Oldenburg

Oldenburg

[338] Oldenburg (das Großherzogthum) besteht aus drei sehr ungleichen und voneinander getrennten Landestheilen, die zusammen gegen 117 ! M. und 265,000 meist lutherische Einw. zählen. Das Hauptland oder eigentliche Herzogthum O. im nördl. Deutschland, 100 ! M. und gegen 220,000 Einw., von der Nordsee und Hanover begrenzt, ist in Kreise, Ämter und Kirchspiele eingetheilt und durchaus eben und so niedrig gelegen, daß es durch Deiche und Dämme gegen Überschwemmung gesichert werden muß. Der Ackerbau und ausgezeichnete Rindvieh- und Pferdezucht werden nur in den fetten Marschländereien an den Ufern des Meeres und der Flüsse betrieben, von denen die einen Theil der Ostgrenze bildende Weser und die bei Elsfleth sich mit derselben vereinigende, schiffbare Hunte den Verkehr mit Vieh, Holz, Getreide etc. und das Fischerei- und Schiffergewerbe begünstigen. Der größere Theil des Landes besteht aus Geestland, Torfmooren und unfruchtbaren, zum Theil baumlosen Haidegegenden, in denen man zuweilen Stunden weit keine Wohnungen antrifft, wo aber große Heerden grobwolliger Schafe und einträgliche Bienenzucht unterhalten werden. Spinnen, Leinen-und Wollenweberei wird größtentheils nur zum eignen Bedarfe betrieben. Die Hauptstadt Oldenburg hat gegen 7000 Einw. und liegt an der Hunte, ist gut gebaut, besitzt ein schönes Residenzschloß, ein Gymnasium, eine Militairschule, öffentliche Bibliothek und ist der Sitz der höchsten Landescollegien; die ehemaligen Wälle sind in Spaziergänge umgewandelt. Bei dem Flecken Elsfleth mit 1800 Einw., an der Weser, wurde bis 1820 ein starker Weserzoll erhoben. Der Flecken Varel an der Nordsee mit 2800 Einw. gehört mit der gleichnamigen Herrschaft unter großherzogl. Landes. hoheit den Grafen von Bentinck, die auch Besitzer der Herrschaft Kniphausen (s.d.) sind, wo sie die Landeshoheit besitzen, aber doch die Oberherrlichkeit des Großherzogs von O. anerkennen. Braake mit 1200 Einw. an der Weser hat einen Hafen für größere Seeschiffe; Delmenhorst zählt 1600, Wildeshausen an der Hunte 2000 Einw. und hat eine katholische und evangelische Taubstummenanstalt. Die befestigte Stadt Vechta mit 1800 Einw. ist der Sitz eines katholischen Gymnasiums und bischöflichen Officialats; das Saterland an der westl. Grenze ist ein großer Moor, der beim Heumachen blos mit leichten breiträderigen Wagen ohne eiserne Reisen und mit Pferden befahren wird, denen Breter unter den Huf befestigt sind und wo noch altfries. Sprache und Sitte sich bei den Bewohnern erhalten hat. Im Lande Jever ist die gleichnamige Stadt mit 3000 Einw., an der Küste die von Abkömmlingen der alten Angeln bewohnte Insel Wangeroog mit einer Seebadeanstalt zu bemerken. – Das Fürstenthum Lübeck oder Eutin liegt in zerstreuten Parcellen im Holsteinischen, grenzt an die Ostsee, hat großentheils ebenen, fruchtbaren Boden und 8 ! M. mit 20,000 Einw. Der Hauptort, Eutin mit 3000 Einw., liegt anmuthig am danach benannten See und ist der Sitz der im Fürstenthum bestehenden Regierungs- und Justizkanzlei und des Consistoriums. – Das Fürstenthum Birkenfeld, wo die Regierung Verwaltungs- und richterliche Behörde ist, liegt am linken Rheinufer an der Nahe und einem Theile des Hundsrück, der Idar-Wald genannt, hat 9 ! M., 26,000 Einw., ist gebirgig und wenig fruchtbar, treibt aber Bergbau und liefert Eisen, Steinkohlen, schöne Achate und Halbedelsteine, die in den Flecken Oberstein und Idar geschliffen und in den großen Fabriken des Nahethales verarbeitet werden. Der Hauptort Birkenfeld hat 1800 Einw., ein Schloß und ansehnliche Viehmärkte.

