Betschuānen

[690] Betschuānen (genauer Beschuana, im Singular Moschuana) heißt ein mehrfach gegliedertes, zum großen südafrikanischen Völker- u. Sprachstamme gehöriges Volk, welches den Süden u. Südosten des inneren SAfrika bewohnt, in Bezug auf Körperbau, Hautfarbe, Sitten u. Gebräuche unter sich fast völlig übereinstimmt u. mit seinen östlichen Nachbaren, den Kaffern, sehr nahe Verwandtschaft zeigt. Die Farbe ist meist ein reines Kaffeebraun, am lichtesten bei den Barolong; der Wuchs schlank u. ebenmäßig; sie haben das krause Wollenhaar so wie im Allgemeinen den Typus der Neger. Von Charakter sind sie heiter, mild u. harmlos; ihre häufigen Fehden nehmen selten einen sehr blutigen Ausgang. Ihre Waffen sind nur leichte Speere u. kurze Schilde; deshalb u. wegen der Weichheit, ja selbst Weichlichkeit ihres Charakters unterlagen sie in den Kämpfen stets ihren kriegerischen Nachbarn, wie den Koranas u. Kaffern. Dennoch zeigen die B. offenen Sinn, Liebe zur Unabhängigkeit u. würdiges Auftreten; an Fleiß, so wie an Geschicklichkeit in Handarbeiten übertreffen sie die Kaffern. Eigentliche Sklaverei findet nicht Statt. Die B. treiben Viehzucht in großem Umfange, u. wo es der Boden gestattet, wird er fleißig cultivirt; einige Stämme haben ziemliche Industrie. Den B. fehlt nicht ganz der Begriff einer Gottheit (Morimo); Tempel, Idole, geheiligte Gegenstände u. Priester fehlen fast völlig; einzelne Stämme sollen Affen od. Schlangen od. Krokodile verehren. Menschenopfer od. sonstige blutige Gebräuche widerstreben dem milden Sinne des B. Den Glauben an die übernatürliche Wirksamkeit der Regenmacher theilen sie mit den übrigen Völkern SAfrikas; Beschneidung ist allgemeine Sitte. Christliche Missionäre haben unter mehreren Stämmen bereits Erfolg gehabt. Jeder Stamm hat sein erbliches Oberhaupt; unter ihnen stehen die Häuptlinge der einzelnen Ortschaften u. u. unter diesen wieder die Kosi, d.i. die Reichen, welche eine Art Aristokratie der Nation bilden. Die Macht der Fürsten ist zwar groß u. selbst despotisch, wird aber durch die öffentliche Versammlung der kleineren Chefs (die sogenannten Pitscho) sehr gemäßigt. Früher dehnten sich die B. südlich bis zum Garip aus, wurden aber hier durch Hottentottenstämme verdrängt; von Osten her drang seit einigen Decennien der Kaffernstamm der Zula tief in das Gebiet der B. ein, verwüsteten das Land u. die oft 15–20,000 Ew. zählenden Ortschaften u. bewirkten eine vollständige politische u. sociale Umgestaltung derselben. Einige Stämme wurden bis auf flüchtige Reste völlig vernichtet. In neuester Zeit haben die vom Caplande aus einwandernden holländischen Boers auf dem Gebiete der B. die freien Staaten Oranje-Rivier-Republik u. die Transvaalsche Republik (s. b.) begründet. Die wichtigsten u. bekanntesten Stämme sind: a) die Bassuto (s.d.); b) die Batlapi zwischen dem Sillagole, der Wüste Kalihari, dem Kuruman u. Kolong, in einem sehr dürren, wasser- u. waldarmen Gebiete mit dem Hauptorte Mamusa, der jetzt entvölkerten, ehemaligen Hauptstadt Litháko u. den Missionsplätzen Kuruman u. Motito; c) die Barolong, nördlich von den Vorigen, früher bedeutend, jetzt aber durch die Kaffern zersprengt u. theilweise aufgerieben; der frühere Hauptort Pitsan, unweit des Molopo, hatte 20,000 Ew.; d) die Bauaketsi, nördlich vom Molopofluß, in einem schönen, großentheils von den Gebirgen Makarupa u. Lerupa erfüllten, wasser- u. waldreichen, fruchtbaren u. gut cultivirten Lande, waren vor den Einfällen der Kaffern sehr zahlreich, trieben fleißig Ackerbau u. Viehzucht, verarbeiteten ihre Kupfer- u. Eisenerze u. lieferten viele Holzwaaren; einstige Residenz ihres Herrschers war Malita; e) die Baharutsi, westlich der Vorigen, in einem vorzüglich die Kurritschaniberge umfassenden Landstriche, der zu den schönsten SAfrikas gehört, hatten früher neben Ackerbau u. Viehzucht eine große u. mannigfache Industrie in Metall u. Holz, wurden aber durch die Kaffern aufgerieben u. zerstreut, worauf 1837 die Boers sich des Landes bemächtigten; die frühere Hauptstadt war Kurritschani mit 16,000 Ew.; f) die Bamanguato, südlich an die Baharutsi, nördlich an den Ngamisee grenzend, einst zahlreich, mächtig, industriös u. wohlhabend, während der letzten 20 Jahre aber durch die Zula aufgerieben od. verarmt. Letztere gründeten auf ihrem Gebiete unter ihrem Häuptlinge Moselekatsi ihr neues Reich. Größere Reste der Bamanguato wohnen um die Station Kolobeng; ein anderer Theil, die Batuani, am Nordostende des Ngami; g) die Baquaina (d.i. Krokodilvolk) in den schönen Bergländern längs der Flüsse Ngattuani u. Mariqua zwischen 24–25° S. Br. mit dem Hauptorte Tschonnani od. Baquaina, Missionsstation; h) die Bakatla, nördlich der Vorigen, in den schönen u. fruchtbaren Berglanden westlich der[690] Muralkette u. längs des Limpopo, ein schöner Menschenschlag, mit Holz- u. Eisenindustrie; Hauptort Mabotsa mit 3000 Ew.; i) die Balala sind kein eigentlicher Stamm der B., sondern sie sind, wie die Buschmänner od. Saab des Hottentottenstammes, arm, verachtet u. ohne Eigenthum, wohnen unter. den übrigen B-stämmen zerstreut bis weit nach Norden, leben jedoch nur in den Wäldern u. abgesondert in den Ebenen von der Jagd. Nur in der Wüste Kalahari leben sie unter dem Namen Bakalahari in größeren Haufen. Mehrere europäische Reisende haben sie auch Betschuanen-Buschmänner genannt. Die Bewohner der weiter nördlich gelegenen Staaten u. Länder, wie des Reiches der Cazembe, Moropua etc. sind den B. nahe verwandt, aber noch nicht hinreichend erforscht. Die Bayeiye nördlich des Ngamisees u. Lugaflusses sollen ganz verschieden von den B. sein. Die Sprache der B., das Setschuana, ist außerordentlich weich u. wohlklingend. Sie gehört zu dem großen südafrikanischen Sprachstamme u. zerfällt in verschiedene Mundarten. Grammatisch wurde sie von Casalis (Etudes sur la langue Sechouana, Par. 1841) bearbeitet; das N. T. ward in dieselbe vom Missionär Moffat (Lond. 1843) übertragen. Seitdem sind verschiedene religiöse Schriftchen u. Unterrichtsbücher gedruckt worden. Über die B. berichten u. A. Lichtenstein, Thompson, Campbell, Alexander, Harris, Methuen, Freemann, Anderson, besonders Livingstone (Travels, Lond. 1857). Vgl. Solomon, Lectures on the native tribes of the Interior, Capstadt 1855.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 690-691.
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