Hahn-Hahn

[626] Hahn-Hahn, Ida Marie Luise Sophie Friederike Gustava, Gräfin, Schriftstellerin, geb. 22. Juni 1805 zu Tressow in Mecklenburg-Schwerin, gest. 12. Jan. 1880 in Mainz, Tochter des sogen. Theatergrafen Karl Friedrich v. Hahn (s. Hahn 4), vermählte sich 1826 mit dem reichen Grafen Friedrich Wilhelm Adolf v. H. aus der ältern Linie Hahn-Basedow, doch wurde die Ehe schon 1829 wieder gelöst, worauf die geschiedene Gattin auf Reisen und in der Poesie Zerstreuung suchte. 1835 besuchte sie die Schweiz, 1836 und 1837 lebte sie in Wien; 1838–39 bereiste sie Italien, 1840–41 wieder Italien, Spanien und Frankreich, 1842 Schweden und endlich Syrien und den Orient. Dazwischen lebte sie abwechselnd in Greifswald, Berlin und Dresden. Sie trat zuerst mit lyrischen Gedichten auf: »Gedichte« (Leipz. 1835), »Neuere Gedichte« (das. 1836), »Venezianische Nächte« (das. 1836) und »Lieder und Gedichte« (Berl. 1837). Später wandte sie sich dem sozialen Roman zu und ließ rasch nacheinander folgen: »Aus der Gesellschaft« (Berl. 1838; 2. Aufl. als »Ida Schönholm«, 1844), »Der Rechte« (das. 1839), »Gräfin Faustine« (das. 1841, 3. Aufl. 1848), »Ulrich« (das. 1841, 2 Bde.; 2. Aufl. 1845), »Sigismund Forster« (das. 1843, 2. Aufl. 1845), »Cecil« (das. 1844, 2 Bde.), »Zwei Frauen« (das. 1845), »Sibylla« (das. 1846), »Levin« (das. 1848), welche Romane teilweise u. d. T.: »Aus der Gesellschaft« (das. 1844, 12 Bde.) gesammelt erschienen. Sämtliche Romane bekundeten Esprit und eine zwar nicht tiefe, aber desto mannigfaltigere und äußerlich glänzende Bildung. Wiewohl sie ihrem Inhalt nach meist den aristokratischen Kreisen angehören, erschienen sie doch im allgemeinen von den Anschauungen des jungen Deutschland und der hiermit verwandten modern französischen Bildung beeinflußt. Ihre hocharistokratische Manier persiflierte der anonym erschienene (von Fanny Lewald verfaßte) Roman »Diogena. Von Gräfin Iduna H.« (Leipz. 1847) aufs köstlichste. Von ihren zahlreichen Reiseschriften sind »Jenseit der Berge« (Leipz. 1840, 2 Bde.; 2. Aufl. 1845), »Reisebriefe« (Berl. 1841, 2 Bde.), »Erinnerungen aus und an Frankreich« (das. 1842, 2 Bde.), »Ein Reiseversuch im Norden« (das. 1843) und »Orientalische Briefe« (das. 1844, 3 Bde.) zu nennen. Der Tod ihres Freundes (Herrn v. Bistram aus Kurland) hinterließ in ihrem ohnedies nie befriedigten Herzen eine Leere, deren Ausfüllung sie in der alleinseligmachenden Kirche zu finden hoffte. Bischof Ketteler in Mainz wurde ihr Gewissensrat, 1850 erfolgte ihr Übertritt zur katholischen Kirche. Als echte Konvertitin wirkte sie nun in fanatischem Eifer für diese, zunächst durch die Schrift »Von Babylon nach Jerusalem« (Mainz 1851), die ihren Schritt rechtfertigen sollte, die aber durch die geistreiche, ebenso milde wie scharfe Entgegnung Abekens: »Babylon und Jerusalem; ein Sendschreiben etc.« (Berl. 1851), in das verdiente Licht gestellt wurde. Demselben Zweck dienten: die Gedichtsammlung »Unsrer Lieben Frau« (Mainz 1851, 3. Aufl. 1856); »Aus Jerusalem« (das. 1851); »Die Liebhaber des Kreuzes« (das. 1852); »Ein Büchlein vom guten Hirten« (das. 1853); »Bilder aus der Geschichte der Kirche« (das. 1853–66, 4 Bde.; Bd. 1, 3. Aufl. 1874). Im November 1852 trat sie zu Angers als Novizin in ein Kloster und beteiligte sich an der Gründung des Klosters »Zum guten Hirten« in Mainz, worin sie starb. Ihre spätern Romane: »Maria Regina« (Mainz 1860; 6. Aufl. 1898, 2 Bde.), »Doralice« (das. 1861, 2 Bde.), »Zwei Schwestern« (das. 1863, 2 Bde.), »Peregrin« (das. 1864, 2 Bde.), »Die Erbin von Cronenstein« (das. 1868, 2 Bde.), »Nirwana« (das. 1875, 2 Bde.), »Eine reiche Frau« (das. 1877), »Der breite Weg und die enge Straße« (das. 1877, 2 Bde.), »Wahl und Führung« (das. 1878, 2 Bde.) u. a. machten in derselben äußerlich blendenden Weise für ihre ultramontanen Anschauungen Propaganda wie die frühern Romane für die jungdeutschen. Eine Gesamtausgabe ihrer frühern Romane erschien zu Berlin 1851 in 21 Bänden; die Schriften aus der Zeit ihrer ultramontanen Tendenzen wurden als »Gesammelte Werke« mit einer Einleitung von O. v. Schaching (Regensb. 1902 ff.) herausgegeben. Vgl. Marie Helene, Gräfin Ida H. (Leipz. 1869); Haffner, Gräfin Ida H. (Frankf. 1880); Alinde Jacoby, Ida Gräfin H. (Mainz 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 626.
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