Island [2]

[89] Island (Gesch). Der Däne Gardar, von schwedischer Abkunft, war der erste Normanne, welcher im Jahre 863 J. entdeckte; nur einzelne Küstenorte waren etwa 50 Jahre früher von irländischen Eremiten besucht worden. 874 begannen die Norweger Ingolf u. Hiorleis die Colonisation der Insel, welche in 60 Jahren vollendet war. Die Neubauer, zum Theil den angesehensten Familien des Nordens angehörend, errichteten hier einen Freistaat. Hier erhielt sich die Ursprache des Nordens Jahrhunderte lang unentstellt, u. hier wurden in den Eddas die Volkslieder u. Volksmythen u. in den Sagas die historischen Erzählungen, welche die Colonisten aus dem skandinavischen Mutterlande mitgebracht hatten, zuerst aufgezeichnet. Jenen folgte 881 Skallagrim, König Völldufs Sohn. Er besetzte ein großes Stück Land u. ließ sich dort viele Andere ansiedeln. Auch sein Sohn, der Skalde Egil, kam nach J. Die Vermehrung der Colonisten, deren Anzahl auf 80,000 gewachsen war, machte das Bedürfniß einer ordentlichen Regierungseinrichtung fühlbar. Ulfliot, ein angesehner Colonist, ging 925 nach Norwegen u. entwarf 928 nach der Analogie der heimischen Gesetze ein eigenes Gesetz u. eine Verfassung für J. (nur noch in der Tradition übrig); man wählte jährlich ein gemeinsames Oberhaupt, Lagmann (Gesetzmann), welchem die Vollziehung der Beschlüsse u. Anordnungen übertragen war; Ulsilot war der erste Lagmann. Missionarien, wie Stefnir Thorgilsson (996–97), dann der Sachse Dankbrand, kamen nach J., das Christenthum auszubreiten, u. es gelang endlich den Isländern Gissur u. Hjalti Skeggjason, im Einverständniß mit dem Lagmann Thorgeir von Ljosovatn, durch einen Landtagsschluß (1000) das Christenthum zur Landesreligion zu machen, u. 1016–20 wurden die letzten Spuren des Heidenthums vertilgt; die Kathedrale zu Skaalholt wurde vom ersten Bischof Islef erbaut (1057), das Bisthum zu Holum mit einem Dom gestiftet (1106) u. bei beiden eine Schule angelegt. Mit dem Christenthum kam auch Schreibkunst u. Cultur nach J. Die Isländer entdeckten Ostgrönland, wohin sie Colonien sandten u. das Christenthum verpflanzten; sie besuchten des Handels u. des Studirens halber Deutschland, bes. Erfurt, reisten nach Rom u. nach Frankreich, wo sie mit alter Literatur u. der Dichtkunst der Troubadours bekannt wurden. Nachdem die Ulfliotsche Verfassung an 300 Jahre bestanden hatte, suchte sich statt der Demokratie unter blutigen Kämpfen eine Aristokratie geltend zu machen. Damals lebte in J. Snorre Sturleson, der zum Studium der skandinavischen Geschichte nach Norwegen u. Schweden gereist u. dort Minister geworden war; dieser ging jetzt nach J. zurück; er unterdrückte die Zwistigkeit u. wurde Lagmann, ward aber 1241 von seinem Gegner Gissur erschlagen. Um die Ordnung wieder herzustellen, unterwarfen sich die Isländer (1261) dem norwegischen König Hakon V. u. erkannten auch dessen Nachfolger als Jarl an, bis sie zugleich mit Norwegen (1380) an Dänemark kamen, welches Statthalter in J. einsetzte. Aber J. war bereits in Verfall; eine schreckliche Pest hatte die Hälfte der Bevölkerung hingerafft (1350). Über die Einführung der Reformation brachen Unruhen aus (1540–51), die bald durch den Sieg derselben beendet wurden. Im 18 Jahrh. wurde auf J. von Seeräubern große Verwüstung angerichtet, im 18. die Bevölkerung durch zahlreiche Mißernten u. Hungersnoth gemindert u. durch Ausbrüche der Vulkane (bes. 1698 u. 1724), so wie durch Erdbrände (1783) das Land heimgesucht. Von diesen Unglücksfällen hat J. sich nie wieder erholt. Während des Krieges zwischen England u. Dänemark erschien 12. Jan. 1809 der ehemalige dänische Matrose Jörgen Jörgenson mit zwei englischen Caperschiffen vor Reykjavik, nahm den dänischen Gouverneur, Grafen Trampe, gefangen u. schickte ihn so nach London, proclamirte am 21. Juni eine Isländische Republik, bezog das Gouvernementshaus u. hielt sich eine mit langen Messern bewaffnete Garde; wer sich ihm widersetzte, sollte erschossen werden. Im August wurde seine Flagge 3 Stockfische) von einem britischen Kriegsschiff als ungesetzlich vernichtet, er abgesetzt u. gefangen nach London gebracht. 1821 im Dec. heftiger Ausbruch des Eyafiäl u. 1823 des Kattlagiaa; 1824 u. 25 Hungersnoth; 1827 verminderte eine Epidemie die Einwohnerzahl auf[89] 40,000. Seit 1831 ist die Bevölkerung wieder gestiegen. 1843 erhielt J. ein den übrigen dänischen Provinzialständeversammlungen nachgebildetes Althing. Vgl. Leo, Einiges über das Leben u. die Lebensbedingungen von J. in der Zeit des Heidenthums, in Raumers Historischem Taschenbuch, Bd. 6, 1835; Finn Johannsson, Historia ecclesiastica Islandiae (bis 1740), Kopenh. 1772–78, 4 Bde., fortgesetzt (bis 1840) von Peter Petersson, ebd. 1841; Harbou, Om reformationen i Island; Peter Petersson, De jure ecclesiarum in Islandia, Kopenh. 1844; Skyrslur um landshagi a Islandi, ebd. 1855 f.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 89-90.
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