Als Mitglied des deutschen Bundes hat O. im engern Rathe der Bundesversammlung mit den drei anhalt. und zwei schwarzburg. Häusern die 15. Stelle, im Plenum aber eine besondere Stimme und stellt 2177 M. zum Bundesheere, hat jedoch seit 1834 die Aufbringung des Artilleriecontingents von den freien Städten übernommen, die dagegen die von O. zu stellende Reiterei liefern. Noch ist keine landständische Verfassung eingeführt, doch haben auch hier zeitgemäße Abänderungen der alten Formen stattgefunden. Die jährlichen Einkünfte betragen etwa 11/2 Mill. Gulden, und da schon 1818 sämmtliche Staatsschulden abgetragen worden sind, gehört O. zu den am niedrigsten besteuerten Ländern Deutschlands. O. war vordem eine Grafschaft und die Reichsunmittelbarkeit ihrer Besitzer, die von einem der ältesten sächs. Dynastengeschlechter abstammen, war schon zu Anfang des 13. Jahrh. anerkannt Ein Graf von O. [338] gelangte 1448 auf den dän. Thron, der seitdem bei diesem Hause geblieben ist, an das 1667, nach dem Erlöschen des Mannsstammes in O., auch dieses mit Delmenhorst, Jever und andern inzwischen erworbenen Landschaften kam, allein 1773 wieder an den russ. Großfürsten Paul Petrowitsch, nachherigen Kaiser Paul, welcher die ältere Gottorp'sche Speciallinie (Holstein-Romanow) in Rußland fortsetzte, gegen dessen Ansprüche auf Holstein abgetreten wurde. Dieser überließ es hierauf seinem Vetter von der jüngern Gottorp'schen Speciallinie, dem Herzoge von Holstein-Gottorp und Fürstbischof von Lübeck, Friedrich August, und der deutsche Kaiser erhob 1776 die Grafschaften O. und Delmenhorst zum Herzogthume O. Der Nachfolger dieses 1785 gestorbenen ersten Herzogs von O. war dessen gemüthskranker Sohn Wilh. Peter Friedrich, von welchem die Landesverwaltung 1788 seinem Vetter Peter Friedrich Ludwig, geb. 1755, Fürstbischof von Lübeck, überlassen wurde. Ungeachtet dieser 1808 dem von Napoleon gestifteten Rheinbunde beigetreten war, wurden 1810 die oldenburg. Lande doch dem franz. Kaiserthume mit andern deutschen Gebieten einverleibt. Die angebotene Entschädigung durch das Gebiet von Erfurt ablehnend, ging der Herzog nach Rußland und errichtete später eine russ.-deutsche Legion zur Bekämpfung der Franzosen, nach deren Vertreibung er im Nov. 1813 nach O. zurückkehrte, das vom wiener Congreß durch das Fürstenthum Birkenfeld und einen hanov. Landstrich mit 5000 Einw. vergrößert und als Großherzogthum anerkannt ward. Nach des gemüthskranken Wilh. Peter Friedrich's Tode im Jul. 1823, folgte Peter Friedrich Ludwig, jedoch ohne den großherzogl. Titel anzunehmen, was erst nach seinem am 21. Mai 1829 erfolgten Ableben von seinem Sohne und Nachfolger, dem noch regierenden Großherzoge Paul Friedrich August (s.d.), am 28. Aug. 1829 geschah. Eine Tochter desselben erster Ehe, Amalia, geb. 1818, ward 1836 mit König Otto I. (s.d.) von Griechenland vermählt. Im nämlichen Jahre kam auch mit Hanover und Braunschweig ein Vertrag über gemeinschaftliche Einführung gleichmäßiger Eingangs-, Durchgangs-, Ausgangs- und Verbrauchsabgaben zu Stande, für Birkenfeld aber trat der Großherzog dem preuß. Zollverbande bei. Bei Gelegenheit der 25jährigen festlichen Feier der Wiederkehr seines verstorbenen Vaters nach O. legte der Großherzog am 27. Nov. 1838 in Oldenburg den Grundstein zu einem allgemeinen Krankenhause für Bürgerliche und Militairpersonen, das zum Gedächtniß des vor Ausführung derselben Absicht Verewigten, das »Peter Friedrich Ludwig's Hospital« heißen soll, und aus demselben Grunde erhielt auch der bei gleicher Veranlassung gestiftete Orden mit vier Classen zur Belohnung treuer Dienste, wissenschaftlicher und sonst gemeinnütziger Bestrebungen den Namen »Haus- und Verdienstorden des Herzogs Peter Friedrich Ludwig«.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 338-339.
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