Wilhelm I. [2]

Wilhelm I. [2]

[727] Wilhelm I. (Friedrich), der am 7. Oct. 1840 vom Throne zurückgetretene König der Niederlande und Großherzog von Luxemburg, geb. 24. Aug. 1772 im Haag, ist der Sohn des 1806 in Braunschweig gestorbenen, vormaligen Erbstatthalters der Niederlande, Wilhelm V., Fürsten von Oranien und Nassau, und einer Tochter des Prinzen August Wilhelm von Preußen.

Nachdem 1790 durch den Besuch der Universität Leyden seine Ausbildung und Erziehung vollendet worden war, vermählte er sich 1791 mit Wilhelmine, Schwester des nachherigen Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Unter manchen zum Theil von der dem Hause Oranien abgeneigten patriotischen Partei herrührenden Schwierigkeiten hatte er mit seinem später als Feldherrn ausgezeichneten Bruder Friedrich mit Erfolg an besserer Ausbildung des holländ. Landheers gearbeitet und übernahm als Erbprinz 1793 den Oberbefehl desselben, als der franz. Nationalconvent am 1. Febr. dem Erbstatthalter den Krieg erklärte, befreite auch in Folge der vom Prinzen von Koburg bei Neerwinden gegen die Franzosen gewonnenen Schlacht, Brabant von den unter Dumouriez (s.d.) eingedrungenen Feinden und hielt diese von Westflandern ab, bis er im Sept. sich vor ihrer Übermacht nach tapferer Gegenwehr über die Schelde zurückziehen mußte. Die Einnahme von Landrecies, das Zurückschlagen der Franzosen über die Sambre waren noch Erfolge seiner Tapferkeit und Umsicht, allein vergeblich suchte er später nach dem Zurückweichen der verbündeten Truppen das Vordringen der franz. Massen unter Pichegru und Jourdan in die Niederlande mit dem Herzoge von York zu hindern. Er legte mit seinem Bruder am 16. Jan. 1795 seine Befehlshaberstelle [727] nieder und schiffte sich im Gefolge seines Vaters an den folgenden Tagen zu Scheveningen mit nach England ein. W. kehrte bald mit seinem Bruder auf das Festland zurück, um einen jedoch nur kurzen Antheil an den Kriegsbegebenheiten zu nehmen, suchte dann durch Vermittelung des preuß. Hofes die Interessen seines Hauses zu verfolgen, widmete sich übrigens der Erziehung seiner Kinder und der Bewirthschaftung von ihm in Posen und Schlesien erworbener, ansehnlicher Besitzungen. Nachdem ihm jedoch sein Vater im Aug. 1802 die demselben als Entschädigung durch den Reichsdeputationshauptschluß in Deutschland zugefallenen Besitzungen Fulda, Korvei, Dortmund, Weingarten u.a. abgetreten hatte, wendete sich W. nach Fulda. Hier richtete er sich einen Hof ein und waltete sehr verdienstlich, übernahm 1806 auch nach dem Ableben seines Vaters die Regierung seiner Stammländer, verlor aber wegen des verweigerten Beitritts zum Rheinbunde und nachdem er 1806 ein preuß. Corps gegen die Franzosen befehligt hatte und in Erfurt mitgefangen worden war, alle seine Länder. Wieder auf den Besitz seiner Herrschaften in Schlesien und Polen beschränkt, kehrte er nach dem Frieden von Tilsit nach Berlin zurück, befand sich 1809 als Freiwilliger unter dem Erzherzog Karl bei der Schlacht von Wagram, war nachher wieder in Berlin und ging 1813 nach England, um dort für das Interesse der Niederlande (s.d.) zu wirken, wo der zu Ende Nov. 1813 in Holland anlangende W. als souverainer Fürst Niederlands begrüßt ward. Der wiener Congreß bildete daraus mit Belgien das Königreich der Niederlande, welches nun von W. I. als König, sowie das ihm noch zugetheilte Luxemburg (s.d.) als Großherzogthum regiert wurde, bis 1830 durch Misgriffe seiner Regierung der Abfall Belgiens (s.d.) eintrat. Mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln suchte W. seitdem seine allerdings auf Verträgen ruhenden Rechte auf die Abtrünnigen geltend zu machen, die er jedoch nicht für sein Regiment zu gewinnen verstanden hatte, und zögerte bis 