig; eine charakteristische Form ist unter andern die Warzenschlange (Fig. 17); die Ceylon-Subregion enthält eine Reihe ihr eigentümlicher Gattungen und Arten. In der Fauna der Süßwasserfische zählte die o. R. noch zur Karpfenregion, die sich bis Java und Borneo erstreckt und hier scharf abschneidet. Charakteristische Arten sind auch die Kletterfische. Die Insektenfauna zeichnet sich durch Pracht und Reichtum aus, von Schmetterlingen sind Ornithopteren, von Käfern die in der malaiischen Subregion besonders entwickelten Bockkäfer hervorzuheben. Unter der Molluskenfauna, zum Teil durch große Zyklostomen charakterisiert, behaupten die Philippinen eine eigenartige Stellung.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 119-120.
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