Pontos [2]

[357] Pontos, die nordöstliche Landschaft Kleinasiens, begrenzt von Paphlagonien, Galatien, Kappadokien, Groß- u. Kleinarmenien, Kolchis u. dem Schwarzen Meer; ihre Grenze bildete gegen Westen der Halys, gegen Süden der Antitauros u. Paryadres, gegen Osten der Phasis; sie begriff die jetzigen Ejalets Trebisond u. Siwas; Gebirge: Sködises u. Paryadres mit dem Lithros u. Ophlimos; einzelne Berge: Heiliger Berg u. Teches; Vorgebirge: Herakleion, Jasonion, Zephyrion; Meerbusen: Amisenus u. Kotyoräos; Flüsse: Halys, Iris mit Lykos, ferner Akampsis u. Phasis; Landsee: Stiphane (s.d. a.); einzelne Landschaften u. Bezirke waren: Gazelonitis, Saramene, Sidene, Themiskyra, Phazemonitis, Pimolisene, Diakopene, Chiliokome, Phanaröa, Daxlmonitis, Zeletis, Ximene, Megalopolitis; die vornehmsten Städte waren: an der Küste: Amisos, Polemonion, Kotyora, Pharnakia, Kerasus, Trapezus, Apsaros; im Innern: Amasia, Kabira, Gaziura, Komana, Neo-Cäsarea, Zela, Sebastia (s.d. a.); die wichtigsten Völkerschaften waren: Leukosyri, Tibareni, Chalybes, Mosynoki, Drilä, Bechires, Buzeres, Kolchi, Sanni, Mares, Taochi, Phasiani (s.d. a.).

Diese Völkerschaften waren von verschiedener Abstammung; die westlichste, die Leukosyri, u. die ihnen östlich wohnenden Chalybes, später Chaldäi genannt, gehörten wohl zu den Indogermanen, von der östlicheren ist es schwer eine nur wahrscheinliche Ansicht aufzustellen. Sie sollen schon von Ninos unterworfen worden sein u. wurden auch dann zum Persischen Reiche gerechnet, obgleich sie im 5. Jahrh. v. Chr. noch ziemlich selbständig waren. Unter ihnen hatten sich schon früh an der Küste griechische Colonien angesiedelt, wie Trapezus, Kerasos, Kotyora etc. Mithridates (I.), der persische Statthalter von Phrygien, wozu P. gehörte, stand 400 v. Chr. dem jüngern Kyros bei u. verweigerte dem König Artaxerxes den Tribut. Sein Sohn Ariobarzanes, 363, machte sich bei der allgemeinen Empörung der Statthalter in Unterasien gegen Artaxerxes II. unabhängig. Sein Sohn, Mithridates (II.) I. Ktistes, seit 337, trat sein Reich freiwillig an Alexander d. Gr. ab (333), u. bei der Theilung 322 fiel es dem Antigonos zu. Mithridates floh nach Paphlagonien, fand dort Anhang, vertrieb das Heer des Antigonos u. behauptete sich nicht nur, sondern vergrößerte auch sein Reich; er blieb 302 gegen Antigonos. Sein Sohn Mithridates (III.) II. behauptete sich in dem väterlichen Reiche u. eroberte Kappadokien, Paphlagonien u. Amastris, die Stadt der Herakleenser. Er gilt als der Stifter des Reichs P., wenigstens erhielt dasselbe seit seiner Zeit als ein eignes Reich allgemeine Geltung. Ihm folgte 265 sein Sohn Mithridates (IV.) III. Er trieb zwar die Gallier zurück, aber die Belagerung von Sinope mußte er aufgeben, erst sein Nachfolger Pharnakes I., 184, nahm Sinope u. machte es zu seiner Residenz; die von seinen Vorfahren begonnenen Kriege mit Pergamum u. Kappadokien beendigte er. Mithridates (V.) IV. Euergetes, seit 157, unterstützte die Römer im dritten Punischen Kriege gegen Aristonikos von Pergamum, daher er Freund u. Bundesgenosse derselben wurde u. von ihnen auch 124 v. Chr. Großphrygien erhielt; er wurde 124 in Sinope ermordet. Gegen das Leben seines dreizehnjährigen Sohnes, Mithridates (VI.) V. des Großen od. Eupator, machten seine Mutter u. Erzieher Pläne, allein er entfloh u. lebte sieben Jahre in den Waldgebirgen, dann kehrte