Meinung

1. Anderer Meinung soll man hören und mit Verstand sich daran kehren.

Böhm.: Přijímej cizí zdání, a drž se svĕho uznání. (Čelakovský, 204.)

Poln.: Každego zdanie przyjmuj, a swego się rozumu trzymaj. (Čelakovský, 204.)


2. Das ist meine Meinung nicht, sagte der Vogt, da der Bettler meinte, er könne seiner Wege gehen.

Holl.: Dat is de meening niet, zei malle Fransje. (Harrebomée, II, 71a.)


3. Die gemeine meinung ist Meister.Lehmann, 499, 3.

»Wer den Hebel der öffentlichen Meinung in Händen hat, kann die politische Welt aus ihrer Achse heben und ist derselben unsichtbarer Herr.« (Welt und Zeit, III, 41, 48.)

Frz.: L'opinion est la reine du monde.


4. Die gute Meinung deckt alle Fehler.Mayer, I, 1; Chaos, 1088.


5. Die klingende meinungen vnd kunst die besten.Gruter, I, 20; Henisch, 328, 19; Lehmann, 255, 29; Schottel, 1122a; Eiselein, 382 u. 458; Körte, 4200; Simrock, 6946; Braun, I, 2659.

Lat.: Auro loquente, nihil potest quaevis oratio. (Sutor, 906.)


6. Die Meinung ist die Königin der Welt.

»Der Fortschritt verändert die Meinung und die Meinung ist die Königin der Welt.« (A. Constant, Bibel der Freiheit, 213.)


7. Die Meinung thut viel in allen dingen.Petri, II, 138.


[575] 8. Die Meinung von heute ist nicht immer die von gestern.

Nur ein Stockfisch kann seine Meinung behalten, wenn er eine hat. Als R. Peel in das Lager seiner entschiedensten Gegner, der Feinde der Korngesetze, überging, sagte er im Parlament: »Meine Herren, das Recht, seine Meinung zu wechseln, ist eins der wichtigsten menschlichen Privilegien.«

Engl.: A wise man changes his mind, a fool never. (Bohn II, 23.)


9. Die Meinungen der Starken sind Eichen, die Meinungen der Schwachen sind Halme, die jedem Winde weichen.

»Die Meinung der Schwachen beugt der herrschende Wind, wie das Rohr am Bache; die Meinung der Starken steht fest wie eine Eiche.« (Welt und Zeit, I, 128, 158.)


10. Es ist nicht jede Meinung eine Wahrheit.

Dän.: Meening er ei altid sanding. (Prov. dan., 412.)


11. Falsche meinung (vnd beredungen) machen viel vnglück.Lehmann, 512, 26.


12. Gemeine Meinung ist eine Macht, die ein Fürste nicht veracht't.

»Diejenigen, welche den Strom der öffentlichen Meinung aufhalten wollen, sind so lächerlich, als die Frösche, welche über den Sturm im Meere Klage führten.« (Welt und Zeit, III, 43, 58.)


13. Gemeine Meinung1 kann man nicht stellen wie eine Taschenuhr.

1) Es ist die öffentliche Meinung gemeint.


14. Gleiche Meinung schafft Vereinung.


15. Gute Meinung gewinnt alle Händel.


16. Gute Meinung ist der beste Richter.


17. Gute Meinung ohne Thaten geben einen magern Braten.

Holl.: Goede meening zonder daad, doet aan niemand eenge baat. (Harrebomée, II, 71a.)


18. Ich bin nicht deiner Meinung, sagte die Henne zum Fuchs, da er sie zu einem Spaziergang einlud, und flog in den Stall.

Holl.: Ik versta uwe meening zeer wel, zei de patrijs tegen den vas, en hij vloog van hem weg. (Harrebomée, II, 71a.)


19. Ich bin noch nicht meiner Meinung, sagte der Wirth in Ellfeld.

Und zwar in der Regel dann, wenn die Schoppengäste über irgendetwas stritten und ihn um seine Ansicht fragten. Zur Charakteristik derer, die erst dann eine eigene Meinung haben, wenn sie ein oder mehrere fremde vernommen haben. Nach der Gartenlaube (Leipzig 1863, Nr., 16, S. 62) soll Ellfeld am Rhein liegen; im Huhn'schen Lexikon findet sich aber ein solcher Name nicht.


