Haupt [2]

[877] Haupt, 1) Moriz, klassischer Philolog und Germanist, geb. 27. Juli 1808 in Zittau, gest. 5. Febr. 1874 in Berlin, studierte 1826–30 in Leipzig unter G. Hermann und wurde 1837 daselbst Privatdozent, 1841 außerordentlicher, 1843 ordentlicher Professor des neugegründeten Lehrstuhls für deutsche Sprache und Literatur. Wegen seiner Beteiligung an der Bewegung von 1848 seines Amtes 1851 entsetzt, wurde er 1853 an Lachmanns Stelle nach Berlin berufen. Ausgerüstet mit feiner Beobachtungsgabe und seltenem Scharfsinn, dazu eine kraftvolle Persönlichkeit, übte H. als Dozent durch das Hindrängen auf eine feste Methode einen außerordentlichen Einfluß. In seinen Schriften erweist er sich als einer der bedeutendsten Textkritiker. Von diesen beziehen sich auf das klassische Altertum: »Quaestiones Catullianae« (Leipz. 1837), »Observationes criticae« (das. 1841), »De carminibus bucolicis Calpurnii et Nemesiani« (Berl. 1854) sowie die Ausgaben der »Halieutica« Ovids nebst den »Cynegetica« des Gratius und Nemesianus (Leipz. 1838), des »Epicedion Drusi« (das. 1850), des Horaz (das. 1851; 4. Aufl. von Vahlen, 1882), des Catull, Tibull, Properz (das. 1853; 6. Aufl. von Vahlen, 1904), der »Metamorphosen« Ovids (Bd. 1, Berl. 1853; 7. Aufl. von H. J. Müller, 1885; Bd. 2 von Korn, 1876) in der von ihm 1848 mit Sauppe begründeten Weidmannschen »Sammlung griechischer und römischer Schriftsteller mit deutschen Anmerkungen«, der »Germania« des Tacitus (das. 1855) und des Vergil (Leipz. 1858, 2. Aufl. 1874). Aus G. Hermanns, seines Schwiegervaters, Nachlaß gab er Bion und Moschos (Leipz. 1849) sowie den Äschylos (das. 1852, 2 Bde.; 2. Aufl., Berl. 1859) heraus. Für die Literatur des deutschen Mittelalters lieferte er Ausgaben des »Erec« von Hartmann von Aue (Leipz. 1839, 2. Aufl. 1871), des »Guten Gerhard« von Rudolf von Ems (das. 1840), der »Lieder und Büchlein« und des »Armen Heinrich« von Hartmann von Aue (das. 1842, 2. Aufl. 1881), des »Engelhard« von Konrad von Würzburg (das. 1844, 2. Aufl. 1890), des »Winsbeke« (das. 1845), der »Lieder« Gottfrieds von Neifen (das. 1851), des Neidhart von Reuenthal (das. 1858), endlich des »Moritz von Craon« (Berl. 1871). Auch vollendete er Lachmanns Ausgabe der ältesten mittelhochdeutschen Lyriker (»Des Minnesangs Frühling«, Leipz. 1857; 4. Aufl. 1888) und besorgte die 3. und 4. Auflage von Lachmanns Ausgabe der »Nibelungen« (Berl. 1852 u. 1867) und der Gedichte Walters von der Vogelweide (das. 1853 u. 1864) u. a. Mit Hoffmann von Fallersleben gab er »Altdeutsche Blätter« (Leipz. 1836–40, 2 Bde.) heraus; 1841 gründete er die »Zeitschrift für deutsches Altertum«, deren erste 16 Bände er redigierte (Berl. 1841–73). Aus seinem Nachlaß veröffentlichte Tobler »Französische Volkslieder« (Leipz. 1877). Seine »Opuscula« sammelte U. v. Wilamowitz-Möllendorf (Leipz. 1875 bis 1877, 3 Bde.). Vgl. Kirchhoff, Gedächtnisrede auf Moriz H. (Berl. 1875); Belger, M. H. als akademischer Lehrer (das. 1879).

2) Karl August, Musiker, geb. 25. Aug. 1810 in Kuhnau (Schlesien), gest. 4. Juli 1891 in Berlin, erhielt seine Ausbildung von A. W. Bach, B. Klein und S. Dehn in Berlin, wo er zunächst eine Organistenstelle bekleidete und Lehrer, 1869 aber Direktor des königlichen Instituts für Kirchenmusik, königlicher Professor und Senatsmitglied der Akademie wurde. H. genoß das höchste Ansehen als Orgelspieler, Orgelkenner und als Lehrer des Orgelspiels und des Kontrapunktes. Er gab eine Orgelschule und ein Choralbuch heraus. Seine Kontrapunktlehre veröffentlichte sein Schüler Clarence Eddy (1876, engl.).