er zurück, beseitigte seine Mutter u. Vormünder u. begann seine thatenreiche Regierung. Nachdem er sich ein Heer u. Flotte geschaffen hatte, besiegte er die Skythen (112–110), durchwanderte Kleinasien u. verband sich mit den Völkern vom Schwarzen Meere bis zur Chersonesos Taurika (110–108) u. mit dem König Tigranes von Armenien, welchem er seine Tochter in die Ehe gab, eroberte mit Nikomedes II. von Bithynien Paphlagonien u. Kappadokien u. dann selbst Bithynien (92). Darauf kam er 89 mit den Römern in Conflict, welche unter Oppius u. M'Aquilius die vertriebenen Könige von Kappadokien u. Bithynien zurückführen wollten. Er führte bis 64 drei Kriege, von denen der letzte seit 74 auch der Pontische Krieg heißt, mit abwechselndem Glück gegen die Römer, s. u. Mithridates 6); endlich von Pompejus besiegt, vergiftete er sich 64 selbst. Seinem Sohne Pharnakes ließen die Römer die Taurische Halbinsel als Bosporanisches Königreich; das eigentliche Reich P. zwischen dem Iris u. Kappadokien schlugen sie zur Provinz Bithynien u. verleibten es dem Römischen Reiche ein; das Land der Kolchier u. anderer benachbarter Völker am südöstlichen Ende des Schwarzen Meeres wurde dem Aristarchos als eignes Reich gegeben; der an Galatien grenzende, an dem Ufer des Halys gelegene Theil von P. kam als P. galatĭcus zu Galatien; den angrenzenden Theil erhielt ein eigner Fürst; den mittlern Theil P. polemoniăcus, mit den Hauptstädten Sinope u. Polemonion, wozu noch das ganze östliche Land um Trapezus u. die Küste bis zum Fluß Phasis gehörte, erhielt Darios, der Sohn des Pharnakes u. Enkel des Mithridates, durch Antonius, i. J. 39, u. nach dessen Ermordung folgte Polemo I., Sohn des Rhetors Zeno, der zugleich den Bosporos, Kleinarmenien u. Kolchis besaß. Polemo's Wittwe Pythodoris heirathete dann den König Archelaos von Kappadokien u. brachte demselben den östlichen Theil von P. zu, welcher deshalb P. cappadocĭus hieß. Nach dem Tode der Pythodoris folgte ihr Sohn Polemo II. als König von P. u. einem Theil Kilikiens, 93 n.Chr.; den Bosporus nahm ihm Nero, u. auch sein Land wurde nach seinem Tode römische Provinz. Früh verbreitete sich das Christenthum durch dort schon seit langer Zeit angesiedelte Juden (daß aber Petrus selbst das Evangelium in P. gepredigt habe, ist eine blose Sage) u. unter Trajan war die Zahl der Christen so groß, daß der Statthalter Plinius ernstlich auf ihre Unterdrückung dachte, was aber so wenig gelang, daß im 4. Jahrh. fast das ganze Land christlich war. Im 2. Jahrh. wurde eine neue Eintheilung des Landes gemacht; die drei Theile des P., nebst dem eigentlichen Kappadokien u. Kleinarmenien, wurden zur Provinz Kappadokien geschlagen, nur der westliche Theil am Halys wurde ein Theil von Galatien. Unter Diocletian u. Constantin dem Großen zerfiel die große Provinz Kappadokien wieder; die westliche Hälfte von P., der ehemalige[357] Galatische P., hieß nun Heleno-P.; die östliche behielt den Namen P. polemoniacus u. wurde mit dem P. cappadocius vergrößert, die südliche Spitze mit Sebastia aber kam zu Armenien. 1204 erstand dort in Trapezunt ein Zweig des Byzantinischen Kaiserthums, s. Trapezunt (Gesch.). Vgl. Hamilton, Researches in Asia minor, Pontus and Armenia, Lond. 1842, 2 Bde., deutsch von Schomburgk, Lpz. 1843, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 357-358.
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