20. In de Meinunge beschîtet (irren, täuschen) seck de Kinder, segt de Pastor. (Hildesheim.) – Hoefer, 818.


21. Jeder hat seine Meinung.

Frz.: Chacun a son opinion et non discretion. (Leroux, II, 196.)

It.: Il parer proprio non ha mai torto. (Bohn I, 103.)


22. Meinungen regieren die Welt.Hillmer, 440.

Dän.: Verden regieres af meeninger. (Prov. dan., 412.)

Lat.: Mundus regitur opinionibus.


23. Meinungen sind keine Verbrechen.

»Nur Verbrechen, nicht Meinungen gebührt Strafe.« (Wessenberg, Ueber Schwärmerei, Heilbronn 1833.)


24. Mit der öffentlichen Meinung soll keine Regierung, mit Gift, Gewehr und Schiesspulver kein Mensch spielen.Welt und Zeit, V, 359, 181.


25. Viel Meinung bricht Einung.Körte, 4200; Simrock, 6945; Braun, I, 2658.


26. Was guter Meinung geschicht, verdienet ein stück am Himmel.Gruter, III, 99; Lehmann, II, 685, 73.


27. Wenn eine gute Meinung wird übel ausgelegt, so ist's, als wenn der Köhler eine Perle in die Hand nimmt.


28. Wenn man jedem sein meinung lesset, so macht man niemand zornig.Lehmann, 511, 14.

Dän.: Lader man hver have sin meening, saa giør man ingen vred. (Prov. dan., 412.)


29. Wer die Meinung verlässt, den verlässt auch die Meinung.

Wer dem Princip, zu welchem er sich bisher bekannte, untreu wird, der hat auch alle die zu Gegnern, die sich um dasselbe Princip scharen; die Mitglieder seiner bisherigen Partei werden seine Gegner.


[576] 30. Wer guter Meinung kommt herein, der soll mir lieb und willkommen sein; wer aber anders kommt herfür, den hab' ich lieber vor der Thür.Hertz, 19.

Hausinschrift in der Schweiz.


31. Wer in der öffentlichen Meinung untergegangen ist, der kann auf dem Strom der Zeit wol noch zappeln, aber nicht lange mehr schwimmen.Welt und Zeit, V, 364, 293.


32. Wer seine Meinung als hinreichend betrachtet, setzt sich der Gefahr aus.Burckhardt, 259.

33. Zwei Meinungen sind besser als nur eine, sagt das Mildener Landrecht.

Frz. Schweiz.: Dóu jévi vâliont me' tié con d'opri le cotherni de' Moudon. (Schweiz, II, 96, 3.)


*34. Bei seiner Meinung bleiben.

»Sage doch keiner, den Weg will ich gehen bis ans Ende. Wir gehen nicht hienieden, wir werden gegangen.« (Holtei, Eselsfresser, I, 131.)


*35. Den will i de Mêning geig'n. (Franken.) – Frommann, VI, 168, 107.


*36. Derselben Meinung sein.

Lat.: Album calculum addere. (Faselius, 8; Hanzely, 40) (Philippi, I, 16.)


*37. Eine Meinung mit der Muttermilch einsaugen.


*38. Er hät e Meinig wie 's grosse Hunds Götti. Sutermeister, 68.


*39. Er hät Meinig wie'n e Hûs.Sutermeister, 68.


*40. Seine Meinung geht auf Stelzen.Parömiakon, 1710.

Es ist nicht so, wie er glaubt; er hat hohe Dinge im Kopf, aber er täuscht sich.

*41. Si hend d' Meinig enander.Sutermeister, 102.

Von ein paar Liebenden, die sehr vertraut sind.


[Zusätze und Ergänzungen]

42. Vier widerwärtige mainung seind im christlichen glauben, sectae, spalt: catholisch- rechtglaubig; ketzerische bosshait, abgesunderte in jrrung; mamolukische halb und halb.Rasch, 25.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.

138 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon