Dacien

[637] Dacien (Dacia, a. Geogr. u. Gesch.), Land im O. Europas, hatte zur Zeit der römischen Herrschaft folgende Grenzen: im W. den Fluß Tysia, welcher es von den Iazyges Metanastä trennte, im N. den Mons Carpates, im O. den Fluß Hierasus bis zu seiner Mündung in den Danubius, welcher es von Sarmatien trennte, u. im S. den Danubius, welcher die Grenze gegen Mösien machte; also das jetzige Temeser Banat, Ungarn östlich von der Theiß, Siebenbürgen, die Bukowina, Moldau westlich vom Pruth u. die Walachei; Hauptgebirg war der Mons Carpates; auf demselben entsprangen die Flüsse des Landes, wie Tisianus (Tysia), Marisius, Hierasus, Alutas u. viele kleinere, welche in den südlichen Grenzfluß, den Danubius, mündeten; das Land war fruchtbar an Getreide, Holz, Salz, Metallen, selbst Gold; die Einwohner, Daker, sollten nach Ein. von den asiatischen Daä abstammen, nach And. Geten, also Thracier sein; einzelne Völkerschaften derselben waren: Anarten, Taurisker, Cistoboken, Prendavasler, Rhatacensier, Caukoensler, Biëphen, Buridensier, Cotensier, Albocensier, Potulatensier, Sinsier, Saldensier, Ciagisen, Piëphigen etc., mit vielen Städten u. Ortschaften; sie trugen weite Beinkleider, Röcke bis an die Knie u. Mäntel, auf dem Kopf eine Mütze; als Waffen Keulen, krumme Säbel, Bogen u. Schilde, als Feldzeichen einen Drachen auf einer Stange; die Weiber lange Ärmelröcke, um den Kopf ein Tuch gewunden; sie standen unter Königen, denen zur Seite ein Rath von Priestern stand, s. u. Geten. Der Name der Daker findet sich erst zu Anfang der römischen Kaiserzeit; sie hatten zur Zeit des Augustus unter ihrem Könige Börebistas durch Siege über die Bojer, Taurisker u. andere Celten in Thracien u. Illyrien sich sehr weit nach Süden ausgedehnt u. dadurch die Aufmerksamkeit der Römer auf sich gezogen. Die Theilung des Dacischen Reichs in mehrere Theile erleichterte den Römern die Siege, in deren Folge sie die Daker nöthigten, sich nördlich der Donau zu ziehen; Mösien wurde römische Provinz, u. die Ufer der Donau mit Festungen u. Legionen besetzt. Aber die Vertriebenen beunruhigten die Römer auch ferner, am meisten zu Domitians Zeiten unter ihrem tapferen Könige Decebalus, der die römische Kriegskunst durch Überläufer kennen gelernt hatte. Die Römer erlitten mehrere Niederlagen u. Domitian mußte sich zu einem demüthigenden Frieden u. jährlichen Tribut verstehen. Decebalus machte immer drückendere Forderungen an die Römer, bis Trajan 106 n. Chr. eine Brücke über die Donau bauen ließ u. auf zwei Seiten in das jetzige Banat eindrang, einige Treffen gewann, durch das Eiserne Thor nach Siebenbürgen vordrang, Sarmizegethusa, die Hauptstadt der Daker, eroberte u. die Daker in der jetzigen Walachei so drängte, daß Decebalus in Verzweiflung sich selbst ums Leben brachte. Binnen fünf Jahren waren beide Dacische Kriege beendigt; die Daker unterwarfen sich, viele wanderten in die nördlichen Gegenden am Dnister aus (wo sie Tyrageten hießen). D. wurde nun römische Provinz; die Sieger schickten viele Colonisten dahin, welche sich nach u. nach mit den neuen Ankömmlingen vermischten, u. dadurch scheint der Volksstamm entstanden zu sein, der noch jetzt unter dem Namen Walachen u. Moldauer die Länder zwischen den Ungarischen Karpathen, dem Dnister, dem Schwarzen Meere u. der Donau bewohnt u. sich selbst noch Romänen, ihre Sprache die Romanische nennt. Das Land theilten die Römer in Dacia ripensis (D. alpestris), auf der Nordseite der Donau, in Dacia alpensis (D. riparia), in der Nähe der Karpathen, u. in Dacia mediterranĕa, od. das Land zwischen beiden, ein. Im Jahre 257 n. Chr. eroberten die Gothen D., u. Kaiser Aurelian gab es ganz auf, u. unter dem nunmehrigen D. (Dacia Aureliani) verstand man einen Theil Mösiens, südlich von der Donau. Bei Constantins Reichseintheilung wurde D. zu Macedonia geschlagen. Der Name Daker scheint in der Völkerwanderung untergegangen zu sein u. sie selbst als Chazaren u. Petschenegen sich über die Länder im Norden verbreitet zu haben. Vgl. Marsili, Danubius Pannonico-Mysicus, Haag 1726 ff.; Köleseri de Keresees, Auraria romano-dacica, Hermannst. 1717; Seivert, Monumenta veterum Romanorum in Dacia, Wien 1773; von Hohenhausen, Alterthümer Daciens zu Zeiten der Römer, ebd. 1775; Kantancsich, Istri accolarum geographia vetus, Ofen 1827, 2 Bde.; Griselin, Geschichte des Temeswarer Banats, Wien 1779; Sulzer, Geschichte des transalpinischen Daciens, ebd. 1781, 2 Bde.; Henn, Beiträge zur dacischen Geschichte, Hermannst. 1836; Kogalnitchan, Histoire de la Valachie, de Moldavie etc., Berl. 1837.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 637.
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