Roëll [1]

[49] Roëll (Roeille, altburgund. soviel wie Schrei des Bären), ein Geschlecht des burgundischen Uradels, tritt in Deutschland mit Johann von R. (geb. 1599, gest. 1656) auf, der im Dreißigjährigen Krieg aus dem Dienste der Landgräfin von Hessen in den des Großen Kurfürsten überging und von ihm als Oberst und Kommandeur des Regiments Graf Waldeck zu Pferde angestellt wurde. Er erwarb das adlige Haus Döllberg bei Unna in Westfalen, das bis zum Ende des 19. Jahrh. im Besitz der Familie blieb. Sein jüngster Sohn, Hermann Alexander, ging als Pfarrer nach Utrecht; er war Cartesianer und schrieb mehrere Bücher über die Gottheit Christi, die auf den Index gesetzt wurden. Von ihm stammt die jüngere holländische Linie der Familie. Ein Sohn von ihm war Professor in Deventer; nach ihm nannte Linné eine Pflanze Roëlla. Ein Enkel Hermann Alexanders, Friedrich William Baron R., war als holländischer Minister des Auswärtigen ein scharfer Gegner Napoleons. Er suchte die Selbständigkeit Hollands unter dessen Bruder Ludwig zu retten, trat dann aber zurück, als ihm das nicht gelang. 1815 setzte er als Führer der Liberalen mit van Meuren zusammen die Rückberufung der Oranier durch und wurde von neuem Minister des Auswärtigen. Zwei Enkel von ihm waren in der Neuzeit ebenfalls holländische Minister: der Marineminister, Vizeadmiral Jonkheer Jakob R. im Ministerium Pierer und der Minister des Auswärtigen und Ministerpräsident Joan R. (s. unten). Die holländische Linie ist in den holländischen Adel aufgenommen. Die deutsche Linie erhielt von Leopold I. 1660 den deutschen Freiherrenstand. Aus ihr sind zwei Generale Friedrichs d. Gr. bekannt geworden: der Generalleutnant Friedrich Alexander, Freiherr von R., Chef eines Dragonerregiments, der drei Tage vor Kesselsdorf (12. Dez. 1745) im Überfall bei Niederzehren fiel, und der Generalmajor Christoph Moritz, Freiherr von R. (gest. 1797 in Breslau), der sich in den letzten Jahren des Siebenjährigen Krieges bei der Armee des Prinzen Heinrich als Führer der leichten Reiterei auszeichnete. Neuerdings trat hervor Paul, Freiherr von R. (geb. 2. Febr. 1854), der 1883 das »Deutsche Adelsblatt« ins Leben rief und bei Begründung der Deutschen Adelsgenossenschaft erheblich mitwirkte. Er schuf ferner die »Deutsche Volkswirtschaftliche Korrespondenz« und die »Neue politische Korrespondenz«, schrieb das soziale Drama »Wenn zwei dasselbe tun« (1901) und »Bismarcks Staatsrecht« (mit Georg Epstein, Berl. 1903) und rief den »Deutschen Ordens-Almanach« (das. 1905 ff.) ins Leben. Er war zuletzt (1894) Landrat in Pleschen und lebt gegenwärtig in Berlin.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 49.
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