1839, bevor er das neue Königreich Belgien unter den von der londoner Conferenz (s. Congreß) festgesetzten Bedingungen anerkannte und am 19. Apr. mit demselben Frieden schloß. Aber diese Bedingungen waren für Niederlande viel nachtheiliger als jene, welche 1831 geboten wurden und König W. I. Hartnäckigkeit hatte dem Lande allein 200 Mill. Gldn. an außerordentlichem Aufwande für das Heer und nun verlorene, für den belg. Antheil an der Schuld bezahlte Zinsen. sowie einen künftigen jährlichen Verlust von 3,400,000 Gldn. (weil Belgien sich zu 8,400,000 Gldn. jährlich zu zahlendem Interessenantheil verstanden hatte, der nun auf 5 Mill. vermindert war) zugezogen. Dabei hatte ihn blos die 1837 von den Generalstaaten gegebene Erklärung, daß sie zum letzten Mal außerordentliche Mittel bewilligten, zum Nachgeben bewogen, was mit den Folgen älterer Gebrechen der Verwaltung der von ihm seit 1831 unerfüllt gelassenen Verheißung von Reformen der Verfassung, dem Geheimnisse über die offenbar durch ihn im höchsten Grade verwickelten Finanzen, das genossene Vertrauen des Landes raubte. Die Kammer sprach 1839 schon die gänzliche Verwerflichkeit des befolgten Systems aus und foderte entschieden die längst begehrten Veränderungen in der Verfassung. Dennoch bequemte W. I. in den zuerst am 30. Dec. 1839, dann 18. März und 28. Mai 1840 den Generalstaaten vorgelegten, von ihnen berathenen und vorläufig angenommenen Gesetzentwürfen über Veränderungen im Grundgesetze, sich nur mit größter Zähigkeit, den Wünschen des Landes zu entsprechen. Im Aug. und Sept. erfolgte dann von den verfassungsmäßig für solche Gesetze zu berufenden außerordentlichen Generalstaaten die Annahme derselben. Die wichtigsten Bestimmungen daraus sind die neue Grenzbestimmung und Abtheilung (Nordbrabant, Geldern, Süd-, Nordholland, Seeland, Utrecht, Friesland, Oberyssel, Gröningen. Drenthe, das für von Luxemburg an Belgien abgetretenes Gebiet zum deutschen Bunde gezogene und zum Herzogthum gemachte Limburg am rechten Ufer der Maas, 40 ! M. und 147,527 Einw.); die Verminderung des Staatsraths von 24 auf 12, der zweiten Kammer von 110 auf 58, der ersten von ca. 60 auf ca. 30 Mitglieder; daß künftig den Generalstaaten die Rechnungen über Einnahme und Ausgaben für die Colonien vorgelegt und gesetzlich bestimmt werden soll, wie der Überschuß zum Besten des Mutterlandes zu verwenden sei (während vorher der König allein darüber verfügte und jene wichtigen Länder wie eine Art Domaine desselben erschienen). Anstatt der frühern zehnjährigen ward die zweijährige Bewilligung der Staatsausgaben, zur Prüfung der jährlichen Einnahmen und Ausgaben eine Oberrechnungskammer eingeführt und endlich die Verantwortlichkeit der Minister gesetzlich gemacht. Aber schon am 7. Oct. entsagte W. I. zu Gunsten des Kronprinzen (s. Wil helm II., König der Niederlande) im Schlosse Loo feierlich der niederländ., luxemburg. und limburg. Krone, um die Regierung, bei der fortan einige andere Regeln zu befolgen wären als die, welche vor den unlängst im Grundgesetze eingeführten Veränderungen und Zusätzen, von demselben vorgeschrieben wurden, in eine kräftigere und dem Neuen mehr zugewendete Hand zu geben. W. hat sich auch den Ruhm eines Beförderers der Künste und Wissenschaften erworben und lebt seitdem mit einem auf viele Mill. holländ. Gldn. geschätzten Vermögen und dem Titel König Wilhelm Friedrich, Graf von Nassau, in Berlin, wo er auch im Febr. 1841 eine schon früher beabsichtigte morganatische Ehe mit der Gräfin Henriette d'Oultremont, einer katholischen Belgierin und Hofdame seiner im Oct. 1837 verstorbenen Gemahlin, geschlossen hat.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 727-728.
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