3) Ottomar, Finanzschriftsteller, geb. 9. Aug. 1839 zu Penig in Sachsen, gest. 15. Mai 1898 in Paris, war längere Zeit als Leiter großer Bankinstitute in Wien, Amsterdam und London tätig und lebte später als Privatmann in Paris. Er widmete sich besonders dem Studium der Münz- und Währungsverhältnisse, war auf dem Pariser Münzkongreß 1873 Vertreter der ungarischen Regierung und schrieb außer zahlreichen Beiträgen zu Zeitschriften: »Der praktische Wiener Arbitrageur« (Wien 1871); »Arbitrages et parités. Traité des opérations de banque« (Par. 1872, 8. Aufl. 1894; deutsche Ausg., Wien 1874); »Gold, Silber und Währung« (das. 1877); »Währungspolitik und Münzstatistik« (Berl. 1884); »L'histoire monétaire de notre temps« (Par. 1886); »Gold, Silber und Valutaherstellung« (Wien 1892) u. a.

4) Erich, protest. Theolog, geb. 8. Juli 1841 in Stralsund, wurde 1861 Gymnasiallehrer in Kolberg und darauf in Treptow a. d. Rega, 1878 ordentlicher Professor der neutestamentlichen Exegese in Kiel, 1882 in Greifswald und 1888 in Halle. Er schrieb: »Der erste Brief des Johannes« (Kolberg 1869); »Die alttestamentlichen Zitate in den vier Evangelien« (das. 1871); »Die Kirche und die theologische Lehrfreiheit« (Kiel 1881); »Pilgerschaft und Vaterhaus«, sechs Predigten (Halle 1880, 2. Aufl. 1890); »Plus Ultra. Zur Universitätsfrage« (das. 1887); »Die Bedeutung der Heiligen Schrift für den evangelischen Christen« (Bielef. 1891); »Die eschatologischen Aussagen Jesu in den synoptischen Evangelien« (Berl. 1895). Auch bearbeitete er die 7. Auflage des Meyerschen Kommentars zu den paulinischen Gefangenschaftsbriefen (Götting. 1897). Nach Beyschlags (s. d.) Tod übernahm er 1901 die Leitung der »Deutsch-Evangelischen Blätter«, 1902 trat er an Köstlins Stelle als Mitherausgeber der »Theologischen Studien und Kritiken«.

5) Paul, Assyriolog, geb. 25. Nov. 1858 in Görlitz, studierte in Leipzig und Berlin, habilitierte sich 1880 in Göttingen, erhielt 1883 daselbst eine außerordentliche Professur für Assyriologie, folgte aber noch im Herbste dieses Jahres einem Ruf an die John Hopkins-Universität in Baltimore. Er veröffentlichte: »Die sumerischen Familiengesetze« (Leipz. 1879); »Akkadische und sumerische Keilschrifttexte« (1881–82, 4 Lfgn.) und »Das babylonische Nimrod-Epos« (1884, 1891; noch unvollendet); außerdem die kleinern Schriften: »Der keilinschriftliche Sintflutbericht« (Leipz. 1881); »Die akkadische Sprache« (Berl. 1883); »Beiträge zur assyrischen Lautlehre« (Götting. 1883); »Prolegomena to a comparative Assyrian grammar« (Newhaven 1888). Mit Friedr. Delitzsch gibt er auch die »Beiträge zur Assyriologie« (bis jetzt 4 Bde., Leipz. 1889 ff.) heraus und hat in diesen wie in andern, vorzugsweise amerikanischen Zeitschriften eine Reihe wertvoller Abhandlungen zur assyrischen und allgemein semitischen Laut- und Formenlehre niedergelegt. Besondere Hervorhebung verdient »The Assyrian e-vowel« (Baltimore 1887). Seit 1898 bilden die Herausgabe von »The sacred books of the Old Testament. A critical edition of the Hebrew text printed in colors, with notes prepared by eminent [877] Biblical scholars of Europe and America« (Leipz., Baltimore, Lond. 1899 ff.) sowie, im Anschluß hieran, eine neue englische Bibelübersetzung das Hauptgebiet von Haupts Tätigkeit.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 877-878.
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