Zedlitz

[861] Zedlitz, 1) Karl Abraham, Freiherr von, preuß. Minister, geb. 4. Jan. 1731 in Schwarzwalde bei Landeshut in Schlesien, gest. 18. März 1793 zu Kapsdorf in Schlesien, seit 1755 Kammergerichtsreferendar, ward 1759 Regierungsrat in Breslau, 1764 Präsident der Regierung daselbst, 1770 Geheimer Staats- und Justizminister und erhielt 1771 auch das Departement der Kirchen- und Schulsachen. Ein Anhänger der Kantschen Philosophie, sorgte er für die Volksschulen und beförderte auf den höhern Schulen und Universitäten eine freie Geistesrichtung. Durch den Arnoldschen Prozeß (s. d.) zog sich Z. 1779 auf einige Zeit die Ungnade des Königs zu, verlor 1788 das geistliche Departement an Wöllner und schied. 1789 aus dem Staatsdienst. Vgl. Rethwisch, Der Staatsminister Freiherr v. Z. und Preußens höheres. Schulwesen etc. (2. Ausg., Berl. 1886).

2) Joseph Christian, Freiherr von, Dichter, geb. 28. Febr. 1790 zu Johannisberg in Österreichisch-Schlesien, gest. 16. März 1862 in Wien, besuchte das. Gymnasium in Breslau, trat 1806 in das österreichische Husarenregiment Erzherzog Ferdinand und nahm als Oberleutnant und Ordonnanzoffizier des Fürsten Hohenzollern an dem Feldzuge von 1809, namentlich. an den Schlachten von Regensburg, Aspern und Wagram und dem Treffen bei Hausen, rühmlichen Anteil, nahm dann aber seinen Abschied, um die Bewirtschaftung seiner Güter in Ungarn zu übernehmen. 1837 wurde er als Publizist des Fürsten Metternich ins Ministerium des Auswärtigen berufen; später vertrat er Sachsen-Weimar, Nassau, Braunschweig, Oldenburg und Reuß als Geschäftsträger am österreichischen Hofe. Von seinen »Dramatischen Werken« (Stuttg. 1830–36, 4 Bde.; neue Ausgabe 1860) fanden die Trauerspiele: »Zwei Nächte zu Valladolid« (Wien 1825), »Der Stern von Sevilla« (Stuttg. 1830) und das Schauspiel »Kerker und Krone« (das. 1834), dessen Gegenstand Tassos letzte Lebenstage bilden. Beifall. Eine höhere Stelle nimmt Z. als lyrischreflektierender und erzählender Dichter ein. Unter seinen »Gedichten« (Stuttg. 1832, 5. Aufl. 1855, auch in Reclams Universal-Bibliothek) befinden sich die früher schon einzeln erschienenen vorzüglichen »Totenkränze« (das. 1827; 2. Aufl., Wien 1831; neuer Abdruck 1841), in denen Z. zuerst den Versuch machte,[861] die italienische Kanzone mit Erweiterung ihrer ursprünglichen Schranken in einer umfangreichern Dichtung anzuwenden, sowie ferner die berühmte Ballade »Die nächtliche Heerschau«, die an Neukomm einen originellen Tonsetzer gefunden hat. Seine einst berühmte poetische Erzählung »Waldfräulein« (Stuttg. 1843, 4. Aufl. 1856, auch bei Reclam) ist jetzt verblaßt; unter seinen spätern Werken dieser Art zeichnen sich die »Altnordischen Bilder« (das. 1850) aus. Großen Erfolg hatte in Österreich sein »Soldatenbüchlein« (Wien 1848; 3. Aufl., Stuttg. 1852), eine Art poetischer Katechismus für die reaktionär gesinnte, bigott katholische Soldateska des Kaiserstaats. Außerdem hat Z. Byrons »Childe Harold« (Stuttg. 1836) übersetzt und eine Anzahl politischer Flugschriften veröffentlicht. Vgl. Castle, Der Dichter des »Soldatenbüchleins« (im »Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft«, Bd. 8, Wien 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 861-862.
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